Der Wassermann: I love waste water

9. September 2017 | Umwelt + Verkehr | Ein Kommentar

Sandra Prechtel liest aus „Der Wassermann“

Ich bin nicht so oft im Gefängnis. Aber am vergang. Do.-Abend marschierte ich freiwillig in den „Roten Ochsen“, hier allerdings in die Gedenkstätte (lohnt auch einmal einen längeren Besuch!), um der Vorstellung des Buches „Der Wassermann“ zu lauschen. Das war eine gemeinsame Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen-Anhalt und der Gedenkstätte ROTER OCHSE Halle (Saale). Auch wollte ich den Mann näher kennen lernen, um den es in diesem Buch geht: Ralf Steeg, Ingenieur aus Berlin.

Es war ein Abend, dem ich mehr Besucher gewünscht hätte. Aber wie bereits an anderer Stelle erwähnt, es war eine Menge an diesem Donnerstagabend los in Halle. Der Abend gliederte sich in zwei Teile: Zuerst las Sandra Prechtel den biografischen Teil.

Der Wassermann Ralf Steeg

Eine Jugend in der DDR

Eine Biografie, zumal wenn der Betroffene dabei sitzt, ist immer eine Bloßstellung. Da Frau Prechtel nicht nur eindrucksvoll von der Jugend  in der Niederlausitz las, sondern Ralf Steeg dazu noch Bilder aus seiner Vergangenheit präsentierte, war die Offenlegung noch erschreckender. Wer meint, es war alles nicht so schlimm in der DDR, sollte sich diese Biografie zu Gemüte ziehen. Sicher hing Repression auch von Einzelpersonen und Örtlichkeiten ab, aber in der Hinsicht hatte Ralf Steeg ganz tief in den Kakao gegriffen. Dazu kam diese waghalsige Abenteuerlust, die auch in seinen Augen funkelt. Seine Jugend in der DDR und die anfängliche Begeisterung für den Sozialismus fand ein jähes Ende, als seine Eltern einen Ausreiseantrag stellten. Das dauerte und er wurde in der Schule drangsaliert. Um für sich persönlich die Sache abzukürzen, versuchte er kühn mit einem Bolzenschneider die Flucht über die Grenze der damaligen CSSR und wurde erwischt. Die Mißhandlungen in Jugendstrafanstalten u.a. in Halle Frohe Zukunft hatten erst ein Ende, als Ralf Steeg mit 15 Jahren (!) von der BRD freigekauft wurde und ins trostlose Münsterland kam. Eine Fußgängerzone in einer westdeutschen Kleinstadt am Abend um 23 Uhr, kann es etwas Trostloseres geben? So hatte er sich den goldenen Westen nicht vorgestellt.

Ralf Steeg stellte auch seine aktuellen Projekte vor

Der Wassermann: I love waste water

Ralf Steeg begann trotzdem seine neue Freiheit zu nutzen, reiste viel und blieb irgendwann in Westberlin hängen: „Die Hauptstadt eines der reichsten Länder dieser Erde leistet sich einen schmutzigen Fluss“. Das trieb ihn an und so ging der zweite Teil des Abends, was den ehemalige kühne Jugendliche und zwischenzeitlich freiheitliebende „Hippie“ heute antreibt. So ging es nun um effektivere Kläranlagen und wie schwierig es ist, gegen den Widerstand der Berliner Bürokratie Pilotprojekte für eine saubere Spree voran zu treiben. Konzepte, die auch der Saale gut täten, denn wie in der anschließenden Diskussionsrunde heraus kam, haben wir ähnliche Probleme bei Starkregen wie Berlin. Dann fließen die Abwässer nämlich ungeklärt in den Fluss (in Merseburg, Weißenfels, Naumburg dito!). Aber der Prophet gilt selten etwas im eigenen Land: Ralf Steeg stellt sich im Auftrag der indischen Regierung nun einer neuen Lebensaufgabe: Er soll den Ganges sauber bekommen.

Paula Poppinga

Das Buch:

Der Wassermann, Ralf Steeg und sein Kampf für den sauberen Fluss, Prechtel, Sandra , Steeg, Ralf, Verlag: Herbig , 1. Aufl. (2015), Gebunden, 208 S., m. 49 SW-Fotos, 978-3-7766-2766-4, 20 €

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