Wie sicher sind Bus und Bahn in Zeiten von Corona? Ein Gespräch mit HAVAG-Vorstand Vinzenz Schwarz

6. Oktober 2020 | Umwelt + Verkehr | Keine Kommentare

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen steigt stetig in Deutschland, auch in Halle nehmen die Neuerkrankungen zu, wenngleich sie sich (noch!) auf verhältnismäßig niedrigem Niveau befinden – verglichen mit anderen Städten in Deutschland.

Doch die Sorgen wachsen – zumal der Winter kommt, die Menschen sich wieder mehr in geschlossenen Räumen treffen –  und vermehrt wieder auf Bus und Bahn umsteigen.

Zu Beginn der Corona-Krise Mitte März 2020 blieben viele Fahrgäste durch sich stark verändernde Rahmenbedingungen und massive Kontaktbeschränkungen weg, trauten sich auch zum Teil nicht in Bus und Bahn, aus Angst vor Infektionen.

Darüber, wie das Verkehrsunternehmen HAVAG die Situation beurteilt, sprach Hallespektrum.de mit Vinzenz Schwarz, Vorstand der Halleschen Verkehrs-AG (HAVAG).

Wie geht die HAVAG gegen Maskenverweigerer vor?

Der Einstiegspunkt des Gesprächs: Noch immer trifft man in den Straßenbahnen vereinzelt Fahrgäste an, die trotz der gesetzlichen Maskenpflicht (§3 (2) der achten Corona-Eindämmungsverordnung) in Bus und Bahn „oben ohne“, sprich: ohne Mund-Nasen-Bedeckung, unterwegs sind.

Doch wie kann das Unternehmen die Maskenpflicht durchsetzen? Wo das Land Sachsen-Anhalt als einziges Bundesland darauf verzichtet, Verstöße gegen die Maskenpflicht mit Bußgeldern zu ahnden?

Schwarz verweist zu allererst auf die Achtsamkeit der Fahrgäste zueinander und auf des solidarische Mitwirken der Menschen in Halle (Saale) und Umgebung bei der Vermeidung von Neuinfektionen. Dazu gehört das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes durch alle Nutzer des ÖPNV. Darüber hinaus und bei Verstößen verweist er auf die Beförderungsbestimmungen und das Hausrecht der HAVAG in den Linienfahrzeugen. Allgemein heißt es in den Beförderungsbedingungen:

Von der Beförderung ausgeschlossene Personen

„Personen, die eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Betriebes oder für die Fahrgäste darstellen, sind von der Beförderung ausgeschlossen und können aus den Fahrzeugen und von den Anlagen und Einrichtungen des VU verwiesen werden“.  

Weiter heißt es dort:

„Fahrgäste haben sich bei Benutzung der Betriebsanlagen und Fahrzeuge so zu verhalten, wie es die Sicherheit und Ordnung des Betriebs, ihre eigene Sicherheit und die Rücksicht auf andere Personen gebieten. Anweisungen des Betriebspersonals sind zu folgen.“

Schwarz ist der Ansicht, dass solche allgemeinen Formulierungen als Grundlage reichen, um vom Hausrecht Gebrauch machen zu können, wenn ein Fahrgast sich nicht an die Regeln hält. Die Aufgabe, die Fahrgäste bei Verstößen anzusprechen und ggf. von der Beförderung auszuschließen, haben dabei in erster Linie die Fahrkartenkontrolleure. Verstöße seien jedoch die Ausnahme, meint Schwarz. Er selbst könne aus eigener Erfahrung bestätigen, dass die meisten „Maskenlosen“, wenn sie angesprochen würden, einsichtig seien. Oft haben sie das Stück Stoff auch nur vergessen. Dann würde man auch schon einmal kostenlos Einwegmasken verteilen.

Zudem werden im gesamten Netz der HAVAG regelmäßig automatische Durchsagen mit Hinweisen zur Tragepflicht eines Mund-Nasen-Schutzes durchgegeben, die wiederum individuell durch das Fahrpersonal verstärkt werden. Alle Fahrzeuge sind mit Hinweisschildern zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutz versehen.

Bei Uneinsichtigen kann auch die Polizei hinzugezogen werden.

Was aber, wenn das Kontrollpersonal sich nicht durchsetzen kann? Dann kann die Polizei gerufen werden. Allerdings gab es dazu anfangs ein Problem, wie Schwarz erläutert: Nach der achten Corona-Eindämmungsverordnung (§3(3)) ist das Verkehrsunternehmen eigentlich selbst verpflichtet, die Maskenpflicht durchzusetzen. Da dies den kommunalen Betrieben nicht möglich ist, ist es zu einem Arrangement der Landesregierung mit den Kommunen gekommen. Das Land hat aufgezeigt, dass die kommunalen Verkehrsbetriebe im Rahmen ihrer ohnehin flächenhaft stattfindenden Fahrausweiskontrolle die Maskentragepflicht stichpunktartig vornehmen sollen. Bei gravierenden Verstößen und so genannten Maskenverweigern kann und wird konkret die Hilfe der Polizei hinzugezogen. Die HAVAG hat hierzu konkrete Vereinbarungen mit der Polizei in Halle getroffen.

Die Durchsetzung der Hygieneregeln ist für Schwarz ein wichtiger Schritt, dass die Fahrgäste wieder vollständiges Vertrauen in die Sicherheit der Verkehrsmittel Bus und Bahn zurückerlangen. Einen großartigen Teilerfolg sieht er schon: die stetig steigende Auslastung der Verkehrsmittel betrage mittlerweile schon wieder 82% von der zu Vor-Corona-Zeiten.

Aber es sind auch weitere, ergänzende Maßnahmen angedacht, das Ansteckungsrisiko zu verringern: Schwarz erwähnt die Prüfung virustötende Oberflächenbeschichtungen, wie sie jetzt von einigen Herstellern angepriesen werden. Damit könnte man neuralgische Punkte wie etwa Haltestangen oder Taster beschichten. Allerdings sei er sich noch nicht sicher, wie wirkungsvoll diese Produkte tatsächlich sind.

Eine gewisse Hoffnung setzt er auf verbesserte Belüftungs- und Umluftsysteme, die über den Standard der jetzigen Fahrzeuge hinausgehen. Allerdings käme eine nochmalige Verbesserung mit neuen Fahrzeugen in Betracht. Derzeit arbeite man an den Ausschreibungsunterlagen für den Kauf von 56 neuen Straßenbahnzügen. Fraglich allerdings, ob die noch während der aktuellen Covid-19-Pandemie bereitstehen werden. Aber, so Schwarz: „diese Technik kann dazu beitragen, die Ansteckung mit Infektionskrankheiten grundsätzlich zu verringern“.

Keine „Virenschleudern“?

Worüber sich Schwarz allerdings ärgert: wenn Medien den Öffentlichen Nahverkehr pauschal als „Virenschleuder“ bezeichnen, wie beispielsweise der Spiegel zu Beginn der Viruspandemie im Frühjahr.

Eine jüngst erschienene Studie des Robert-Koch-Institutes zeige hingegen, dass ein nur geringer Teil aller nachvollziehbaren Infektionen im ÖPNV erfolgt sei.

Man solle die Welt nicht schlimmer reden, als sie ist. Denn: 100%ige Sicherheit gäbe es nirgendwo, findet Schwarz.

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