Blaubeerkonsum boomt dank Billigimporten

28. Juni 2022 | Vermischtes | Ein Kommentar

Lange ist es her, dass man mit Milchkanne ausgerüstet in die Wälder ausschwärmte, um Blaubeeren zu sammeln. Mühselig war das Pflücken von den niedrigen Sträuchern. Viel konnte man nicht ernten. Aber sie schmeckten köstlich, roh, als Kuchen, Marmelade oder Kompott. Außerdem galten sie als gesund wegen der enthaltenen Vitamine und der Radikale fangenden Anthocyane. Nicht verwunderlich, dass da einem Fats Dominos Schlager „Blue Berry Hill“ in den Sinn kam. Zu Kaufen gab es die Saisonware nur begrenzt. Und teuer war sie zudem. Dann wurde sogar vor dem Genuss der gesammelten Blaubeeren gewarnt. Denn Waldheidelbeeren können bei uns mit den winzigen, extrem resistenten Eiern des Fuchsbandwurms kontaminiert sein. 

Dann tauchten Kulturheidelbeeren auf. Das Selberpflücken von den großen Büschen wurde bequemer. Einen Eimer hatte man schnell voll, da diese Beeren wesentlich größer sind und z.T. traubenartig dicht an den Zweigen sitzen. Diese Kulturheidelbeeren stammen nicht von den bei uns heimischen Waldheidelbeeren ab. Es handelt sich um Züchtungen aus Nordamerika. Kulturheidelbeeren kann man leicht daran erkennen, dass ihr Fruchtfleisch weiß ist. Die blaufärbenden Anthocyane sind nur in der Fruchtschale enthalten. Die charakteristische weiße Bereifung der Beeren entsteht  durch winzige Wachsteilchen. Sie schützt vor übermäßiger Sonneneinstrahlung und vor Schädlingsbefall und lässt Regenwasser leichter abperlen, wodurch Schadpilzbefall verringert werden kann. 

Waldheidelbeeren kann man gewöhnlich ab Juni direkt im Wald sammeln. Kulturheidelbeeren aus heimischem Anbau gibt es auch schon etwas früher. Seit einiger Zeit beglücken uns allerdings Discounter mit immer günstigeren Angeboten von Kulturheidelbeeren – und das bereits mitten im hiesigen Winter. Der Blick aufs Etikett informiert über die Herkunft: Chile, Peru, Spanien, Marokko. Die Erzeugerkosten sind im Ausland offenbar so niedrig, dass sich Importe aus fernen Ländern lohnen. Durch die niedrigen Preise boomt die Nachfrage nach Heidelbeeren. Werbung haben die Blaubeeren nicht nötig. Ihr Ruf als Superfood sorgt für einen rasant wachsenden Absatz.

Ein blaues Wunder erlebt derzeit Peru mit seiner Blaubeer-Produktion in der Wüste. Von dem konnte selbst Paddington Bär noch nichts im „dunkelsten Peru“ ahnen. Jetzt ist Peru der weltweit größte Exporteur  der Superbeeren. Von rund 13.000t vor sieben Jahren stieg der Export auf derzeit über 200.000t. Größter Importeur sind die USA. Ein Drittel wird nach Europa verschifft. Der Anbau erfolg meist auf der Pazifikseite der Anden. Die Pflanzen gedeihen in dem dortigen Wüstenklima, weil sie in humusgefüllten Plastiksäcken wachsen und mit umgeleiteten Gletscherwasser bewässert werden. Billige Arbeitskräfte mit Monatslöhnen unter 400€ stehen dort reichlich zur Verfügung, so dass selbst lange Transporte auf dem Seewege profitabel sind. Die Transporte über Tausende von Kilometern, der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, das Wassermanagement, die niedrigen Löhne entsprechen kaum unseren Vorstellungen von einer umweltfreundlichen, klimagerechten Erzeugung. Wenn man sich darauf beschränken würde, Blaubeeren erntefrisch aus heimischer Produktion zu konsumieren, nützte das der Umwelt und den lokalen Landwirten, denn Kulturheidelbeeren wachsen auch bei uns sehr gut, nur (noch) nicht in den Wintermonaten.  

Fundstück:

Alte deutsche Lieder gesammelt von L. A. v. Arnim u. C. Brentano.

Des Knaben Wunderhorn Bd. 3, Heidelberg 1808

„Geh mit mir in die Heidelbeeren, 

Heidelbeeren sind noch nit blo, (blau) 

Geh mit mir ins Haberstoh,
Haberstoh ist noch nit zeitig,
Geh mit mir ins Besenreisig,
Besenreisig ist noch nit auf,
Geh mit mir die Trepp hinauf,
Trepplein ist verbrochen,
Sind wir nauf gekrochen,
Sind wir in dem Kaͤmmerlein,
Schenk ein Schoͤpplein Wein ein.“

(H.J. Ferenz)

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