Diskussion am Saalestammtisch zur Steinschüttung

10. November 2021 | Umwelt + Verkehr | 12 Kommentare

Am Montag (8.11.2021) hatte die „Ökologische Arbeitsgruppe Halle“ zu einer informellen Sitzung des „Saalestammtisch“ in den Krug zum Grünen Kranze geladen. Einziger Erörterungspunkt: die Steinschüttungen am Saaleufer, deren befürchtete Auswirkung auf  Umwelt, Ästhetik und Freizeitwert insbesondere am Amselgrund und die Gemüter der Bürger seit Tagen bewegen.

Der Saalestammtisch ist eine informelle „Organisation“ – er ist weder ein offizieller Ausschuss der Stadt Halle noch ein Verein. Seit einigen Jahren aber schon begleitet der „Stammtisch“ die Entwicklung des Flusses und seiner Nutzung auf dem Gebiet der Stadt Halle, offizielle Vertreter der Stadt bis hin zum OB nahmen bislang regelmäßig an Sitzungen Teil wie auch interessierte Bürger.

„Ich bin hier als besorgter Bürger“, eröffnete Wolfgang Kupke die Sitzung, zu der er und einige Mitglieder seines Vereins spontan geladen hatten. Die „Ökologische Arbeitsgruppe Halle“  gibt es übrigens schon lange – bereits zu DDR-Zeiten sorgte sie mit kritischen Aktionen zur Umweltpolitik für unliebsamen Aufruhr.

Zur Einführung fasste Wolfgang Schuster, ebenfalls langjähriger Aktivist der Gruppe, die Kritik seines Vereins an den Maßnahmen der Stadt Halle zu den Uferbefestigungen zusammen.

Historische Ufergestaltung hatte keine ausgeprägte Steinschüttung

In der Tat: da, wo jetzt am Amselgrund die Steine aufgeschüttet wurden, erschien das Ufer einst weitgehend grün und naturbelassen – soweit alte Schwarzweiß-Aufnahmen eine solche Beurteilung zulassen.  Schuster zeigte nicht nur Aufnahmen, die bei Aktionen wie dem Saaleschwimmen  in den letzten Jahren entstanden waren, sondern auch Fotos aus DDR-Zeiten und Aufnahmen aus der Zeit um die Jahrhundertwende: überall ist vorwiegend eine mit Gras und Gebüsch halbwegs natürliche Uferzone zu erkennen.

Steine viel zu hoch aufgeschüttet

Schuster führt an, die Stadt habe keine realistische Bemessungshöhe für die Steinschüttung festgelegt. Diese sei viel zu hoch geraten, weil man sich am Unterpegel Trotha orientiert habe. Dieser aber sei aufgrund seiner viel stärkeren Wasserstandsschwankungen nicht ausschlaggebend für den Uferbereich der Saale in der Stadt.

Schuster : “ Der Pegel Trotha UP (Unterpegel) gibt nicht das realen Bild der Wasserstände im Stadtgebiet oberhalb der Trothaer Schleuse wieder. Da ist der Pegel Trotha OP (Oberpegel) aussagekräftig. Oberhalb der Schleuse Trotha ist die Saale durch die Staustufen/Wehre reguliert. Nach der Trothaer Schleuse (Saalekilometer 89,15) fließt die Saale ca. 20 km frei bis zur Schleuse Wettin (Saalekilometer 70,38). Dadurch sind Veränderungen des Unterpegel nicht analog auf den
Oberpegel zu applizieren.“

Bei der Diskussion um die Höhe der Steinschüttung im Amselgrund sei  von Seiten der  Stadtverwaltung als Argument angeführt worden, die Saale führe gerade Niedrigwasser, deshalb würden die Steinschüttungen so wuchtig wirken.  Bei normalem Wasserstand sei von den den Steinen wenig zu sehen.

Doch reicht ein durchschnittlicher Wasserstand am Halleschen Ufer wirklich  so hoch, dass von hässlichen roten Porphyrklötzen kaum was zu sehen sein würde?  Schuster bezweifelt das – und belegt das  mit vielen Fotos und Zollstock: Wenn der mittlere Saalepegel tatsächlich so hoch stünde, wie die Stadt behauptet, dann lägen viele bekannte Stellen ständig unter Wasser: Bootsanleger, Stege, Treppenstufen.

Und: mittlerweile sei die Saale wieder über den Durchschnittspegel gestiegen. Und als Schuster am 7. November die Steinschüttung fotografierte, ragte die angeschütteten die roten Porphyrbrocken tatsächlich noch weit über die Uferzone hinaus und dominierten das Landschaftsbild.

Stadtrat überfordert und getäuscht ?

Warum  hat der Stadtrat den Maßnahmen überhaupt zugestimmt? Viele Diskussionsteilnehmer – unter anderem auch Stadtrat Menke (freie Wähler) vertraten die Auffassung, der Stadtrat sei mit der Beschlussvorlage überfordert gewesen, geradezu überrumpelt worden. Der habe letztlich den Plan in den Details nicht nachvollziehen können. So sei dem Rat vermittelt worden, es ginge um die Beseitigung von Hochwasserschäden, von massiven „Unterkolkungen“ sei die Rede gewesen. Doch gab es diese Schäden überhaupt?

Dies wurde bestritten, zumindest nicht auf der ganzen Uferlänge habe es derartige Schäden gegeben, behauptet nicht nur Schuster.

Die Unterkolkungen hätte man durch Untersuchungen nachweisen  müssen, ein Sonarboot reiche da nicht. Statt dessen müsse man klassisch das Unterwasserprofil ausloten, erklärte beispielsweise Dieter Menzel, Diplomingenieur für Wasserwirtschaft und Bauwesen.

 Steinschüttung technisch unzulänglich?

Menzel bezweifelt, dass die lockeren Steinschüttungen überhaupt geeignet seien, solche Unterspülungen zu sanieren, im Gegenteil: gefährlich seien die, weil das locker geschichtete Steinmaterial vom Wasser weiter unterspült werde, in Bewegung gerate und dann sogar die ganze Schüttung ins Rutschen komme. Vielmehr sei nach wie vor Stand der Technik: Unter der Wasserlinie Pfähle setzen, und anschließend Steine regelmäßig darauf setzen, nicht nur locker abkippen.

Auch müsse man – das bestätigten dann auch mehrere weitere Experten  – die Steine nach dem abkippen wenigstens durch Eindrücken und Rammen in den Untergrund drücken – auch damit sie bei Hochwasser weniger Strömungswiderstand erzeugen.

Ist die Stadt überhaupt zuständig?

Menke wiederum hegte Zweifel, ob die Stadt überhaupt derartige Wasserbaumaßnahmen durchführen dürfe. Denn es handelt sich hier um eine Bundeswasserstraße. Und für die Sicherung der Uferzone sei der Bund zuständig: und nur der hafte auch bei eintretenden Schäden. Er hält das für eine falsche Verwendung von Flutmitteln.

Der Saalebeauftragte Jürgen Seilkopf meldete auch leise Zweifel an der Kompetenz der für die Bauausführung Verantwortlichen an.  „Beim Wasserschifffahrtsamt haben die sich auch schon leise gewundert“, raunte ein Anderer.

Alternativem zu Steinen?

Längst gäbe es Alternativen zu Uferbefestigung mit Steinen. So seien beispielsweise Baumpflanzungen ebenso gut geeignet. Ihnen könne man mit  abbaubaren Geotexgeweben  Halt geben, bis sie selbstständig im Erdreich verwurzelt seien, um der Strömung zu trotzen.  Entsprechende positive Erfahrung habe man bereits am Rhein gemacht, hieß es.

„Einfach Erde drüber schütten und Gras wachsen lassen ?“

Keine gute Idee, erläuterten gleich mehrere Experten auf den Vorschlag. „Da entsteht Wildwuchs, beispielsweise der Eschenahorn. Den könne man dann im Notfall nicht einmal einfach fällen, weil die Holzfäller dann auf den Steinen keine sichere Standfläche hätten.

Wiegand: Ich hätte die Maßnahme sofort ausgesetzt, wenn es solche Proteste gegeben hätte“

Doch nicht nur Wasserbauexperten und Umweltaktivisten waren am Stammtisch dabei. Als Gast (und Privatmann, wie mehrfach betont wurde) war auch der suspendierte Oberbürgermeister Bernd Wiegand zugegen.  Er  bedauerte, dass er in Folge seiner Amtsenthebung die Steinschüttung nicht habe verhindern können. Wäre er im Amt gewesen, hätte er die massiven Bürgerprozesse ernst genommen, und die Baumaßnahmen bis zur weiteren fachlichen Prüfung  ausgesetzt, behauptete er.

Vorher – Nachher. Wie weiter?

Wie weiter?

Der Umweltverband BUND hat bereits eine Klage eingereicht, weil in erheblichem Maße Rechtsvorschriften verletzt worden seien.

Doch jenseits aller Klagen hat zumindest die „Ökologische Arbeitsgruppe Halle“  ein Einlenken gefordert, um zumindest das Schlimmste zu verhindern bzw. rückgängig zu machen:

1. Beseitigung der Steinschüttungen am Amselgrund bis zur derzeitigen (aktuellen, durchschnittlichen) Wasserlinie

2. Eindrücken der zu lockeren Steine, damit diese nicht wegrutschen können

3. Beheben der tatsächlichen Flutschäden am Saaleufer: etwa die Wiederherstellung der Anlegertreppen an der Kröllwitzer Brücke und oberhalb der Peißnitzbrücke.

 

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