Lichtverschmutzung: Wenn die Nacht zum Tage wird
26. Dezember 2021 | Bildung und Wissenschaft, Umwelt + Verkehr | 6 Kommentare„Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. … Und Gott machte zwei große Lichter: ein großes Licht, das den Tag regiere, und ein kleines Licht, das die Nacht regiere, dazu auch die Sterne.“ Seit es auf unserem Planeten Leben gibt, ist es grundlegend geprägt durch den Wechsel von Tag und Nacht. Dunkelheit haftet etwas Mystisches an. Mit der Nacht assoziieren wir Menschen oft die dunklen Seiten des Lebens, das Böse, das Unberechenbare. Bis zur industriellen Revolution war für die meisten Menschen die Nacht wirklich dunkel. Das Leben folgte dem natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus. Das änderte sich mit der Erfindung künstlicher Lichtquellen. Leipzig bekam 1701 die erste Straßenbeleuchtung. Erfindungsreich wurde nun mit künstlichem Licht die Nacht zum Tage gemacht. Man ignoriert, dass alle Lebewesen, der Mensch eingeschlossen, an den natürlichen täglichen Hell-Dunkel-Rhythmus angepasst sind. Licht und Dunkelheit sind die stärksten Zeitgeber, mit denen biologische Funktionen mit der Außenwelt abgeglichen werden. Künstliches Licht stört diesen Abgleich. Städte, Metropolen, Industrieanlagen, Ballungsräume sind nachts inzwischen als hellerleuchtete Areale aus dem Weltraum wahrnehmbar. Den natürlichen Sternenhimmel kann man in seiner grandiosen Schönheit nur an sehr entlegenen Orten einigermaßen sehen. Unsere Himmelsscheibe-lesende Vorfahren hätten größte Mühe, den Verlauf der Gestirne zu studieren. Seit Kurzem wird deutlich, dass die anthropogene Lichtverschmutzung für viele Organismen durchaus Konsequenzen hat.
Pflanzen
Pflanzen bilden die Grundlage des Lebens auf unserem Planeten. Sie produzieren mit Hilfe des Sonnenlichts Kohlenhydrate und andere organische Moleküle. Pflanzen nutzen nicht nur die Energie des täglichen Sonnenlichtes, sondern verwenden den Hell-Dunkel-Wechsel im 24 Stundentag sowie die Länge dieser Phasen und ihre Schwankungen im Jahresverlauf als Informationsquelle. Rechtzeitig können sie sich so auf den Wechsel der Jahreszeiten einstellen. Hierzu orientieren sie sich an den jeweiligen Tages- und Nachtlängen. Eine künstliche Verlängerung des Tages durch Beleuchtung kann daher für Pflanzen gravierende Folgen haben. In der Agrarwirtschaft nutzt man diese Erkenntnisse, um in Gewächshäusern Kulturpflanzen unter beträchtlichem Energieaufwand wunschgemäß und unabhängig von der Außenwelt heranzuziehen. Unzeitgemäße Beleuchtung bleibt in der Natur nicht folgenlos. So hat man beobachtet, dass Bäume in der Nähe von Straßenlaternen einen verfrühten Blattaustrieb und ein späten Laubfall zeigen. Ihre Vegetationsperiode verlängert sich damit beträchtlich. Dieser Stress kann langfristig zu Erschöpfungszuständen der Pflanze führen. Wiesenblumen reagieren auf nächtliche Beleuchtung mit geringerer und später Blüte. Die verminderte Samenbildung wirkt sich langfristig nachteilig auf den Pflanzenbestand aus. Dauerbeleuchtung kann sogar die Struktur von Pflanzen so ändern, dass sie von Insekten weniger gut genutzt werden können: Die Insekten wachsen langsamer und haben ein geringeres Verpuppungsgewicht. Der Schwund nachtaktiver Insekten wirkt sich nachteilig auf Pflanzenarten aus, die auf die Bestäubung durch diese angewiesen sind.
Tiere
Die Effekte der nächtlichen Beleuchtung auf die Tierwelt sind mannigfaltig. Lichtverschmutzung greift in ökologische Netzwerke, ein. Sie ist eine der Ursachen für das Artensterben und hat wahrscheinlich noch weitreichendere Auswirkungen auf die Fauna, als wir bislang wissen. Nachtaktive Insekten können sich am Schwachlicht der Sterne orientieren. Das nächtliche Kunstlicht verursacht aber eine massive Desorientierung. Die Tiere sterben bei Schwirrflügen um die Leuchtkörper oder sie verbrauchen zuviel Energie, die ihnen dann für eine erfolgreiche Fortpflanzung oder die nächtliche Bestäubung fehlt. Dreiviertel aller Blütenpflanzen sind aber auf die Bestäubung durch nachtaktive Insekten angewiesen. Besonders Leuchten mit hohen Blau- und UV-Anteilen ziehen verstärkt Insekten an. Auf manche nachtaktive Insekten hat ein starker Lichtreiz eine aktivitätshemmende Wirkung, so dass die Tiere ruhig sitzen bleiben und auf den vermeintlichen Eintritt der Dunkelheit warten.
Kunstlicht stellt für Zugvögel auf der Reise in die Winter- und Sommerquartiere eine tödliche Gefahr dar. Die meisten tagaktiven Vogelarten reisen nachts, weil sie tagsüber ihre Energiereserven auffüllen müssen. Neben Erdmagnetfeld und Landmarken ist der nächtliche Sternenhimmel ihr hauptsächlicher Wegweiser. Immer häufiger werden sie durch künstlich beleuchtete Strukturen irritiert und von ihrer Flugbahn abgelenkt. In Küstennähe wurden vermehrt orientierungslose Zugvögel beobachtet, die mehrere Stunden Leuchttürme und Bohrinseln umkreisten. Außerdem kollidieren sie häufig mit Funk- und Leuchttürmen sowie mit beleuchteten Hochhäusern. Auch das Gesangs-, Paarungs- und Brutverhalten der Vögel wird nachteilig beeinflusst.
In Deutschland sind 25 Fledermausarten heimisch. Alle stehen derzeit auf der roten Liste der bedrohten Arten. Sie ernähren sich von nachtaktiven Insekten. Der Schwund dieser Insekten wirkt sich direkt auf die Fledermauspopulationen aus. Bei künstlicher Beleuchtung neigen die Fledermäuse zu späterem Ausflug aus den Quartieren. Dadurch verringert sich die Dauer der Nahrungssuche. Die Entwicklung des Nachwuchses verzögert sich und die Jungtiere sind bis zur nächsten Winterschlafphase noch nicht ausgewachsen.
Nachts schüttet die Zirbeldrüse Melatonin aus. Das macht uns Menschen müde und leitet die Schlaf- und Erholungsphase ein. Verschiedenste körpereigene Reparaturmechanismen werden aktiviert. Die Produktion von Melatonin wird durch Licht unterdrückt, so dass Kunstlicht, besonders bei hohen Lichtintensitäten und Licht mit hohen Blauanteilen, nachts enorme negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann. Wird der Tag-Nacht-Rhythmus des Menschen durch künstliches Licht gestört, sinkt die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Langfristig steigt infolge der verringerten Melatoninausschüttung das Risiko für viele Erkrankungen, darunter auch neurodegenerative Krankheiten sowie bestimmte Tumorerkrankungen. Die frei verkäuflichen Melatoninpräparate nutzen wenig.
Was tun? Man kann nicht unbedingt notwendige Lichtquellen ganz oder zeitweise abschalten oder über Schaltuhren und Bewegungsmelder steuern. Lampen sollten zielgerichteter beleuchten. Das spart zugleich verschwendete Energie ein. Der Blauanteil in Leuchten sollte insektenfreundlich verringert werden.
(H.J. Ferenz)
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Elfriede schrieb: „Morgenrot schlecht‘ Wetterbot‘!“
Es geht nicht um Morgenrot. Bei bedecktem Himmel gibt es kein „Morgenrot“.
Das Phänomen rührt von etwas anderem her: die weiße Schneedecke reflektiert die Straßenbeleuchtung und wirft sie von unten zurück unter die Wolken bzw. in den Nebel hinein. Daher das orange Leuchten bei Schneefall. Ist ein Ergebnis der Lichtverschmutzung.
Analena Sprachkenntnisse dürften ausreichen., uns frackinggas als Wunderheilung von den Russen zu präsentieren!
Egal ob Sommer oder Winter!
Is doch jut, Elfriedchen, die Zeit is doch nu endjültch vorbei. Mit de Russen wolln doch unsre Entscheider nüschde nich mehr ze dune hamm. Hauptsache, wir frier nachher nich am Arsch. Oder Bobbser, wie dus freindlicher ausdricken würdeschd.
@hei-wuKeine Ahnung von alten Wetterregeln, du Jungspund, was?
„Morgenrot schlecht‘ Wetterbot‘! ( Regen und Schnee als Niederschlag gelten als schlechtes Wetter)
@Wölfschen: Och Jungspund! Nach 1945 hatten wir im Osten eine Weile die Moskauer Zeit, also 2 Stunden eher geht dort die Sonne auf! Musste dir mal vorstellen- jetzt ist es , sagen wir mal 17 Uhr dunkel, in Moskau ist es dann 19 Uhr, auch dunkel, klar. Macht nichts. Aber im Sommer: In D 20 Uhr setzt die Dämmerung ein, in Moskau ist es dann bereits 22 Uhr.
Das war ’ne Menkenke!
Dazu die Beklopptheit von Sommerzeit und Winterzeit – eine vor und eine zurück. Und keiner, keiner ist Willens und in der Lage, diese Kleinigkeit wieder ins rechte Licht zu rücken, nicht mal das. So bescheißen wir uns selber und es finden sich immer Leut, die dies, wissenschaftlich begründet, toll finden.
Ich weiß immer schon morgens, wenn es eigentlich noch dunkel ist, dass es geschneit hat. Dann leuchtet der ganze Himmel orangerot.