Kranken- und Altenpflege: im Land fehlen weiterhin Fachkräfte. Schuld sind Lohnunterschiede zwischen Ost und West
11. Mai 2018 | Soziales | 5 Kommentare
Die Beschäftigung in der Pflegebranche steigt weiter an. Die Stellenbesetzung dauert überdurchschnittlich lange – ein Problem: Viele Fachkräfte pendeln in andere Bundesländer – ein Grund dafür: Die unterschiedlichen Löhne – Senius: „Trotz Qualifizierung von Arbeitslosen – solange Lohnunterschiede so gravierend sind, wird sich an dem Fachkräfteproblem nichts ändern!“
Überdurchschnittlich steigende Beschäftigungszahlen
In Sachsen-Anhalt waren im Juni 2017 49.962 Frauen und Männer in Pflegeberufen Krankenpflege, Physiotherapie, Ergotherapie, Altenpflege, Haus- und Familienpflege beschäftigt, das sind 1.659 Beschäftigte beziehungsweise 3,4 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Zur Einordnung: Die Beschäftigung in Sachsen-Anhalt insgesamt stieg im gleichen Zeitraum lediglich um 1,1 Prozent. „Gerade in Ostdeutschland altert die Bevölkerung sehr stark, dazu kommt ein gewachsenes Gesundheitsbewusstsein. Das führt zu einer hohen Nachfrage nach Arbeitskräften im Pflegebereich. Dieser seit Jahren ungebrochene Trend stößt allerdings an Grenzen, weil der Markt für Fachkräfte quasi leergefegt ist, “ sagt Kay Senius, Chef der Arbeitsagenturen in Sachsen-Anhalt.
Wartezeiten von 179 Tagen bei der Stellenbesetzung
Und die Stellenbesetzung dauert überdurchschnittlich lange: Bei 179 Tagen lag etwa die sogenannte abgeschlossene Vakanzzeit von Stellen für Fachkräfte in der Altenpflege im Schnitt im Jahr 2017. 2016 dauerte es noch 124 Tage, bis eine Stelle für Fachkräfte in der Altenpflege besetzt werden konnte. Im Durchschnitt dauerte es im vergangenen Jahr in Sachsen-Anhalt 99 Tage, um eine offene Stelle zu besetzen.
Missmatch: Arbeitslose und Stellen passen häufig nicht zusammen
Dabei ist die Bewerberlage auf den ersten Blick nicht so ungünstig: 1.287 Stellen für Pflegeberufe sind bei den Arbeitsagenturen in Sachsen-Anhalt gemeldet April 2018, dem stehen 3.040 Arbeitslose entgegen, die eine Tätigkeit in einem Pflegeberuf Krankenpflege, Physiotherapie, Ergotherapie, Altenpflege, Haus- und Familienpflege suchen. Gleitender Jahresdurchschnitt Mai 2017-April 2018 Das Problem: Gebraucht werden vor allem Fachkräfte. Viele Arbeitslose streben allerdings eine Helfertätigkeit an. Die Folge: Ein sogenanntes Missmatch. „Bei Fachkräften in der Altenpflege haben wir zum Beispiel nicht mal einen Bewerber pro Stelle. Bei den Altenpflegehelfern kommen rechnerisch mehr als drei Arbeitslose auf einen Job“, erklärt Kay Senius. Die Arbeitsagenturen steuern deshalb mit entsprechenden Qualifizierungsprogrammen für Arbeitslose und geringqualifizierte Beschäftigte gegen. Allein im vergangenen Jahr starteten über 300 Arbeitslose und geringqualifizierte Beschäftigte eine Maßnahme mit dem Ziel eines Berufsabschlusses in Pflegeberufen. „Zur Wahrheit gehört aber auch, dass viele Arbeitslose lange ohne Job sind oder andere individuelle Vermittlungshemmnisse haben. Andere erkennen schnell, dass der fordernde Pflegeberuf schlichtweg nichts für sie ist“, so Kay Senius.
Mehr Aus- als Einpendler
Die Daten zeigen ein weiteres Phänomen, das nicht zur Entspannung der Fachkräftesituation beiträgt: Noch immer pendeln mehr Pflegefachkräfte aus Sachsen-Anhalt zur Arbeit in andere Bundesländer als umgekehrt. So wohnten 2.332 Krankenpflegefachkräfte 2017 in Sachsen-Anhalt, arbeiteten aber in einem anderen Bundesland, ein Jahr vorher waren es noch 2.307. Umgekehrt kamen 478 Krankenpflegefachkräfte aus einem anderen Bundesland zur Arbeit nach Sachsen-Anhalt. Bei den Altenpflegern ist der Trend ähnlich: 1.157 Fachkräfte für Altenpflege pendelten 2017 aus – und nur 266 ein.
Altenpfleger in Niedersachsen verdienen über 20 Prozent mehr als in Sachsen-Anhalt
Ein Grund dafür könnte auch in der unterschiedlichen Entlohnung liegen. So sind in den angrenzenden Bundesländern die Entgelte in Pflegeberufen zum Teil höher als in Sachsen-Anhalt. Während der Medianlohn für vollzeitbeschäftigte Altenpfleger Helfer und Fachkräfte zusammengenommen in Sachsen-Anhalt bei 1.864 Euro liegt, verdienen Altenpfleger in Niedersachsen 2.276 Euro brutto, das sind 22 Prozent mehr. In Thüringen liegt der Medianlohn bei 2.102 und in Sachsen bei 1.930 Euro.
Senius: „So lange es so spürbare Lohnunterschiede zwischen den einzelnen Regionen gibt, wird es schwer, das Fachkräfteproblem zu lösen.“
„Fachkräfte gewinnt und hält man nur mit guten Arbeitsbedingungen und fairen Löhnen im Beruf und im Land. Daran wird sich nichts ändern. Letztendlich geht es auch immer darum, was man am Monatsende für seine Arbeit bekommt. Solange es so große Verdienstunterschiede zwischen den Ländern gibt und die Arbeit in anderen Berufen ein höheres Einkommen bietet, wird es schwer, das Fachkräfteproblem zu lösen“, erklärte Kay Senius.
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Es ist allerdings ein Teufelskreis, die Arbeitnehmer müssen ordentlich bezahlt werden. Dadurch kommt es zu einer Kostenexplosion im Pflegebereich der an die zu Pflegenden also die Patienten weiter gegeben wird, die horrend steigenden Eigenanteile an den Pflegekosten sind jetzt schon kaum noch zu bewältigen, was soll das erst werden wenn die Generation mit den gebrochenen Erwerbsbiografien oder die ganzen Langzeitarbeitslosen in die Pflegeheime kommen, die können sich die Pflegekosten garnicht leisten. Der Pflegenotstand betrift sowohl die Pflegenden als auch die zu Pflegenden die die Pflege bezahlen müssen. Und ja Alten oder Schwerstpflege ist noch mal ne ganze Ecke belastender als Krankenpflege an sich die Psychische Belastung für die Pflegekräfte ist enorm und sicher auch ein Grund warum es nicht genug Bewerber gibt.
@Rive: Arbeit hat ihren Preis, und qualifizierte Arbeit erst recht. Das Problem vieler Unterbesetzungen lässt sich durchaus mit höherer Bezahlung regeln. Qualifizierte Arbeitnehmer können es sich nun mal aussuchen, für wen und unter welchen Konditionen sie arbeiten. Manchmal ist die Marktwirtschafthalt auch gut für Arbeitnehmer (sicherlich nicht für alle)
Eine Arbeitsaufnahme in der Pflege verlangt viel Nächstenliebe, die durchaus gewürdigt werden kann, auch finanziell. Die Kassen sind voll, und das erste, was den Neos einfällt, ist Beiträge zu senken, ohne jegliche Aufgabenkritik, was wird benötigt, was ist zu leisten. Wer möchte schon, wie der Pfleger im Wahlkampf beschrieb, in der eigenen Sch,,, verrecken, nur damit ein Jungspund verkünden kann, der in keine Sozialkasse was einzahlt, die Beiträge wurden um 0,01% gesenkt!
Es ist durchaus interessant mit welchen Argumenten immer wieder die Entgeltfrage in den Vordergrund von fehlenden Fachkäften geschoben wird.
Es ist einfach falsch einfach alles auf das Geld zu schieben:
1. Warum fehlen uns dann gut bezahlte Ärzte in Landregionen, Ingenieure usw. mit einem Brutto verdienst von 5000 Euro u. mehr… ?
2. Wieso sind dann Tagespflegedienste personell besser ausgestattet, vielleicht wegen der fehlenden Nacht- u. Wochenenddienste ? Sind die für junge Pflegekräfte vielleicht einfach angenehmer ? Ein Pech das Schwerstpflegebedürftige nicht besser in Ihren Bedarfszeiten anpassungsfähig sind.
3. Gilt das dann auch für die Probleme mit Nachwuchs in den Handwerksberufen , da muss ich auch im Winter manchmal draußen arbeiten u. manchmal auch körperlich hart , nicht ähnlich ?
Es ist und wird also logisch das Unternehmen im Wettbewerb höhere Löhne für gute Mitarbeiter zahlen werden, soweit der Markt dies hergibt.
Und wer ist der Markt bei Pflegekräfte, die Senioren u. u. die Angehörigen ? Das heißt mal schauen wie die Lohnspirale dann dazu führt das die Angehörigen u. Senioren dann alle Sozialhilfe in Anspruch nehmen wollen ? Das ist übrigens im Osten allen Fachkundigen bekannt.
Also : ohne ausländische Arbeitskäfte z.B. aus dem EU-Raum , die bereit sind arbeiten zu wollen zu den tariflichen Entgelten, wird es keine Lösung geben.
Und noch einmal : die Lebenshaltungskosten u. Mieten sind im Schnitt immer noch deutlich in Sachsen-Anhalt günstiger als im Westen. Das Argument der RealLohn ist da höher gilt da nicht, u. der Mitarbeiter mit Migrationhintergrund in den Pflegerufen ist auch im Westen deutlich höher, warum wohl ? – wegen dem Fleiss der Deutschen , oder einer gewissen ähnlichen altrömischen beginnenden Dekadenz ?
Es ist nicht nur immer der Lohn das Problem.
Man muss auch für einen solchen Beruf geeignet sein.
Besonders in Altenpflegeheimen entstehen menschliche Beziehungen zwischen den zu Pflegenden und dem Pflegepersonal. Über die Länge dieser Beziehungen entscheidet der Tod – und das muss man ertragen können – in besonderen Fällen, Hospiz, auch täglich.