Kita-Kummerstunde: Mehr Zeit statt Gummistiefel!

18. August 2017 | Soziales | 3 Kommentare

„Was willst du werden, wenn du groß bist?“ Fußballer und Model, Pilot und Tierärztin sind die Traumberufe der Kinder. Zwar läuft es dann meist doch auf Versicherungsvertreter oder Bürokauffrau hinaus – wenn es gut geht. Für Kinder aus Migranten- und Hartz-IV-Familien läuft es oft nicht so gut, sie sind ja nicht nur arm oder von Armut betroffen (in Sachsen-Anhalt immerhin mehr als ein Drittel aller Kinder!), sondern wachsen auch in einer wenig förderlichen Umwelt auf. Das geht nicht nur die Schule an, sondern gerade auch die frühkindliche Erziehung: Wenn hier bestimmte Anregungen ausbleiben, sind Defizite kaum mehr aufzuholen. Wie also kann man die Perspektive dieser Kinder verbessern?

Mit dieser Frage beschäftigte sich die gestrige Abendveranstaltung in der Leopoldina. Als Experten waren geladen: Pädagogik-Professorin Johanna Mierendorff; die in der Landesregierung für Soziales zuständige Staatsekretärin Susi Möbbeck; der Volkswirtschaftler Oliver Holtemöller von der Uni Halle sowie Katharina Brederlow, Beigeordnete der Stadt für den Bereich Bildung und Soziales.

Arbeitslose, Migranten, Alleinerziehende

Etwa in dieser Reihenfolge  bewegten sich die Beiträge vom Allgemeinen hinunter zum Konkreten: Mierendorff kam vom Allgemeinplätzigen (Kinderarmut kann nicht unabhängig von den ökonomischen Verhältnissen der Gesellschaft gedacht werden – das dachten wir uns schon fast!) bis zur feinsinnigen Forderung nach respektvollem Umgang mit armen Kindern und ihren Eltern, die vielleicht vergessen haben, Gummistiefel mit in die Kita zu geben. Die SPD-Staatssekretärin, die auch für Arbeit zuständig ist, verwies auf die Priorität von Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, aber die Landesregierung gebe ja auch viel für Kinder, Jugend und Bildung aus und außerdem plane man, die Kita-Gebühren ab 2. Kind abzuschaffen. Dies sei, hielt Holtemöller dagegen, in seiner Pauschalität fatal und helfe z.B. Alleinerziehenden überhaupt nicht. Auch Brederlow, als Beigeordnete der Stadt nah dran an den tatsächlichen Problemen, differenzierte: Es gebe keinen 1:1-Zusammenhang zwischen Langzeitarbeitslosigkeit und Kinderarmut, man müsse auch die Eltern stärken, dazu habe die Stadt Programme aufgelegt.

Kernproblem: Betreuungsschlüssel

Noch näher dran an den Problemen war das Publikum im Saal, vor allem Kita-Erzieherinnen. Die ließen sich nicht lange zur Diskussion bitten: Mehr Geld für Ausstattung und Materialien (warum nicht auf für Gummistiefel?) wäre hilfreich, das Hauptproblem sei jedoch der Personalmangel. Den könne man nur beheben mit einer besseren Bezahlung und einem besseren  Betreuungsschlüssel (in Sachsen-Anhalt liegt er bei ca. 6 Kindern/Erzieherin, in Baden-Württemberg bei 3). Dann hätte man mehr Zeit für die vertrauensvolle Beratung der Eltern, die oft mit ihren sehr konkreten Problemen vor der Tür stünden. Vor allem aber für die die Arbeit mit den Kindern.

Damit war die Frage des Abends beantwortet: Um eine Zukunft zu haben, brauchen Kinder vor allem Zuwendung.

Eva Scherf

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