Wirkstoff aus Platanenrinde zur Brustkrebstherapie

19. Juni 2019 | Bildung und Wissenschaft, Nachrichten, Natur & Gesundheit | 4 Kommentare

Platanen vor dem Landesmuseum

Platanen sind beliebte Stadtbäume, weil sie sich recht robust sich im Klima unserer Städte behaupten. Sie fallen auf, weil im Sommer von ihren Stämmen die Rinde großflächig abplatzt. Das ist keinewegs ein Zeichen von Krankheit, sondern zeugt von Vitalität. Die Rinde wird nämlich bei der Dickenzunahme der Baume abgestoßen. Diese Rinde enthält den Naturstoff Betulin in hoher Konzentration. Der Wirkstoff Betulin beziehungsweise Betulinsäure selbst sind bereits länger für ihre antibakterielle Wirkung bekannt, beispielsweise in Hautpflegeprodukten. Der Wirkstoff ist auch bereits in Medikamenten gegen Entzündungen, Malaria, Adipositas, HIV sowie gegen Melanome untersucht und eingesetzt worden oder in klinischer Testung.
Ein neues interdisziplinäres Forschungsprojekt der Universitätsmedizin Halle (Saale) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) untersucht Möglichkeiten, die Strahlenresistenz bestimmter Brustkrebstumoren zu überwinden. Dafür sollen die Naturstoffe Betulin und Betulinsäure, die aus Birken- beziehungsweise Platanenrinde gewonnen werden, chemisch so verändert werden, dass sie mit einem sogenannten dualen Targeting Krebszellen gezielt abtöten können und dass Nebenwirkungen minimiert werden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert dieses Vorhaben über drei Jahre mit 645.000 Euro. Beteiligt sind daran Arbeitsgruppen der Universitätsmedizin Halle (Saale) und des Biozentrums der MLU sowie des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie (IPB).
Als Tumormodell ist das Mammakarzinom ausgewählt worden. „Diese Tumorart ist trotz multimodaler Therapiekonzepte nach wie vor eine der häufigsten Todesursachen bei Frauen. Das Mikromilieu dieser soliden Tumoren ist meist durch Übersäuerung, Azidose genannt, und Sauerstoffmangel gekennzeichnet. Beide Faktoren können dazu führen, dass die Strahlentherapie nicht anschlägt“, sagt der Mediziner Bache.
Ein Schlüsselenzym, die Carboanhydrase IX (CA IX), ist das Problem und in Mammakarzinomen häufig stark nachweisbar. „Patientinnen mit hohem CA-IX-Level weisen in der Regel eine schlechte Prognose auf, das heißt die Behandlung ist schwierig. Um den Behandlungserfolg zu verbessern, sind daher neue Methoden notwendig, die spezifisch den Tumor attackieren.

Platane frisch entrindet

Für die Tumortherapie scheint die Stoffgruppe der Betulin-Derivate von Bedeutung zu sein. Man konnte bereits nachweisen, dass Betulinsäure unter Sauerstoffmangel eine hohe Zytotoxizität aufweist und strahlensensibilisierend wirkt. Nun soll untersucht werden, ob neusynthetisierte Betulin-Derivate die Strahlenresistenz von humanen Tumoren brechen.
„Wir haben den Mechanismus aufgeklärt. Die Substanz dringt in die Tumorzelle ein, wandert zu den Mitochondrien, die Betulinsäure wird wegen des sauren Milieus des Tumors abgespalten und reaktiviert den zuvor von der Tumorzelle ausgeschalteten Zelltod-Mechanismus“, erklärt Prof. Paschke, Leiter dess Biozentrums, vereinfacht. Konkreter: Die Betulin-Derivate sollen mit Carboanhydrase-Blockern gekoppelt werden, um sogenannte bifunktionelle Agenzien herzustellen. Damit soll die Carboanhydrase gehemmt und die Betulin-Komponente, also das eigentliche „Gift“, gezielt zum Wirkort in den Tumorzellen transportiert werden.

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