„Mehr Raum für unsere Flüsse“: Deicherhöhungen reichen nicht

24. Oktober 2017 | Umwelt + Verkehr | 12 Kommentare

„Mehr Raum für unsere Flüsse“ war das Thema eines Dialogs zum Hochwasserschutz zu dem das Umweltministerium Sachsen-Anhalts am 23.10.2017 in die Ullrichskirche eingeladen hatte.

Es ging darum,  durch Deichrückverlegungen und Schaffung von steuerbaren Polderflächen mehr Retentionsflächen für unsere Flüsse zu schaffen und die Hochwasserwellen bei extremen Hochwasserereignissen abzufangen.

In ihrer Begrüßungsrede betonte die Umweltministerin Prof.Dr. Claudia Dalbert vor über 100 Teilnehmern unter Teilnahme des OB Wiegand, dass es das gesteckte Ziel des Landes sei, bis 2020 alle Deiche DIN-gerecht für HQ 100 auszustatten, obwohl zur Zeit erst 60% erreicht sind. Sie nannte auch die Gründe, warum es nicht ausreicht, die Deiche immer höher zu bauen, weil

  1. sich das Klima durch Eintreten von immer mehr und höheren Tiefdruckwetterlagen verändert hat,
  2. dass es, wie das letzte Harzhochwasser gezeigt hat, zu immer mehr lokalen Starkregenfällen kommen kann und
  3. sich  die derzeitigen Starkregentage bis 2100 von 9 auf 18 Tage/Jahr erhöhen werden.

Deshalb muß den Flüssen mehr Raum gegeben werden. So ist am Beispiel der Elbe festzustellen, dass diesem Fluß in den letzten 100 Jahren eine Fläche von 4350 ha entzogen wurde, was einer Flußlänge von 80 km entspricht.

Das Land hat daher ein Paket von 27 Maßnahmen geschnürt, um eine Retentionsfläche von 5500 ha  wieder zu gewinnen und wird dazu in den nächsten zwei Jahrzehnten eine halbe Milliarde € ausgeben.

Der Leiter des Landesbetriebes für Hochwasserschutz, Burghard Henning, gab zur Kenntnis, dass sich das Abflußverhalten unserer Flüsse  in den letzten 150 Jahre  derart verändert hat, dass der Hochwasserschutz an der Quelle der Flüsse anfangen muß und wir den Flüssen mehr Raum geben müssen. Das beginnt im oberen Einzugsgebiet durch ein besseres Talssperrenmanagement und setzt sich fort über eine natürliche Gestaltung der Gewässer und Einbeziehung der Flußauen, wobei eine naturfachliche Prüfung sowie Gespräche mit den Ober-und Unterliegern nicht vergessen werden dürfen.

Der verantwortliche Bearbeiter beim LHW, Herr Willberg, erläuterte dann die Strategien der Deichrückverlegungen und der gesteuerten Flutpolder. Man habe sich nach einer naturschutzfachlichen Prüfung von ursprünglich 42 auf 27 Maßnahmen festgelegt, wobei 5 Maßnahmen auf Flutpolder entfallen.

In dem Maßnahmepaket sind für den Hochwasserschutz in Halle mit der Priorität 2 die Flutpolder „Elsteraue/ Luppe“ sowie „Röpzig/Passendorf“ enthalten. Letzterer soll ein Fassungsvermögen von 14,4 Mio m3 bekommen und eine Senkung der Hochwasserwelle um 60 cm im Stadtzentrum und 18 cm in Trotha erreichen.

Zur Zeit wird noch an der Umsetzungsstrategie gearbeitet, die erforderlichen Ausschreibungen sind getätigt und der weitere Bearbeitungsverlauf wird im Internet zu verfolgen sein.

In einer anschließenden Diskussion, bei der keine Fragen zum Gimritzer Damm zu stellen waren, ging es Frau Möller als Anlieger im Sophienhafen zu prüfen, ob nicht auch Fluthilfegelder vom Land für die private Hochwassersicherung von betroffenen Häusern zur Verfügung gestellt werden können.

Herr Liste vom AHA sprach das Problem der Versieglung von Auenflächen durch Schwemmsand und Schadstoffeintrag aus der Landwirtschaft an.

Herr Keneder wollte geprüft haben, wer für die Zustimmung von Baulichkeiten in den ausgewiesenen Hochwasserüberschwemmungsgebieten verantwortlich ist und verwies dabei auf die kürzlich in der Mansfelder Straße 33 vom Anglerverband errichtete Hochwasserschutzmauer, welche einen alten Flußarm der Wilden Saale (ehemaliges Luisenbad) abriegelt und damit der Saale Retentionsraum entzieht.

( Hans-Joachim Keneder)

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