Riebeckplatz: Bürger diskutieren über Shopping-Center und Kongresshotel
24. April 2014 | Vermischtes | 8 KommentareWie soll sich der Riebeckplatz als einer der markantesten Plätze in Halle (Saale) in den kommenden Jahren weiter entwickeln? Die Stadt will dazu ein Leitbild entwickeln und setzt dabei auch auf Ideen der Bürger.
Am Mittwochabend fand mit einer Bürgerversammlung der Auftakt eines Beteiligungsprozesses zur Entwicklung des Gebietes zwischen Hauptbahnhof und Leipziger Turm statt. Die Anbindung an die neue ICE-Strecke von Erfurt nach Leipzig soll auch dem Standort Riebeckplatz neue Impulse geben. Im Juni wird sich ein Städtebauworkshop anschließen. Hier soll ein planerisches Leitbild für den Platz entwickelt werden. Drei bis fünf Büros sollen dieses erarbeiten. Anfang 2015 soll die Entscheidung im Realisierungswettbewerb fallen, zwischen 2016 und 2018 ist die Planungs- und Bauphase angesetzt.
MitBürger-Stadtrat Denis Häder interessierte sich für Pläne, in einem Neubau am Riebeckplatz Teile der Stadtverwaltung unterzubringen. Und ob der Neubau für Edeka auch mit durch die Bürgerbeteiligung beeinflusst werden kann. „Wir planen das offen“, sagte Oberbürgermeister Bernd Wiegand. Es gebe zum Leitbild keine vorgefertigte Diskussion. Beim Edeka-Neubau seien dagegen die Messen schon gesungen, hier habe der Stadtrat schon einen Beschluss gefasst.
Der Riebeckplatz sei verkehrstechnisch hervorragend erschlossen durch Auto, Straßenbahn, Bahn und Bus. „Was fehlt sind Menschen und Einkaufsmöglichkeiten“, sagte Wolfgang Meißner. Es sei dringend geboten zu überplanen, möglicherweise passe ein Kongresszentrum auf den Platz. Für die Ostseite regte er gar ein 8- bis 9-geschossiges Warenhaus an. Das Einkäuferpotential könne den Platz hervorragend erreichen. Und große Einzelhandelsflächen seien Mangelware in der Stadt. Die Idee eines Kongresszentrums fand auch Udo Schumann gut. Auch Lars Loebner, Leiter des Stadtplanungsamts, nahm die Idee dankbar auf.
Reiner Halle, in den 60ern Bauleiter bei der Umgestaltung des damaligen Thälmannplatzes und vor wenigen Jahren Mitinitiator einer Initiative gegen den Abriss der beiden Hochhäuser, lobte die geplante Erarbeitung eines Konzepts. Doch denn dieses Sinn haben soll, dann müsse bis zur Fertigstellung des Leitbilds gelten, dass nichts mehr neu gebaut werden oder abgerissen werden darf.
Als Kritikpunkt kam mehrfach die Straßenbahnführung auf. Klaus Henseleit bezeichnete sie als „kompliziert“. Wer vom Boulevard zum Bahnhof will, müsse zweimal die Gleise überwinden. „Mit Kindern ist das schwierig“, so Mariella Winkler, der übrigens der „Wow“-Effekt am Platz fehlt. Er habe überhaupt nichts Besonderes. Eine Anwohnerin aus der Kirchnerstraße nannte das Rondell am Riebeckplatz eine Fehlplanung. „Es war von vornherein schlecht geplant, genauso wie das Charlottencenter in zweiter Reihe.“ Die Straßenbahnhaltestellen befinden sich vor und nach dem Rondell. Es gebe keinen Grund, vorher auszusteigen und dort hindurch zu gehen. Ein Mann regte gastronomische Einrichtungen an, diese würden Menschen anziehen. Möglich wäre auch ein kleiner Wochenmarkt. Ein anderer Bürger meinte dagegen, man solle die Träume zäumen, die Kaufkraft in Halle sei beschränkt. Und ein weiterer Bürger hatte die Idee, das Rondell als Fahrradparkhaus zu nutzen. Das sei sinnvoller als die jetzige Casino-Nutzung direkt im Eingangstor zur Stadt.
Guido Schwarzendahl, Vorstand des Bauvereins, begrüßte die Pläne zur Schaffung weiterer Verwaltungsflächen. Dagegen sprach er sich gegen Wohnbebauung aus. Dies erzeuge zum einen Leerstand an anderer Stelle in der Stadt. Zum andere sei der Stadt davor unattraktiv. Es gebe kaum Grün, dafür jedoch viel Lärm.
Andreas Schmidt beklagte fehlende Hinweise zu Touristenzielen am Busbahnhof. Zudem erachtet er es als problematisch, dass die Hälfte der Bänke am Riebeckplatz von Trinkern besetzt ist. Die Alkoholiker sieht auch Bahnhofsmanager Axel Prescher als Problem, vor allem wenn er sich in die Lage von Touristen versetze, die vom Bahnhof in die Stadt wollen und an den Trinkern vorbei müssen. „Das ist schädlich für unsere schöne Stadt.“
Im Rahmen der Veranstaltung informierte die Bahn über ihre Vorhaben. Insbesondere durch die neue ICE-Trasse erhofft sich Halle Impulse. 650 Millionen Euro will die Bahn in den nächsten Jahren investieren. So wird eine Zugbildungsanlage gebaut, 50 Kilometer Gleis und 200 Weichen werden erneuert. Auch zwei neue Trafostationen sind geplant. 2015 und 2016 wird im Hauptbahnhof gebaut.
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Ich habe den „Höhlenvergleich“ ja auch etwas scherzhaft gemeint – sorry, wenn es nicht so rüberkam.
Gegen eine Berücksichtigung mit der Randbebauung, mit bestehenden architektonischen Einflüssen, mit Traufhöhen und Grundstücksgrößen etc. habe ich nichts – das sind Grundlagen der Stadtplanung. Aber ich fand auch den fast reflexhaften Bezug auf die Gründerzeit zu einfach und zu kurzsichtig. Mag ja sein, dass die Stadt Halle hier aufgrund glücklicherweise geringer Zerstörung usw. was vorzuweisen hat – dennoch gibt es auch andere architektonische Vorbilder. Und es bedarf auch nicht immer bestehender Vorbilder – an einem solchen komplizierten städtischen Gebilde wie den Riebeckplatz können und dürfen auch moderne Ideen umgesetzt werden. Wobei sich eine geplante Bebauung sicherlich an vorhandenen Grundstücksgrößen orientieren wird – auch wenn diese den gründerzeitlichen Strukturen widersprechen dürften.
Vielleicht könnte man sich auch auf eine hallesche Traufhöhe verständigen, analog der Berliner. Dann muss man nicht mit der gründerzeitlichen Maßstäblichkeit argumentieren.
Lieber kritipoliti,
zugegeben – nach dem Höhlenvergleich fällt es mir schwer, mich zu motivieren und auf das gesagte einzugehen. Das war dumm und unnötig. Ich glaube dennoch, dass Sie eine konstruktive Diskussion wollen. Also :
Mit dem gründerzeitlichen Maßstab meine ich die Größe der zu überbauenden Grundstücke und der zu errichtenden Gebäude. Betrachtet man den Bereich etwas weiträumiger (Magdeburger Straße, Delitzscher Straße, Leipziger Straße, Nordseite der Frankestraße und die Merseburger Straße) so findet man eben diesen stadträumlichen Maßstab vor. Dies auf dem Riebeckplatz fortzuführen erscheint mir schlüssig.
Am Montag wurde im Gestaltungsbeirat das Thema auch in die Richtung diskutiert, dass der Platz als Stadteingang (vom Bahnhof aus gesehen) auch eine deutlich dominantere Bebauung verträgt/verlangt. Auch dieser Meinung kann ich ein Stück folgen, wobei die Funktionalität der städtischen Räume für mich im Vordergrund stünde, als ein rein „optischer“ Auftakt. Das kann ich mir eben bei kleineren Maßstäben eher vorstellen.
Mit den modernen Ansätzen meinen Sie wahrscheinlich die architektonische Gestalt.? Natürlich wäre es völliger Nonsens hier Gründerzeitlichen Häuser zu adaptieren. Selbstverständlich braucht es eine gute moderne Architektur für diesen Platz. Wir reden aber bisher nur über räumliche Strukturen und Maßstäbe.
Ihre Einschätzung zu der Nutzung als Verwaltungsstandort, insbesondere als Alternative zum Hansering 15 teile ich. Gleichwohl wird es immer wieder Baubegehren für den Platz geben (aktuell die Sanierung der Hochhausscheibe am südlichen Eingang der Franckestraße durch die HWG). Diese in einem städtebaulichen Konzept einzuordenen und aus einer Vision für den gesamten Platz heraus zu bewerten, finde ich einen guten Ansatz.
C.Feigl: „Ich präferiere eine Bebauung die sich weitgehend am gründerzeitlichen Maßstab vor 1945 orientiert…“
Man kann ja Gründerzeit-Fan sein oder sich geistig in der Vergangenheit bewegen – aber es gibt mit Sicherheit auch andere Maßstäbe als die Gründerzeit, zumal ich mir das an einem Verkehrsknoten (und das wird der Platz bleiben) nur schwer vorstellen kann. Was soll der Gründerzeit-Maßstab sein?
Vielleicht gibt es ja modernere Ansätze aus anderen Städten, die sich nicht immer nur in der Vergangenheit bewegen. Klar kann man schöne Häuser erhalten wollen oder sich immer und immer wieder über Abrissmaßnahmen aufregen – aber die Menschheit entwickelt sich weiter. Wenn es schon immer diese (neuzeitliche) Vergangenheitsorientierung gegeben hätte, würden wir heute noch in Höhlen leben.
Ein Konzept für diesen Platz muss sich an Realitäten orientieren – Kaufkraft (in Bezug auf Einzelhandel und Mieten), Flächenbedarf für Verwaltung (den ich nicht sehe, außer auslaufende Anmietungen wie Hansering15), nicht zu finanzierende Kosten für Verwaltungsneubauten (hatte ich an anderer Stelle schon kommentiert) und Verkehrsströme, die nur bedingt beeinflussbar sind.
„Der Platz müsste radikal umgebaut werden und zunächst einmal den Charme des Schkeuditzer Kreuzes verlieren und den eines normalen urbanen Platzes annehmen. “
durbodill, ganz recht. Das war im übrigen mein Ansatz, nach vielen Einzelmaßnahmen ein Gesatkonzept einzufordern, damit eine konzertierte Entwicklung des „Platzes“ möglich ist. Ich bin froh, das der Prozeß nun anläuft. Dabei sollte es weniger um mehr oder weniger kongrete Bauprojekte, als vielmehr im ersten Schritt um einen Rahmenplan gehen. Hier ist also auch die Bürgerschaft gefragt zu sagen, wie der Platz aussehen soll. Ich präferiere eine Bebauung die sich weitgehend am gründerzeitlichen Maßstab vor 1945 orientiert, einschließlich der Quartierszusschnitte (sofern diese heute nicht andersweitig bebaut sind)
Ich freue mich auf eine rege Beteiligung an diesen Prozeß. Schreibt Eure Anregungen an die Stadtverwaltung/ Planungsamt!
Die Stadtplaner scheinen über Jahre im Tiefschlaf verweilt zu haben. Dort, wo ein KOngress-Hotel hingehörte (weil die Halle für Kongresse gleich daneben steht) wird jetzt ein Finanzamt gebaut.
Sämtliche Kunstprodukte für das Areal Riebeckplatz/Oberer Boulevard sind in den letzten Jahren gescheitert, viel Geld wurde versenkt.
Wenn die Stadt nicht von den Rändern zurückgebaut wird und hier preiswertes Wohnen angeboten wird wird sich hier nichts entwickeln. Der Konsum-/Kneipenbedarf etc. kann bestenfalls aus dem Quartier selbst kommen und das auf (erst einmal) relativ einfachem Niveau. Vielleicht entwickelt sich dann etwas.
„Wer vom Boulevard zum Bahnhof will, müsse zweimal die Gleise überwinden. „Mit Kindern ist das schwierig“, so Mariella Winkler, der übrigens der „Wow“-Effekt am Platz fehlt.“
Die Halleschen Riebeck-Gleis-Alpen sind eben nicht ganz ohne!
Immer diese Floskeln…Impulse von der ICE-Strecke! Welche Impulse sollen denn für diesen Riebeckplatz von einer ICE-Strecke ausgehen? Was soll denn an einem Autobahnkreuz für ein gesellschaftliches Leben stattfinden? Der Platz müsste radikal umgebaut werden und zunächst einmal den Charme des Schkeuditzer Kreuzes verlieren und den eines normalen urbanen Platzes annehmen. Sonst ist da nix zu holen.