Freiheit oder Freizeit?

22. März 2017 | Politik, Soziales | 9 Kommentare

von links nach rechts: Blaschke, Schinköth-Haase, Bratzke, Anna von Gruenewaldt

Von Netzwerk Grundeinkommen und Attac Halle eingeladen, fand am Dienstagabend eine Diskussionsrunde zum bedingungslosen Grundeinkommen im Steintor Varieté statt.

Die ca. zweistündige Veranstaltung, der etwa 150 Zuhörer lauschten, begann mit einem Grundsatzreferat des Autors und Mitbegründers des Netzwerkes Grundeinkommen, Ronald Blaschke. Er legte die 4 Kriterien des Grundeinkommens dar: Es ist individuell garantiert (ohne Bedarfsgemeinschaft), es gibt keine Bedürfnisprüfung und damit keine Sanktionen, es ist an keine Gegenleistung gebunden und es soll existenz- und teilhabesichernd sein. Nach Blaschke gibt es 4 – 6 verschiedene Modelle, die finanziell durchgerechnet und finanzierbar sind. Bei Blaschke gibt es eine deutliche Umverteilung von hohen zu niedrigen Einkommen/Vermögen, wodurch zusätzlich kulturelle Einrichtungen, Bildung und Mobilität, sowie ein ökologischer Umbau finanziert werden sollen.

Für Dr.Petra Bratzke, Leiterin der Agentur für Arbeit Halle, ist es eine „sozialromantische Utopie“. Ihrer Meinung nach ist soziale Gerechtigkeit durch andere Instrumente zu erreichen. Sie hält ein Grundkommen nicht für finanzierbar und auch nicht wünschenswert. Den radikalen Umbau der Gesellschaft, der dafür notwendig wäre, hält sie für nicht umsetzbar.

Professor Reint E.Gropp vertrat mehr liberale Auffassungen vom Grundeinkommen

Eine grundsätzliche Bejahung der Idee des Grundeinkommens, aber unter anderen Voraussetzungen, vertrat Professor Reint E.Gropp, Präsident des IWH Leibniz-Instituts Halle. Für ihn ist das bedingungslose Grundeinkommen keine linke, sondern eine liberale Idee. Seiner Ansicht nach führt ein Grundeinkommen nicht zu weniger, sondern zu mehr Anreizen zu arbeiten und zu mehr Jobs, weil jeder zusätzliche Euro behalten werden kann. Für ihn sollte das Grundeinkommen mit einer Deregulierung des Arbeitsmarktes, einem Wegfall aller Sozialleistungen und einem einfachen Steuersystem einhergehen. Seiner Meinung nach bedeutet das mehr Freiheit für die Betroffenen und eine Reduzierung des Einflusses des Staates.

Für Herrn Blaschke stehen diese Bedingungen der Idee des Netzwerkes Grundeinkommen entgegen. Für ihn soll das bedingungslose Grundeinkommen mehr „Freiheit gegen den Markt“ bringen. Es soll den Sozialstaat emanzipieren und ausgestalten, nicht abschaffen. Den Betroffenen bringt es mehr Freiheit und mehr Freizeit. Es stärkt die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer gegen die Arbeitgeber in jeglicher Beziehung.

In der anschließenden Diskussion mit den Zuhörern wurde auf viele Aspekte eingegangen, in denen ein Grundeinkommen hilfreich wäre,  z.B. im Fall von Strafentlassenen, leistungsverminderten Personen und jungen Akademikerinnen ohne Festeinstellung, für die keine Familienplanung möglich ist. Insgesamt ist es wohl noch ein weiter Weg, bis alle Aspekte abgewogen und durchdiskutiert sind. Aber ein Teilnehmer meinte: „Das Grundeinkommen wird kommen, seid Euch sicher!“

AK

 

 

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