Auf Critical-Mass-Tour in Halle – Wir sind Verkehr!

4. Februar 2018 | Umwelt + Verkehr | 12 Kommentare

Freitag 18 Uhr, unterwegs in der Stadt – was machen die vielen Fahrradfahrer am Brunnen des August-Bebel-Platzes? Es herrscht ein wenig Aufbruchsstimmung, immer wieder fragen vorbeischlendernde ältere Herren und kleine Kinder, was hier „läuft“. „Das wird eine Demo!“, antwortet jemand. Aha. Ein aufgewecktes Kind bedankt sich höflich. Jetzt verteilt jemand Sticker, es gibt kurze Informationen (mindestens 16 Personen bilden eine critical mass, sie dürfen dann als Fahrradpulk, also als „geschlossener Verband“, eine Straßenseite belegen, d.h. zu zweit nebeneinander fahren).

So finde ich es später auf der informierenden Facebook-Seite: „Der Verkehr wird nicht absichtlich gestört, es geht nicht um Verkehrsbehinderung anderer, sondern darum, sich als unmotorisierte Verkehrsteilnehmer_innen ein Stück öffentlichen Lebensraumes, die Straße, zumindest zeitweilig zurückzuerobern.“ Und: „Für eine fahrrad-, lauf- und lebensfreundlichere Stadt Halle an der Saale.“
Schon geht es los, aus einer Musikbox ertönt laute Musik, die Stimmung ist aufgelockert, immer wieder fröhliches Klingeln, gefahren wird sehr diszipliniert.

Ich bin dabei! Komme im gemütlichen Nebeneinander-her-Radeln mit den anderen kurz ins Gespräch. Da ist ein engagierter Kommunalpolitiker extra aus Sangerhausen angereist, um Halles Erfahrungen aufzunehmen. Ich sehe viele Studenten. Ältere Herren. Sehr normale Menschen, hier sehr alternative Menschen, dort ganz bürgerliche Menschen. Ich frage ein wenig rum: Warum macht ihr das? Hm, keine so richtige Antwort. „Frag den da vorne, den mit der Musikbox.“ Aber ich komme nicht an ihn ran. Also beobachte ich: Wir radeln die Geiststraße entlang, naja, aber jetzt geht es durch die Große Ulrichstraße (- sie ist „nicht freigegeben für normalen Straßenverkehr“). Warum radeln wir dann hier? Das erschließt sich mir nicht. Passanten schauen interessiert oder ignorieren uns. Nena hallt enorm in der engen Straße, das erweckt weitere Aufmerksamkeit. Freitagabend, in der fast leeren Stadt. Die Straßenbahn auf der Gegenfahrbahn zieht mit enormem Tempo vorbei, das finde ich ein wenig schauerlich.

Marktplatz, Alter Markt, Steinweg. Es sind nicht gerade die Straßen mit ausgeprägtem PKW-Verkehr. Ah, wir wollen zum Rannischen Platz. Dort drehen wir einige Runden, das ist irgendwie skurril, wie wir als beleuchteter Brummkreisel die Autofahrer vom Einbiegen abhalten. Wie viele sind wir, vielleicht 50, oder mehr? Der Spuk dauert kaum mehr als eine Minute, ungeduldige Autofahrer hupen trotzdem. Es sind weniger als ein Dutzend Autofahrer, die uns hier erdulden müssen. Die Straßenbahn quert, wieder mit enormem Tempo. Puh, alles gutgegangen.

Weiter geht es, wir wollen bis zur Burg Giebichenstein. Am Knoten 64 gibt es mehrmals Gehupe, Autos drängen sich in den Pulk (- das ist verkehrswidrig, im Gegensatz zu unserem Verhalten!). Schnell weg, wir warten hier jedoch an den roten Ampeln (was der Pulk nicht müsste, falls er während der grünen Ampelphase zu fahren beginnt). Jetzt wird es wieder entspannter. Eine Gruppe älterer Damen verlässt gerade das traditionsreiche Kaffeehaus, erspäht uns. Sie sind begeistert, klatschen, winken uns fröhlich zu, wir winken zurück. Das macht doch Spaß, es ist ein wenig Sport, und nebenbei führt uns die Stadtrundfahrt vorbei an vielen Sehenswürdigkeiten. Da, die Leopoldina. Der Gast aus Sangerhausen hört bereitwillig zu, sammelt Eindrücke von der alten Saalestadt mit ihrem wiedererwachten Charme. Langsam verstummen die Gespräche, die Musik ertönt weiter. Eine Stunde ist fast vorbei, der Stadtkern auch umrundet. Wir haben wenige Autos und noch weniger Menschen auf den für Halle recht leeren Straßen gesehen.

Lasst uns einen Moment schweigen, für all diejenigen, die mit dem Auto im Stau stehen, weil sie auf dem Weg ins Fitnessstudio sind, um dort Fahrrad zu fahren …

Es war ein schönes Erlebnis, besser als jeder Besuch eines Fitnessstudios. Ich bin gerne wieder dabei. Dennoch, die große Frage bleibt: Warum? Was will uns die Fahrraddemo, oder was immer es auch ist, nur sagen? Ich glaube, das hat sich keinem der wohlgesonnenen oder auch kritischen Fußgänger und Autofahrer erschlossen, deren Wege wir gekreuzt haben. Mir auch nicht. Vielleicht muss auch nicht alles eine klare, einfache Aussage haben?

 

(A.S.)

 

 

 

 

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