Der Fahrradklimatest 2018 in Halle (Saale)

10. April 2019 | Umwelt + Verkehr | 2 Kommentare

Wir haben bereits gestern vermeldet: Halle hat in der Stimmungslage der Fahrradfahrer ganz schlecht abgeschnitten. Platz 23 von 25 Städten mit mehr als 200 Tsd. und weniger als 500 Tsd. Einwohner ist nun wirklich kein Ergebnis, auf das sich die Stadtverwaltung ausruhen sollte, zumal das Fahrrad im innerstädtischen Verkehr an Bedeutung zulegen wird. Dazu erreichte uns eine umfangreiche Stellungnahme des ADFC, der den Fahrradklimatest durchführt:

Fahrradklimatest:

Mitgemacht haben 2018 rund 170.000 Bürgerinnen und Bürgern, das sind 40 Prozent mehr als 2016. Der Anteil der ADFC – Mitglieder ist mit 15 Prozent gering. In die Wertung gekommen sind 683 Städte und Gemeinden, im Durchgang 2016 waren es 539. Per Fragebogen haben sie bewertet, ob das Radfahren Spaß oder Stress bedeutet, ob beispielsweise Radwege im Winter geräumt werden und ob sie sich auf dem Fahrrad sicher fühlen. Die Ergebnisse zeigen, wo sich Verkehrsplaner und politisch Verantwortliche erfolgreich für besseren Radverkehr einsetzen und auch wo sich Radfahrende von ihnen allein gelassen fühlen.
Der ADFC-Fahrradklima-Test ist die größte Befragung zum Radfahrklima weltweit und fand zum siebten Mal statt. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur fördert den Fahrradklima-Test aus Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans 2020.
Ergebnisse in Halle (Saale):
Überall werden Fahrräder geklaut, aber nirgends so viele pro 1.000 Einwohner wie in Halle (siehe MZ vom 08.04.2019). Wo bleibt die Initiative unserer Polizei, warum sind die Aufklärungsquoten in Magdeburg so viel höher als in Halle? Kein Wunder das die Bewertung mit der Note 5,4 um 0,9% Punkte schlechter ausfällt als im Bundesdurchschnitt. Weiter keine Lösung für das Fahrradparken am Hauptbahnhof, da können einige zusätzliche Abstellanlagen wie z. B. vor der Eisdiele an der Ludwig-Wucherer Str. das Bild nicht entscheidend verbessern (Stagnation bei Note 4,2) Der ADFC hatte empfohlen am Steintor, angesichts der vielfältigen Wegebeziehungen eine Wegweisung für Radfahrer einzurichten – bei über 20 Mio. Gesamtkosten für den Umbau war dafür kein Geld mehr übrig – Note 4,1 – 0,8 Punkte unter dem Durchschnitt ähnlicher Städte für die Wegweisung. Ein öffentliches Leihradsystem ist in einem Masterplan der Stadt für 2023 vorgesehen! Note 4,4 – 0,9 % Punkte schlechter als in ähnlichen Städten.
Besonders ärgerlich sind schlechte Bewertungen für die Führung an Baustellen Note 5,1 die fehlende Werbung für das Radfahren, Note 5,1 –1,1 % Punkte schlechter als in ähnlichenStädten oder die fehlende Falschparkerkontrolle auf Radwegen Note 5,2. Dies sind nämlichPunkte die die Stadt leicht verbessern könnte. Selbst neu gebaute Abschnitte des Saaleradweges werden nicht eingeweiht, Verbesserungen nur verschämt kommuniziert.Baustellenführungen ließen sich leicht auch für Radfahrer herrichten, das zeigen viele Beispiele aus anderen Städten.
Statt dessen werden Durchfahrten für Radfahrer einfach gesperrt (siehe Merseburger Str.). Die vielen Knöllchen in der Torstraße haben noch keinen Umschwung bewirkt, 800 Falschparker in einer Woche wurde im Rahmen einer Aktionswoche in Halle gezählt – hier ist auch die Bundespolitik gefragt – das BilligFalschparken in Deutschland muss endlich aufhören. Die Konflikte mit Fußgängern werden nicht weniger wenn man immer neue gemeinsame Fuß-Radwege wie in der Gudrun-Gösecke Str. anlegt (Note 4,09).
Wer auf Radwegen wie in der Dessauer Str. umherrumpelt wird keinen Komfort verspüren können von den zusätzlichen Mittel, die der Stadtrat 2018 für die Sanierung von Radwegen zur Verfügung gestellt hat ist jedenfalls wenig zu sehen, Note 4,7 für die Oberfläche von Radwegen – 03 Punkte schlechter als in ähnlichen Städten. Etwas Hoffnung kann man haben, wenn die Baustellen am Gimritzer Damm, an der Merseburger Str. oder in der Klausvorstadt zu Ende gebracht werden.
Wer vor den ewigen Rotphasen vor den Ampeln am Gimritzer Damm oder zum Hermesgelände steht, wird auch kein Spaß verspüren Note 4,6 – hier ist die Situation überall dieselbe.
Angesichts von drei toten Radfahrern 2018 wächst das Sicherheitsgefühl (Note 4,6) nicht  – schon bei den Markierungen spart die Stadt sie sind häufig verblasst, Ordnungsamt und Polizei sehen keinen Handlungsbedarf so lange es keinen tödlichen Unfall oder eine Unfallhäufung gibt. Die neuen Tempo-30-Abschnitte vor Schulen und Kitas ändern da wenig daran. Prävention sieht anders aus, regelmäßige Auswertung der Unfallzahlen, die erste Priorität für Verkehrssicherheit bei Neubaumaßnahmen, mehr Markierungen, Tempo 30 im Mischverkehr, keine gleichzeitigen Grünphasen an Ampeln eröffnen viele Möglichkeiten.
Es überwiegt der Stress den Spaß (Note 4,1) noch, umso mehr als man im Mischverkehr angehupt wird oder mit engem Abstand überholt wird, wenn man sich sein Recht herausnimmt auf der Straße zu fahren oder wenn man sich nach dem am Reileck zwischen dem gleichzeitig
anfahrenden Kfz Verkehr einordnen muss oder in der Seebener Straße bei Tempo 50 Regelgeschwindigkeit der nachfolgenden KFz permanent zwischen und vor die Schienenrillen wechseln muss, weil PKWs halb auf der Fahrbahn parken.
Gute Werte gibt es wieder wie schon 2016 bei der Erreichbarkeit des weitgehend autofreien Stadtzentrums (3,0 gegenüber 2,9 in 2016), beim zügigen Radfahren (3,3 gegenüber 3,1 in 2016) und bei den geöffneten Einbahnstraßen (2,7). Erfreulich ist auch das Gefühl nicht allein auf dem Fahrrad zu sein (Note 3,3 für „Radfahren durch Alt und Jung“).
Über den ADFC
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Clube.V. (ADFC) ist mit mehr als 170.000 Mitgliedern die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technikund Tourismus. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs.
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