Wie die EVH die Fernwärme decarbonisieren will: heiße Luft oder großer Wurf?

26. April 2023 | Umwelt + Verkehr | 3 Kommentare

Die Diskussion um die Energiewende ist nun endgültig auch bei den Stadtwerken angekommen. Nachdem der Stadtrat vor einiger Zeit schon ein Energiepolitisches Konzept beschlossen hat, scheinen sich die Stadtwerke nun Gedanken über die Umsetzung zu machen. Die Vorstände der Stadtwerke haben nun ein Leitbild beschlossen, das zum Ziel hat, verschiedene Technologieoptionen für die Dekarbonisierung der Fernwärme zu prüfen. Dies beinhaltet den Einsatz von Großwärmepumpen, Power-to-Heat-Anlagen, Solarthermie, Biomethan, Ersatzbrennstoffen und Wasserstoff. Die SWH will die Technologieoptionen hinsichtlich ihrer sozialen, klimatischen und wirtschaftlichen Auswirkungen prüfen und eine Entscheidung treffen, um klimaneutrale und erschwingliche Fernwärme für die Stadt Halle bereitzustellen. Die Ergebnisse der Studie werden bis zum Ende des ersten Quartals 2024 vorliegen. Die Stadtwerke Halle-Gruppe beabsichtigt, langfristig eine klimaneutrale Fernwärmeversorgung für die Stadt Halle bereitzustellen und die neuen Anlagen vorzugsweise in den beiden Energieparks Dieselstraße und Trotha zu errichten.

Die Stadtwerke versuchen offenbar damit, dem im Stadtrat beschlossenen „Klimapolitischen Leitbild“ zu folgen. Ob dieses jedoch auf die Schnelle umsetzbar ist, dürfte angesichts der derzeitigen Situation in der Stadt Halle fraglich sein: in der Vergangenheit hat die Stadt zwar stark auf Fernwärme (mit Kraft-Wärme-Kopplung) gesetzt. Diese wird jedoch ausschließlich mit Erdgas erzeugt. In der heute ausgesandten Pressemitteilung (s. Originaltext im Detail weiter unten) führen die Stadtwerke aus, dass man wohl – neben dem von vielen Fachleuten kritisierten Verbrennen von „grünem Wasserstoff“ – auch auf Großwärmepumpen setzt. Als Wärmereservoir will man hier vor allem den Auslauf  der Kläranlage oder das Wasser der Saale nutzen. Damit begegnet man dem Problem, dass Wärmepumpen nur dann effizient betrieben werden können, wenn die Differnz zwischen der Temperatur des Reservoirs und der Zieltemperatur möglichst gering ist. Da geklärtes Wasser – unter anderem aufgrund der biologischen Abbautätigkeit – über eine verhältnismäßig hohe Temperatur verfügt, erscheint das ein vernünftiger Weg, ebenso wie die Entahme von Saalewasser, das problemlos zurück geführt werden kann.

Bei den „Power to Heat-Anlagen“ handelt es sich im Gegensatz dazu um bessere elektrische „Tauchsieder“, die möglicherweise notwendig sind, um die übliche Zieltemperatur von Wärmepumpen (in der Regel 50 Grad) weiter hochzupushen. Bezüglich der Energieausbeute sind sie relativ wenig effitzient, eignen sich aber, überschüssigen Strom aus Leistungsspitzen wenigstens als Wärme zu speichern..

Es fällt auf, dass die Stadtwerke vermeiden, einenverbindlichen termin für die umsetzung von Maßnahmen festzulegen. Bis Mitte 2024 will man lediglich „prüfen“. Auf einen „großen Wurf“, etwa, die Verbrennung von Haushaltsmüll, ähnlich wie in Magdeburg, zur Kraft-Wärme-Kopplung zu nutzen, scheint man zu verzichten. Erwähnt werden lediglich „thermische Verwertung von Ersatzbrennstoffen aus halleschen Abfällen“, was sich jedoch nur auf nicht näher bezeichnete Materialien (z.B. Grünschnitt, Bauholz etc) zu beziehen scheint.

Wenig konkret wird man auch, wo Solarthermie (Sonnenwärme, „Sonnenkollektoren) und Fotovoltaik in größerem Stile in Halle betrieben werden soll, und ob dies in Eigenregie der Stadtwerke passieren soll.

 

Die Erklärung der Stadtwerke in originaler Ausführung:

 

Die Aufsichtsräte der SWH, EVH und HWS haben am 24. April 2023 zugestimmt, verschiedene Technologie-Optionen für die Dekarbonisierung der Fernwärme zu prüfen. Zu den zu prüfenden Technologieoptionen gehören u.a. Großwärmepumpen, die Nutzung von Ersatzbrennstoffen aus halleschen Abfällen, Power-to-Heat-Anlagen und die Nutzung von Wasserstoff. Die Betrachtung und Bewertung erfolgt unter sozial- und klimaverträglichen, technologischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ziel ist, dass die Hallenserinnen und Hallenser auch in Zukunft klimaneutrale und bezahlbare Fernwärme beziehen können. Die Notwendigkeit der Dekarbonisierung, folgt aus verschiedenen neuen und geänderten Regelungen beispielsweise dem Klimaschutzgesetz und dem Gebäudeenergiegesetz.

Langfristig die Fernwärmetransformation im Blick

Die Stadtwerke Halle-Gruppe prüft in den kommenden Monaten mögliche Technologie-Optionen für die Fernwärmeversorgung der Stadt Halle (Saale), um diese langfristig klimaneutral zu gestalten. Hierzu zählen Großwärmepumpen zur Nutzung der Wärme aus dem halleschen Abwasser oder der Saale, Power-to-Heat-Anlagen, Solarthermie-Anlagen, Biomethan-Anlagen sowie die thermische Verwertung von Ersatzbrennstoffen aus halleschen Abfällen, die Nutzung von Wasserstoff und von Abwärme aus industriellen Prozessen oder Rechenzentren. Dabei wird insbesondere betrachtet, ob die möglichen Anlagen

· verfügbar sind,

· einen messbaren Beitrag zum Klimaschutz leisten,

· unter den örtlichen Gegebenheiten passen und umsetzbar sind,

· den behördlichen Anforderungen entsprechen würden und

· wirtschaftlich arbeiten.

Die Ergebnisse dieser Prüfung werden Ende des 1. Quartals 2024 vorliegen. Die nach dieser Prüfung verbleibenden und umsetzbaren Technologie-Optionen werden weiterentwickelt. Hierfür werden dann Feinkonzepte zur Projektrealisierung vorbereitet, bei denen ebenso alle klima- und sozialverträglichen und wirtschaftlichen Parameter untersucht und bewertet werden.

Wärmewende für Halle

Die Notwendigkeit die Dekarbonisierung der Fernwärme herbeizuführen, ergibt sich aus bestehenden und neuen gesetzlichen Regelungen wie dem Klimaschutzgesetz und dem Gebäudeenergiegesetz.

Neue Anlagen sollen vorzugsweise in den beiden Energieparks Dieselstraße und Trotha errichtet werden. Dort befinden sich bereits Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Im Kraft-Wärme-Kopplungsprozess wird die Fernwärme für das hallesche Stadtgebiet und gleichzeitig Strom erzeugt. Die Kraft-Wärme-Kopplung ist aus diesem Grund effizienter als die Stromerzeugung in konventionellen Kraftwerken.

Mögliche Technologieoptionen im Einzelnen

· Großwärmepumpen: Wärmepumpen könnten z.B. die Wärme im gereinigten Abwasser der Kläranlage oder im Wasser der Saale nutzen.

· Power-to-Heat-Anlagen: In diesen Anlagen kann regenerativ erzeugter Überschussstrom aus Windkraft- oder Photovoltaikanlagen, der heute in Sachsen-Anhalt nicht genutzt werden kann, in Fernwärme umgewandelt werden.

· Solarthermie-Anlagen: In diesen Anlagen kann die Sonnenstrahlung zur Erzeugung von Wärme genutzt werden.

· Biomethan-Anlagen: die Anlagen erzeugen aus Abfällen oder nachwachsenden Rohstoffen Biogas, das durch Verbrennung zur Erzeugung von Wärme genutzt wird.

· Ersatzbrennstoff: Aus halleschen Abfällen wird bereits heute Ersatzbrennstoff hergestellt, der andernorts zur Nutzung für energetische Zwecke verbrannt wird. Eine solche Ersatzbrennstoffanlage kann auch in Halle (Saale) gebaut werden und Fernwärme erzeugen. Hierzu wird als Standort der Energiepark Halle Trotha geprüft.

· Wasserstoff: Sogenannter „grüner“ Wasserstoff kann durch Verbrennung zur Erzeugung von Strom und Wärme genutzt werden.

· Abwärme: In verschiedenen industriellen Prozessen oder beispielsweise beim Betrieb von großen Rechenzentren entsteht Abwärme, die in das Fernwärmenetz eingespeist wird.

Diese Technologieoptionen unterscheiden sich sowohl hinsichtlich ihrer jahreszeitlichen Verfügbarkeit, dem nutzbaren Volumen, den Investitions- und Betriebskosten und anderen Aspekten.

Man kann und muss schon jetzt davon ausgehen, dass es nicht „die eine Lösung“ geben wird. Die Zukunft der wirtschaftlichen und klimaneutralen Fernwärme wird in einer geeigneten und für Halle (Saale) passenden Kombination dieser Optionen liegen.

Ziel ist es bei jeder der beschriebenen Optionen, den etwa 75.000 Fernwärme-Haushalte der EVH GmbH, einem Unternehmen der Stadtwerke Halle, künftig noch mehr umweltverträgliche Wärmeversorgung zu liefern. Sie ermöglichen die Abkehr vom Gas hin zu einer klimaneutralen Fernwärmeversorgung.

Diese Wärmewende wird vom Gesetzgeber durch eine Fülle neuer rechtlicher Neuregelungen vorangetrieben, darunter im geplanten neuen Gebäudeenergiegesetz und dem bevorstehenden Wärmeplanungsgesetz. Die Umsetzung der Energiewende ist für den Klimaschutz und das Erreichen der Klimaziele auf allen Ebenen von zentraler Bedeutung. Die Stadtwerke Halle-Gruppe hat sich mit den Partnern der Energie-Initiative Halle (Saale) das Ziel gesetzt, noch deutlich vor 2045 klimaneutral zu werden. Für dieses Ziel wird an einem Fahrplan gearbeitet, der „Roadmap Klimaneutralität“. Die zu untersuchenden Optionen – ein positives Ergebnis der Prüfung vorausgesetzt – können passgenaue örtliche Lösungen für die vom Gesetzgeber gesetzten Aufgaben zur Klimaneutralität sein.

Aus Halle für Halle

Bei der Prüfung der Technologieoptionen wird berücksichtigt, ob auch eine höhere Unabhängigkeit der halleschen Wärmeversorgung erreichbar ist. In der Zeit der befürchteten Gasmangellage, hätte etwas mehr Unabhängigkeit helfen können. Dies kann durch Nutzung örtlicher Ressourcen (z.B. durch die Großwärmepumpen) oder durch die Schließung von lokalen Stoffkreisläufen (Ersatzbrennstoffe aus halleschen Abfällen) erreicht werden.

Was bedeutet klimaneutrale Wärmeerzeugung?

Von klimaneutral wird immer dann gesprochen, wenn nicht mehr Treibhausgase in die Atmosphäre abgegeben werden, als von der Natur aufgenommen und gebunden werden können. In der Atmosphäre befindet sich bereits eine Menge an treibhausschädlichen Gasen wie Kohlendioxid, Lachgas und Methan. Werden fossile Energieträger, wie z.B. Gas, aus dem Erdinneren gefördert, wird der Anteil der treibhausschädlichen Gase in der Atmosphäre erhöht. Wird hingegen ein Brennstoff genutzt, der dem Stoffkreislauf keine zusätzlichen Treibhausgase zuführt, dann spricht man von klimaneutral. Es ist also Ziel, zukünftig keine fossilen Energieträger zu nutzen. Sondern stattdessen auf regenerative Energieträger bzw. auf Abwärme zu setzen.

Umweltverantwortung

Zur Gewährleistung einer wirksamen Umweltvorsorge werden für die Technologieoptionen vor deren Umsetzung im Rahmen von Umweltverträglichkeitsprüfung insbesondere folgende Auswirkungen geprüft:

· menschliche Gesundheit,

· Tiere und Pflanzen und die biologische Vielfalt,

· Boden und Fläche,

· Grundwasser und Oberflächengewässer,

· Luft,

· Klima, Landschaft (und Erholung) sowie

· kulturelles Erbe und sonstige Sachgüter.

Soweit durch die zuständigen Behörden Auflagen erteilt werden, sind diese bei einer Errichtung der Anlagen zwingend umzusetzen.

Bereits vor Beginn der Prüfung wurden die obigen Parameter einer ersten Prüfung unterzogen. Im Ergebnis gab es keine negativen Auswirkungen. Im Rahmen der nun beginnenden Prüfung geht es auch darum, dies detailliert sicherzustellen.

Stadtwerke Halle GmbH

Die Stadtwerke Halle bieten von Energie- und Wasserversorgung über den öffentlichen Personennahverkehr, Wertstofferfassung, Abwasserbeseitigung, Abfallentsorgung, Straßenreinigung, Winterdienst, Logistik-, Deponie- und Infrastrukturleistungen sowie Datenverarbeitungsservices bis hin zu Bäderbetrieb und Stadtbeleuchtung als starke Unternehmensgruppe sämtliche Leistungen der kommunalen Daseinsvorsorge und Dienstleistungen für die Wirtschaft aus einer Hand. Mit 2.945 Mitarbeitenden und Auszubildenden sowie einem Jahresumsatz von 781 Millionen Euro in 2021 sind die Stadtwerke Halle die größte gewerbliche Arbeitgeberin in der Saalestadt und das größte kommunale Versorgungsunternehmen Sachsen-Anhalts.

 

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