Ist Braunkohle wichtigster Energieträger in Sachsen-Anhalt? Wie Falschmeldungen entstehen.

15. Juni 2018 | Umwelt + Verkehr | 5 Kommentare

„Braunkohle ist wichtigster Energielieferant in Sachsen-Anhalt“, verbreiten mehrere überregionale Medien, offenbar fußend auf einer DPA-Meldung. Weiterhin heißt es in den Berichten, erneuerbare Energieträger hätten mit 7% praktisch keine Bedeutung. Der aufmerksame Leser wundert sich: wofür die riesigen Windanlagen, wozu der Flächenverbrauch für Maisplantagen und die bis zum Horizont reichenden Rapsfelder? Ist die Energiewende nur eine Augenwischerei und eine große Täuschung? Erinnern wir uns nicht, dass es vor zwei Jahren einmal geheißen hat, die „Erneuerbaren“ hätten in Ihrer Bedeutung die fossilen Energieträger übertroffen? Auch Hallespektrum bekam heute eine Pressemitteilung des statistischen Landesamtes, das seinen Sitz in Halle hat. Die DPA-Meldung fusst wohl auf dieser amtlichen Quelle. Zugegeben, die amtliche Pressemitteilung war sprachlich etwas komplex – es sind halt Mathematiker, die da in dem Amt sitzen. Die Formulierung hätte uns auch beinahe zu jener einfachen Schlagzeile (s.o.) verführt. Wäre da nicht eine Spur Stirnrunzeln übrig geblieben. Wir wundern uns über eine Fußnote in der heutigen Meldung. Da steht: “ Erfasst wurden Daten von Kraftwerken der allgemeinen Energieversorgung mit einer Leistung größer 1 Megawatt (MW). Nicht   einbezogen wurden Wind- und Photovoltaikanlagen, welche in der Erhebung über die Einspeisung von Strom erfasst werden.“ Also telefonieren wir mit der Pressestelle der Statistiker. Man habe Windräder und Photovoltaik herausgelassen, weil man deren Daten dieses Jahr (noch) nicht erfasst habe, erfahren wir dort. Und Windräder sind eben – wohl jedes für sich genommen, kein Großkraftwerk. So kommt langsam Licht ins dunkel. Natürlich verbrennnt niemand Wind im Heizkessel des E-Werkes,  aber immerhin wandert hier schon mal Maisstroh, Holz usw. hinein.  Mit immerhin schon beachtlichen 7 %. Wie ist denn nun der Gesamtanteil der erneuerbaren Energiequellen im Lande? Hier dürften wohl größenordnungsmäßig noch die Zahlen gelten, die das Amt im November letzten Jahres verbreitete: Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung insgesamt betrug 50,8 Prozent (!). Sachsen-Anhalt geht damit übrigens bundesweit in Führung: In Restdeutschland lag der Anteil der Erneuerbaren nur 29 Prozent.

Was lernen wir daraus: auch in Zeiten, wo Journalismus vorzugsweise von elektronisch verbreiteten Pressemmitteilungen zu leben scheint, sollte man die Brille aufsetzen.

Die Meldungen des Statistischen Landesamtes im Original:
a) heute:

In den Kraftwerken der allgemeinen Energieversorgung in Sachsen-Anhalt bleibt die Braunkohle wichtigster Energielieferant

Im Jahr 2017 wurde in Sachsen-Anhalt in den Kraftwerken der allgemeinen Versorgung 9 132 Millionen Kilowattstunden Nettostrom erzeugt.1 Das waren 496 Millionen Kilowattstunden bzw. 6 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Der Anteil von Strom aus heimischer Braunkohle an der Stromerzeugung blieb zum Vorjahr unverändert und leistete mit 55 Prozent weiterhin den wichtigsten Beitrag zur Stromerzeugung in Sachsen-Anhalt. Darauf folgte das Erdgas mit einem Anteil von 31 Prozent.
Erneuerbare Energien waren in den Kraftwerken der allgemeinen Versorgung mit 7 Prozent eher von geringer Bedeutung und kamen hier als Wasserkraft, feste Biomasse, Biogas und biogenen Anteil des Abfalls zum Einsatz.

Die Nettostromerzeugung in Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) betrug 38 Prozent an der Nettostromerzeugung insgesamt. Durch die gleichzeitige Gewinnung von Strom und Wärme in einer Stromerzeugungsanlage wird die entstehende Wärmemenge besser genutzt und ein höherer Wirkungsgrad erzielt.
In erdgas- und biogasbetriebenen Anlagen lag der durchschnittliche Anteil der Stromerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung mit 91 Prozent am höchsten. In den Kohlekraftwerken betrug der KWK-Anteil lediglich 9 Prozent.

Die Nettowärmeerzeugung insgesamt in den Kraftwerken der allgemeinen Versorgung betrug 6 316 Millionen Kilowattstunden, 0,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Über die Hälfte der Wärmeerzeugung (56 %) erfolgte in mit Erdgas betriebenen Anlagen, gefolgt von Braunkohle mit 21 Prozent.

Der Energieträgereinsatz zur Herstellung von Strom und Wärme in den Kraftwerken der allgemeinen Versorgung wurde im Jahr 2017 in Sachsen-Anhalt mit 107 600 Terajoule (TJ) angegeben. In den mit Kohle betriebenen Kraftwerken wurden rund 4,9 Millionen Tonnen Braunkohle eingesetzt, 5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Einsatzmenge von Erdgas erhöhte sich zum Vorjahr um 1 Prozent und betrug 1 012 Millionen Kubikmeter.

Durch den Einsatz von fossilen Brennstoffen bei der Strom- und Wärmeerzeugung wurde in den genannten Kraftwerken ein Ausstoß von 8 000 Tausend Tonnen CO2 ermittelt und lag 6 Prozent über dem Wert des Vorjahres.

 

 Aussagen über die gesamte Stromerzeugung in Sachsen-Anhalt können erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen werden, da Ergebnisse über die Stromerzeugung in Industriekraftwerken und die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien für das Jahr 2017 noch nicht vorliegen.

 1  Erfasst wurden Daten von Kraftwerken der allgemeinen Energieversorgung mit einer Leistung größer 1 Megawatt (MW). Nicht
einbezogen wurden Wind- und Photovoltaikanlagen, welche in der Erhebung über die Einspeisung von Strom erfasst werden.

 

 

b) Und das ist die Pressemeldung des Statistischen Landesamtes aus dem Jahr 2017 (24.11.2017)

 

Windkraft ist wichtigster Energieträger: mehr als die Hälfte des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energien kommt von Windkraftanlagen

Im Jahr 2016 wurden in Sachsen-Anhalt 12,2 Milliarden Kilowattstunden Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt. Das waren 0,7 Milliarden Kilowattstunden Strom weniger (- 5,4 %) als im Jahr zuvor. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung insgesamt betrug 50,8 Prozent (Vorjahr: 53,9 %). Der entsprechende Wert für Deutschland lag bei 29,0 Prozent.

Die negative Entwicklung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gegenüber 2015 resultierte im Rückgang der Stromerzeugung aus Windkraft. Hier spielte die Abhängigkeit vom vorhandenen Wind eine Rolle. Das Vorjahr 2015 war sehr windreich.

Mit 28,9 Prozent hatte die Windenergie in 2016 erneut den größten Anteil an der Stromerzeugung insgesamt in Sachsen-Anhalt. Der Anteil der Braunkohle lag bei 27,1 Prozent und der von Erdgas bei 15,5 Prozent.

Betrachtet man die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, so ist wie in den Vorjahren die Windenergie mit einem Anteil von 56,9 Prozent der bedeutendste Energieträger. Von 2 773 stromeinspeisenden Anlagen mit einer Leistung von 4 848 Megawatt wurden 7,0 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt und in das Stromnetz eingespeist. Das waren 10,5 Prozent weniger als im Jahr zuvor. 

Den 2. Platz beim Ranking der erneuerbaren Energien im Jahr 2016 belegte die Biomasse mit einem Anteil von 26,3 Prozent und einer Stromerzeugung von 3,2 Milliarden Kilowattstunden. Als Biomasse zur Stromerzeugung werden nachwachsende Rohstoffe wie Holz, aber auch pflanzliche und tierische Abfälle sowie Biogas eingesetzt. Der Anteil der Biomasse am Strommix Sachsen-Anhalts lag bei 13,4 Prozent.

Die Photovoltaik hat sich zu einer wichtigen Stromquelle bei den erneuerbaren Energien entwickelt und lag mit einer Stromerzeugung von 1,9 Milliarden Kilowattstunden bei einem Anteil von 15,4 Prozent auf Platz 3. Zur Stromerzeugung insgesamt steuerte die Photovoltaik einen Anteil von 7,8 Prozent bei.

Des Weiteren trugen noch die Wasserkraft sowie das Deponie- und Klärgas zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bei.

Weitere Informationen finden sich im Internetangebot des Statistischen Landesamtes.

 

 

 

 

 

 

 

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