Nicht über, sondern mit den Migranten reden

10. September 2017 | Soziales | Ein Kommentar

Dr. Tarek Ali, Vorstandsvorsitzender der Verband der Migrantenorganisationen Halle e.V (VeMo), schien mir am Ende sehr zufrieden mit dem Nachmittag gewesen zu sein. Am Sa., 9. Sept. 2017, von 15 bis 17 Uhr stellten sich vier Kandidaten für den Deutschen Bundestag den Fragen von Menschen, die in den letzten Jahren zu uns gekommen sind. Es entwickelte sich eine freundliche und kollegiale Diskussion, die dem schwierigen Thema angemessen war. Deswegen möchte HalleSpektrum das den vier Kandidaten, die gekommen sind und sich sehr engagiert den Fragen stellten, hoch anrechnen. Dr. Petra Sitte von den Linken, Frau Michelmann von den Grünen, Herr Bernstiel von der CDU und Dr. Diaby von der SPD versuchten sich den Fragen zu stellen und konnten sich im Großen und Ganzen zurück halten, was Wahlkampfgetöse betraf. Im Gegenteil, die vier wirkten wie ein eingespieltes Team. Was ein/e Kandidat/in nicht beantworten konnte, wurde freundlich weitergereicht.

Petra Sitte beantwortete engagiert die Fragen

Aber nicht um die Bundestagsabgeordneten und ihre Perspektiven sollte es an diesem Nachmittag gehen, sondern um die Perspektiven der aus anderen Ländern und Kulturen Zugezogenen besonders in den Bereichen Arbeit, Bildung und Wohnen. Zwei Dolmetscher/innen sorgten dafür, dass alle Teilnehmer dem Fortschreiten der Diskussion folgen konnten. Wer wollte, konnte seine Fragen schriftlich fixieren.

Vorgestellt wurde zu Beginn das Projekt Samo.fa . Migranten helfen hier Migranten. Man möge uns diese Verkürzung verzeihen. Im Rahmen von Samo.fa wurden Projekte vorgestellt, z.B. das Engagement der Deutschen aus Rußland, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagieren. Deren Vertreterin appellierte: „Nicht wieder die Fehler machen, die bei unsere Ankunft gemacht worden sind. Mit unserem Projekt „Angekommen. Angenommen“ wollen wir den Neuankömmlingen unsere deutsche Kultur näherbringen.“

Bernstiel lobt den Oberbürgermeister für den Umgang mit Flüchtlingen

Zu diesem und weiteren vorgestellten Projekten durften sich nun die Kandidat/innen äußern: Herr Bernstiel lobte den Oberbürgermeister für sein Managment besonders auch bei der dezentralen Unterbringung. Allerdings stellte er auch die kritischen Fragen in den Raum: Wer hat von Ihnen hat eine Bleibeperspektive? Wer hat keine?

Dagegen war Frau Dr. Sitte der Meinung: Alle, die zu uns in Not kommen, für die müssen wir Perspektiven schaffen, dass sie bleiben können. Frau Sitte ist für den Familiennachzug.

Herr Bernstiel und Dr. Diaby

Achmed aus Afghanistan brachte das Problem der ca. 850 Afghanen in die Runde ein. Hier droht die Abschiebung. Arbeitserlaubnis gibt es keine. Frau Sitte lehnt diese Abschiebungen ab. Frau Michelmann verwies darauf, dass mit einer Duldung ggf. Arbeitserlaubnis erteilt werden kann. Herr Bernstiel brachte die Stimmung in Deutschland ins Spiel: „Je mehr wir für Integration tun, desto mehr helfen wir der AfD. Deutschland kann nicht allen helfen.“ Dr. Diaby meinte dagegen: „Der Zusammenhalt in der Gesellschaft wird nur gewährleistet, wenn wir allen helfen.“ Lt. Integrationsgesetz von 2016, fuhr Diaby fort, besteht die Chance auch mit Duldung eine Ausbildung zu beginnen, diese zu Ende zu machen und zwei Jahre zu bleiben.

Diaby: Schließlich brauchen wir die Leute!

Michelmann widersprach Herrn Bernstiel: Die Stimmung in der Stadt sei eine andere. „Du erreichst mehr, wenn du das Thema nicht mit Angst besetzt.“ Frau Dr. Sitte meinte: „Wir hätten ohne Flüchtlinge trotzdem die akt. Probleme gehabt. Die Probleme haben nichts mit Flüchtlingen zu tun.“ Herr Bernstiel beharrte aber, auch auf Nachfragen aus dem Plenum, darauf, dass es einen Unterschied zwischen Asyl und Einwanderung gibt.

Angesprochen wurden auch die Themen Bildung, islamischer Religionsunterricht, der auch nach Ansicht von syrischen Mitbürgern besser in staatlicher Hand aufgehoben wäre. Große Probleme für Migranten sind weiter der Familiennachzug, die stockende Vergabe von Sprachunterricht und das Problem mit den Pässen: Wer aus einen Land geflüchtet ist, weil er dort verfolgt wird, kann nicht in der Botschaft des Verfolgerlandes einen Pass beantragen oder verlängern, diese Logik sollte auch ein Sachbearbeiter einer Ausländerbehörde verstehen. Dr. Diaby riet in diesem Fall zu einem Rechtsanwalt oder ggf. andere Dokumente vorzulegen.

Riosal

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