Kundgebung am Steintor: Gedenken an rechten Terroranschlag

8. Oktober 2020 | Soziales | Keine Kommentare

Gestern versammelten sich mehrere Hundert Menschen am Steintor in Halle zu einer Kundgebung, um gemeinsam an den rechten Terroranschlag vom 9. Oktober 2019 in Halle zu erinnern und ein Zeichen der Solidarität mit den Betroffenen an die Gesellschaft zu senden.

Zu der Kundgebung riefen die Jüdische Studierendenunion (JSUD), die Initiative 9. Oktober Halle und Base Berlin, Teil des Vereins Hillel Deutschland, auf.

Das Programm aus verschiedenen Beiträgen eröffnete Noa Luft von der JSUD mit den Worten: „In unity we have such strength. Zusammen sind wir stark. Unsere Existenz, die Existenz von İsmet und Rıfat Tekin, aber auch die Existenz jeder einzelnen Person hier, die gegen Rechts und gegen Rassismus einsteht, zu sichern – dieser Herausforderung müssen wir uns gemeinsam stellen.“

Eine Facette dieser Herausforderung zeigte sich für die Brüder Tekin, Betreiber des attackierten Kiez-Döners, auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Kurz nach dem Anschlag sicherte die Stadt Halle ihnen Entschädigungszahlungen zu, die jedoch nie geleistet wurden. Daher startete die JSUD ein Fundraising, bei dem eine Spendensumme von
knapp 30.000 Euro erreicht wurde. Diese Spende wurde während der gestrigen Kundgebung überreicht, bei der sich İsmet Tekin sogleich für die erfahrene Solidarität bedankte.

Max Privorozki, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Halle, forderte in einer anschließenden Rede, dass
Solidarität auch zukünftig gelebt werden sollte. Mit praktischem Beispiel ging er voran, indem er ankündigte, Gutscheine für den Kiez-Döner an die Gemeindemitglieder zu verteilen.

Eine weitere Forderung an diesem Tag hieß, jüdisches Leben in der Gesellschaft sichtbarer werden zu lassen. Unter anderem dazu sprach Eric Adamson vom American Jewish Committee. Er sagte: „Ich stehe heute gemeinsam hier mit Ihnen, damit jüdisches Leben in Europa eine Zukunft hat.“

Für mehr Sichtbarkeit jüdischer Religion sorgte auch der Rabbiner Jeremy Borovitz, der den Anschlag in Halle überlebte. Da am Tag der Kundgebung der siebente Tag des Sukkot, des Laubhüttenfestes, anstand, brachte er eine mobile Laubhütte und einen Feststrauß mit, erklärte kurz ihre liturgische Funktion und sang abschließend das Hevenu Schalom Alechem, bei dem viele Menschen miteinstimmten.

In Redebeiträgen von Bini Guttmann von der European Union of Jewish Students, Igor Matviyets und der Initiative 9. Oktober Halle wurden fehlende Sensibilität in Politik und Polizei gegenüber der Situation jüdischer Menschen in Deutschland vor und seit dem Anschlag kritisiert. Auch an die Zivilgesellschaft wurde die Forderung gerichtet, sich
ernsthaft mit rassistischer, antisemitischer und antifeministischer Ideologie in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen auseinanderzusetzen.

Dazu sagte auch Ruben Gerczikow, Vize-Präsident der JSUD: „Es liegt an jeder einzelnen Person sich gegen Hass und Diskriminierung einzusetzen. Egal ob jüdisch oder nicht, wir müssen viel politischer werden und handeln. Es liegt an uns, die Rechtsextremen zu stoppen.“

Jana L. und Kevin S., die dem rechtsextremen Attentäter zum Opfer gefallen sind, wurde mit einer Schweigeminute gedacht.

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