Wahl zum Sozialdezernent – Kandidat Detlef Wend im Interview

27. September 2022 | Soziales | 5 Kommentare

Am morgigen 28. September wird der Stadtrat in Halle (Saale) einen neuen Beigeordneten oder eine neue Beigeordnete für den Fachbereich Bildung und Soziales wählen. Der Geschäftsbereich stellt einen der größten Bereiche der Stadtverwaltung dar.

Neben der bisherigen Amtsinhaberin Katharina Brederlow (SPD) versuchen es auch der Schulleiter des Feininger-Gymnasiums Jan Riedel, der Erfurter Sozialamts-Leiter Torsten Haß und Kinderarzt Detlef Wend.

Letzterer hatte sich bereit erklärt, der Redaktion von HalleSpektrum für ein Interview zur Verfügung zu stehen und seine Zukunfts-Pläne für die Stadt näher zu erläutern:

Herr Dr. Wend Sie haben sich für den Posten des Beigeordneten beworben. Was war Ihre Motivation?

Halle ist eine Stadt mit enormen sozialen Herausforderungen. In meinem Beruf als Kinderarzt bleibt einem das kaum verborgen. Viele Kinder und Jugendliche wachsen in schwierigen Verhältnissen auf. Dabei fordert das Sozialgesetzbuch von den Kommunen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen. Leider gelingt uns das in Halle oft nicht. Zudem habe ich den Eindruck, dass manche die Augen vor etlichen Missständen verschließen. Schulklassen mit einem hohen Migrantenanteil und kaum noch deutschsprachigen Kindern finden wir nicht in den gutbürgerlichen Vierteln unserer Stadt. Hier ist etwas aus den Fugen geraten; dessen müssen wir uns bewusstwerden. Seit über 12 Jahren bin ich Mitglied des Stadtrates und seit gut 8 Jahren Mitglied und Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses. Ich möchte aus der legislativen Position des Fragenden, Anregenden, Antragstellenden und kritisierenden Stadtrat in die Position der Exekutive des aktiv Agierenden wechseln. Meckern kann jeder, besser machen ist die Kunst! 

Welche Themen sind Ihnen wichtig?

Mir ist wichtig, allen Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt Teilhabe an einem guten Leben in Halle zu ermöglichen! Wir müssen unser Herz und unseren Verstand für die Probleme öffnen. Dazu gehört auch, auf der einen Seite benachteiligten Kinder und Jugendlichen eine Perspektive zu ermöglichen und auf der anderen Seite Heranwachsende aus Lebenswelten, die nicht von Segregation, Armut oder Bildungsferne gekennzeichnet sind, ein anregendes Umfeld zu bieten. „Jeder Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.“ – Noch so ein Satz aus dem Sozialgesetzbuch, den es mit Leben zu füllen gilt. Aber das Dezernat IV ist nicht nur für Heranwachsende zuständig. Das hohe Maß an Kinderarmut ist doch nur die Folge wenig oder gar nicht verdienender Eltern. Einerseits hat der Arbeitsmarkt keine guten Angebote bereitgehalten, andererseits fehlt es an qualifiziertem Personal. Hier zeigt sich wieder, dass nur mit einer guten Schulbildung und einer erfolgreichen Berufsausbildung Bedürftigkeit durchbrochen werden kann. Für viele, die das nicht im ersten Anlauf geschafft haben, sollte es eine zweite Chance und Qualifizierungsmöglichkeiten geben. Zudem sollte nicht unterschätzt werden welch Potential Zuwanderung für den Arbeitsmarkt bietet. Ich bin mir sicher, dass Migrierende mehr können als Haare schneiden und Döner verkaufen.

Halles Haushalt ist überschuldet und die Ausgaben für Soziales wachsen und wachsen. Wie wollen Sie damit umgehen, was genau wollen Sie besser machen?

Zuerst sollte man nicht vergessen, dass der Löwenanteil davon Pflichtaufgaben sind, die uns durch Landes- und Bundesgesetzgebung auferlegt sind. Aber z.B. allein über 70 Millionen Euro für Hilfe zur Erziehung ist eine bedrückende Zahl. Letztendlich braucht es einen langen Atem um diesen Problemen zu begegnen. Prävention ist und bleibt der Schlüssel zum Erfolg. Spricht man mit Sozialarbeitern über ihren Alltag, so hört man oft: „Wir sorgen doch nur dafür, dass das Fass nicht überläuft. Wirklich etwas zum Guten ändern können wir kaum.“ Wenn dann die Stadtverwaltung meldet, dass in Halle 15 Stellen des Allgemeinen Sozialen Dienstes nicht besetzt sind, ist man schon sprachlos. Auch in anderen Bereichen kann ich mir mehr Tempo vorstellen. So ist die Stadtverwaltung seit langem damit beauftragt, ein unkompliziertes KiTa-Anmeldeportal für alle KiTas zu installieren. Dennoch tut sich seit Jahren wenig. Zudem macht es Sinn, über den Tellerrand zu schauen und Anregungen von außen nutzen. Als wir letztes Jahr KiTa-Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter an einigen KiTas eingeführt haben, da war dies in Magdeburg schon längst etabliert. Ich würde versuchen, mehr zu gestalten als nur zu verwalten. Aber das gilt es dann eben auch zu beweisen.

Was würde Sie von den übrigen Beigeordneten unterscheiden?

Ich pflege einen offenen Kommunikationsstil, nenne die Probleme beim Namen und rede nicht um den heißen Brei herum. Mit mir wird es eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Stadtrat geben. Man wird als Stadtrat ja das Gefühl nicht los, dass die Verwaltung von uns in ihren Kreisen kaum gestört werden möchte. Das muss sich ändern, wenn wir die Probleme dieser Stadt erfolgreich angehen wollen. Und auch ein kleines bisschen mehr Humor täte dem Kreis der Beigeordneten sicher gut.

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