Bertelsmann-Stiftung: In Sachsen-Anhalt fehlen 8500 Kita-Betreuer

26. September 2019 | Soziales | Keine Kommentare

Zwischen 2008 und 2018 hat sich die Zahl des pädagogischen Personals in den Kitas von Sachsen-Anhalt nur leicht erhöht: von 13.379 auf 15.492. Dies ist bundesweit die niedrigste Steigerungsrate. Im selben Zeitraum ist die Zahl der Kita-Kinder von 85.425 auf 93.402 angewachsen. Die Betreuungssituation in den Kitas ist noch immer nicht kindgerecht und stellt zudem eine hohe Arbeitsbelastung für die Fachkräfte dar.  Zu diesen Ergebnissen kommt das diesjährige Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme der Bertelsmann Stiftung.

Mit Blick auf die Personalschlüssel heißt dies konkret: Am 1. März 2018 war eine vollzeitbeschäftigte pädagogische Fachkraft in Krippengruppen rein rechnerisch für 5,8 ganztagsbetreute Kinder zuständig. Die Personalsituation hat sich damit gegenüber 2013 (1 zu 6,7) deutlich verbessert. In den Kindergartengruppen gab es ebenfalls einen erheblichen Qualitätssprung. Verantworteten Erzieherinnen und Erzieher 2013 die Förderung von 12,6 Kindern, waren es im Jahr 2018 noch 11,2. In Sachsen-Anhalts Krippen- und Kindergartengruppen hat sich somit die Personalsituation bundesweit am stärksten verbessert. Dennoch sind die Werte noch lange nicht kindgerecht. Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt, dass in Krippengruppen maximal drei und in Kindergartengruppen 7,5 Kinder auf eine pädagogische Fachkraft kommen.

Allerdings sieht das Betreuungsverhältnis im Kita-Alltag immer ungünstiger aus, da nicht die gesamte Arbeitszeit für die Betreuung der Kinder zur Verfügung steht. Wissenschaftliche Un-tersuchungen zeigen, dass rund ein Drittel der Arbeitszeit einer Erzieherin für Aufgaben außerhalb der pädagogischen Praxis benötigt wird: zum einen etwa für Elterngespräche, Quali-tätsentwicklung oder Bildungsdokumentationen, zum anderen für Urlaub und Fortbildungen. In Krippengruppen muss dann beispielsweise in Sachsen-Anhalt eine Mitarbeiterin 8,7 unter dreijährige Kinder betreuen.

In Kindergartengruppen ist eine Fachkraft tatsächlich für 16,7 Kinder zuständig. Längere Ausfallzeiten durch Krankheit verschlechtern die Betreuungssitua-tion noch weiter, wenn kein Vertretungspersonal zur Verfügung steht.
Kathrin Bock-Famulla, Bildungsexpertin der Bertelsmann Stiftung, bewertet die Entwicklung der frühkindlichen Bildung in Sachsen-Anhalt positiv: „Die Personalsituation verbessert sich in Sachsen-Anhalt langsam aber stetig, doch noch ist sie nicht kindgerecht. Langfristig helfen angemessene Personalschlüssel nicht nur dabei, Bildungschancen zu verbessern, sondern auch mehr Menschen für die Arbeit im herausfordernden Kita-Alltag zu begeistern.“

Jüngere Kinder bei der Betreuung mit älteren Kindern nicht benachteiligen

In Sachsen-Anhalt werden mehr als ein Drittel der unter Dreijährigen (38 %) nicht in klassischen Krippengruppen, sondern zusammen mit älteren Kindern betreut. In diesen Gruppen sind die Personalschlüssel für die jüngeren Kinder im Vergleich zu einer klassischen Krippengruppe (1 zu 5,8) noch ungünstiger. So ist beispielsweise in Krippengruppen, die auch für Dreijährige geöffnet sind, eine Fachkraft für 6,9 Kinder zuständig. In sogenannten alters-übergreifenden Gruppen, in denen alle Altersgruppen vertreten sind, liegt der Personal-schlüssel bei 1 zu 8,8. Dräger zu diesem Ergebnis: „Die Personalausstattung muss in jeder Betreuungsform kindgerecht sein. So darf der Besuch von Gruppen mit älteren Kindern die Bildungschancen der Jüngsten nicht verschlechtern.“

Personal hat Vorrang: Mindestens 8.450 zusätzliche Fachkräfte notwendig

Um eine kindgerechte Betreuung in den Kitas in Sachsen-Anhalt sicherzustellen, braucht es den neuesten Berechnungen der Bertelsmann Stiftung entsprechend 8.450 zusätzliche Fachkräfte. Dräger sorgt sich vor allem wegen der angespannten Situation beim Kita-Personal: „Der Fachkräftebedarf wird weiter steigen: Für mehr Plätze, eine gute Kita-Qualität und den Ausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder brauchen wir mehr Erzieherinnen und Erzieher. Diese können wir nur gewinnen und halten, wenn die Arbeitsbedingungen gut und attraktiv sind. Kindgerechte Personalschlüssel sind dafür eine wichtige Stellschraube.“
Um neue Fachkräfte zu gewinnen, empfiehlt Dräger zudem, dass sich die Länder auf einheit-liche Verbesserungen im Ausbildungssystem für Erzieherinnen und Erzieher verständigen: „Einheitliche Ausbildungsbedingungen erhöhen auch die Chance für Fachkräfte, in jedem Bundesland in einer Kita zu arbeiten.“ Bundesweit brauche es eine kostenfreie Ausbildung, eine angemessene Ausbildungsvergütung sowie eine Renten- und Sozialversicherungs-pflicht für alle Ausbildungsgänge. Zudem sollten die derzeit entstehenden unterschiedlichen Wege in den Beruf – beispielsweise für Quereinsteiger – keine Absenkung des bisherigen formalen Qualifikationsniveaus nach sich ziehen. Für diese langfristigen und umfassenden Maßnahmen benötigen die Länder allerdings eine verlässliche, finanzielle Beteiligung des Bundes. Dräger fordert deshalb: „Die Bundesmittel im Gute-Kita-Gesetz müssen angesichts des bestehenden Ausbaubedarfs nach 2022 erhöht werden.“

 

(Quelle: Bertelsmannstiftung, Gütersloh)

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