Trotha: Initiative „Halle verkehrt“ wendet sich mit offenem Brief an Stadtverwaltung wegen gefährlicher Radwegeführung

8. Oktober 2018 | Umwelt + Verkehr | 8 Kommentare

Offener Brief an die Stadträte der Stadt Halle/Saale zum Umgang der Stadtverwaltung mit einer gefährlichen Verkehrsführung

„Ich bitte Sie als Stadträte um Ihre Aufmerksamkeit zu einer problematischen  Verkehrsführung. In der Trothaer Straße stadteinwärts gibt es vier Probleme im Straßenverkehr, für deren gemeinsame Lösung ein Antrag und ein Vorschlag bei der Stadtverwaltung vorliegen. Die Stadtverwaltung lehnt den vorliegenden Antrag ab und schlägt im Gegenzug eine schlechtere Lösung vor. Da die Umsetzung jeweils mit der Umprogrammierung einer Ampel verbunden ist, wäre eine Fehlentscheidung mit anschließender Korrektur kostenintensiv (ca. 40 T€ pro Umprogrammierung).

Die vier Probleme sind in Kurzfassung:

1. Der Radfahrstreifen unterschreitet mit 1,40m die vorgeschriebene Mindestbreite.
2. Im Bereich der Straßenbahnhaltestelle Pfarrstraße (Trothaer Straße stadteinwärts) ist zu wenig Platz für die aktuelle zweispurige Fahrbahn mit den vorhandenen Verschwenkungen (Kurven). LKW mit Anhängern fahren dadurch häufig auf die Radfahrspur. Durch die zusätzlich zu schmale Radfahrspur kommt es zu gefährlichen Situationen.
3. Stau wird in die Stadt hineinverlagert: Bei Überlastung wird der Stau bis mindestens an die Kreuzung Trothaer Straße / Seebener Straße geführt, was für Anlieger und andere Verkehrsteilnehmer eine deutliche Belastung ist.
4. Stau im Gleisbereich: Im einspurigen nördlichen Abschnitt wird der Straßenbahnverkehr bei Stau behindert.

Der Lösungsvorschlag besteht aus zwei Teilen:

1. Lösung der Platzprobleme im Umfeld der Straßenbahnhaltestelle Pfarrstraße durch Verlängerung der einspurigen Verkehrsführung stadteinwärts,
2. Drosselung des Fahrzeug-Zuflusses in den einspurigen Bereich, so dass der Zufluss den Kapazitäten der nachfolgenden Kreuzungen entspricht (“Pförtnerampel” an der Kreuzung Trothaer Straße / Köthener Straße). Der Stau wird weiter nach außen verlagert.

Der Gegenvorschlag der Stadtverwaltung lautet:

1. Umstellung der Ampelphasen an der Kreuzung Trothaer Straße / Pfarrstraße, so dass
Radverkehr und Kraftverkehr komplett getrennte Grünphasen erhalten.
Die Folge wäre eine erhebliche Verlängerung der Wartezeit des  Radverkehrs und eine Verringerung der Kapazität für den Kraftverkehr. Diese Probleme bestünden auch am Wochenende, wenn kein Schwerlastverkehr, aber Freizeitradverkehr diesen Weg nutzt. Gegen den Stau in der Trothaer Straße wird nichts unternommen, auch nicht gegen die Behinderung der Straßenbahn. Laut den verbindlichen Verwaltungsvorschriften zur StVO soll ein Radfahrstreifen 1,85m breit sein, mindestens aber 1,50m. Der Radfahrstreifen ist inklusive Rinnstein und Breitstrich (dicke weiße Linie) an seiner schmalen Stelle nur 1,40m breit, und selbst in diese 1,40m fahren die LKW hinein. Auch die “Empfehlungen für Radverkehrsanlagen” (ERA 2010) fordern eine Breite von 1,85m für den Radfahrstreifen und stellen ausdücklich klar: “Eine Kombination von Mindestbreiten für Fahrstreifen, Radfahrstreifen und Parkstreifen ist unbedingt zu vermeiden.” (Abschnitt 3.3, “Radfahrstreifen”). Dieses Regelwerk hat in einem Prozess vor dem Verwaltungsgericht den Rang eines Expertengutachtens – konkret müsste die Verwaltung begründen, dass an dieser Stelle die Unterschreitung der Mindestmaße und Mindestabstände zu keinem erhöhten Sicherheitsrisiko führt. Angesichts des hohen Verkehrsaufkommens (Landesstraße L50) mit hohem Anteil an Schwerlastverkehr und der schmalen eng verschwenkten Fahrbahn wird das sehr schwierig zu begründen. Seit dem 01.09.2017 liegt ein Antrag auf die Verlängerung der Einspurigkeit bei der Abteilung Stadtordnung im Fachbereich Sicherheit vor, um die Gefahr auf dem Radfahrstreifen durch LKW zu beheben. Die Analyse des Problems erfolgte zügig und gründlich in Zusammenarbeit mehrerer zuständiger Abteilungen. Seit dem 07.11.2017 steht offiziell fest, dass mit der aktuellen Lösung die erforderlichen Mindestabstände deutlich unterschritten werden, dass also zu wenig Platz für den Radverkehr zwischen Bordstein und Schwerlastverkehr bleibt, selbst wenn die LKW-Fahrerin eine optimale Linie einhält. Eine kurzfristige Lösung (Leitboy, Markierungsnägel am Breitstrich) wurde mehrfach eindeutig abgelehnt, weil sie von LKW schnell kaputt gefahren würde. Mehrfach hat es die Stadtverwaltung gemäß  Aktenlage deutlich abgelehnt, den problematischen Gefahrenbereich durch die Verlängerung der Einspurigkeit zu beheben. Die einzige aus den Akten erkennbare Begründung ist die mögliche Staubildung im Gleisbereich des bisher schon einspurigen Teils der Trothaer Straße, weil durch die vorgeschlagene Maßnahme die Kapazität der Ampelkreuzung verringert wird. Die Möglichkeit, den Zufluss mit Hilfe einer Pförtnerampel zu steuern, wurde erst ab Ende Januar 2018 erkannt, parallel dazu aber weiterhin die angebliche Behinderung des Straßenbahn- und Busverkehrs genannt. Das Ziel der Pförtnerampel ist ein flüssiger, sicherer Verkehr in der Trothaer Straße. Wenn es zu Stau kommt, soll dieser im Bereich  nördlich der Kreuzung mit der Köthener Straße bleiben. Positiv ist zu erwähnen, dass trotz der regelwidrigen Situation über viele Jahre hinweg keine Fahrradunfälle an dieser Stelle aktenkundig sind. Unfälle mit PKW oder LKW an der Straßenbahnhaltestelle (mit Beschädigung der  Haltestelle) geschehen jedoch immer wieder. Durch die deutliche Zunahme der Anzahl von SUV (breiteren KFZ) im Straßenverkehr wird auch das  Platzproblem gefährlicher, da der Platz links vom LKW noch enger wird.

 

Die Problemstelle wurde bereits 2016 am Runden Tisch Radverkehr diskutiert, weil ein älterer Herr sich nur durch einen Absprung vom Fahrrad auf den Gehweg vor einem Unfall mit einem LKW retten konnte. Die Antwort der Stadtverwaltung war 2016, dass es keinerlei  Handlungsbedarf gibt. Im Urteil zur Radwegebenutzungspflicht in der Magdeburger Straße (Az.: 7 A 15/14 HAL, 25.09.2017) wurde deutlich auf die Anforderungen in der ERA2010 verwiesen1. Der Gerichtsprozess hat die Verwaltung viel Arbeitszeit und das Geld der Steuerzahler gekostet. Die Stadtverwaltung hat auf einer sachlich fragwürdigen Ampelneuprogrammierung bestanden, was ebenfalls Kosten verursacht hat. Die Verwaltung sollte politische Ziele nicht höher bewerten als die geltenden Regeln und als den effizienten Einsatz der Gelder der Stadt. Aktuell sind die entsprechenden Abteilungen mit 1 (“Diese gelten zwar  unmittelbar nur für den Neubau und die wesentliche Änderung von Straßen, ihre Anwendung wird aber nach ihrer Ziffer 0 für bestehende Straßen empfohlen. In Sachsen-Anhalt wird ihre Anwendung für bestehende Straßen auch mit Runderlass des MLV vom 29. August 2011 – Az.: 32.3-31239 (MBI. LSA 2011, S. 588) empfohlen.”), 2 Die frühere Benutzungspflicht begann erst hinter der Ampelkreuzung, war für bestimmte Fahrräder und Wetterlagen (Schnee auf dem Radweg) schon immer ausgesetzt und §37 der StVO sagt eindeutig: “Keines dieser Zeichen entbindet von der Sorgfaltspflicht.” Stadtbahnprogramm und  Fluthilfemaßnahmen stark ausgelastet, und der hohe Aufwand, der zur Abwehr berechtigter Ansprüche betrieben wird, ist sachlich nicht  nachvollziehbar. Die Klärung einer Vielzahl weiterer Problemstellen steht noch aus und sollte nicht zu einer Abwehrschlacht auf Kosten der Stadt und der Steuerzahler werden.

Marco Gergele“

 

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