Schon gewusst? Wie der Dotter ins Ei kommt

13. April 2019 | Bildung und Wissenschaft, Nachrichten | 4 Kommentare

Ostern naht. Man feiert das Ende des Winters, das Ende einer tristen, von Entbehrungen gekennzeichneten Jahreszeit (naja, jedenfalls früher). Der Winterschlaf ist vorbei. Jetzt erwacht überall das Leben. Es sprießt das Grün, verspricht reiche Nahrung für die Tiere. – Eine günstige Zeit für die Fortpflanzung. Die erfolgt bei den meisten Tieren, indem sie Eier legen, aus denen der Nachwuchs mehr oder weniger fertig entwickelt schlüpft. Sie sind ovipar. Über 90% der Tierarten machen das so, ob Vögel, Reptilien, Fische, Insekten, Krebse, Weichtiere oder Würmer. Eier sind wahre Wunder der Natur. „Ex ovo omnia“ konstatierte William Harvey (1578-1657) in seiner bemerkenswerten Abhandlung „Exercitationes de Generatione Animalium“. Eier sind ein Symbol der Fortpflanzung, des Fortbestands von Leben.
Jedes Ei besteht aus einer Eizelle, einer schützenden Eischale und manchmal noch einem schützendem Eiklar, das die empfindliche Eizelle umhüllt. Die noch unbefruchtete Eizelle wird mit allen Nährstoffen ausgestattet, die der sich entwickelnde Embryo benötigt. Das Ei ist ja ein abgeschlossenes System, quasi ein Raumschiff, das alles an Bord haben muss, weil es später keinen Kontakt mehr zur Außenwelt hat. Die Reservestoffe im Dotter bilden sozusagen das Gelbe vom Ei. Solche dotterhaltigen Eizellen sind die größten Zellen, die es gibt. Wie kommt aber der Dotter ins Ei?
Einen kleinen Anteil an den Dottermaterialien stellt die Eizelle selber her. Aber mit der Bildung der tatsächlich notwendigen Dottermassen wäre sie hoffnungslos überfordert. Hier greift die Leber bei den Wirbeltieren oder das Fettgewebe bei niederen Tieren helfend ein. Sie synthetisieren außerhalb des Ovars die Dotterproteine und Eifette. Diese werden vom Blut zu den Eizellen transportiert. Die Eizellen fischen sich diese Stoffe aus dem Blut heraus und reichern sie an. Das geschieht ausgesprochen selektiv. Wie funktioniert das?
Auf der Oberfläche der noch winzigen Eizelle befinden sich Erkennungsmoleküle, sogenannte Rezeptoren. Die erkennen die Dotterproteine höchst spezifisch, binden diese an sich und halten sie fest. Haben mehrere nebeneinandersitzende Rezeptoren Dotterproteine gebunden, dellt sich die Eizelloberfläche ein, bildet ein Grübchen, das zu einem Bläschen wird, das sich nach innen abschnürt. In diesem Bläschen, auch als Vesikel bezeichnet, befinden sich nun die Rezeptormoleküle und daran haftende Dotterproteine. Alsbald verändert sich das Milieu im Vesikel. Es wird saurer. Das besorgen Ionenpumpen. Dadurch lösen sich die Dotterproteine vom Rezeptor. Gleichzeitig organisiert sich das Bläschen um: in einen Bereich, der nur noch die freien Rezeptoren enthält und einen Teil, der die Dottermoleküle enthält. Der letztere verbindet sich mit anderen gleichartigen Vesikelteilen. So entsteht ein immer größer werdender Dotterproteinball. Das Vesikelrest mit den Rezeptoren dagegen wandert an die Zelloberfläche, wird in die Zellmembran eingebaut und ergänzt dadurch den Verlust an Eizellmembran und Dotterrezeptoren. Die Rezeptoren werden also wiederverwendet. Wie gewaltig diese Prozesse sind, kann man erahnen, wenn man sich noch einmal verdeutlicht, das z.B. das Eigelb beim Hühnerei eine einzige Zelle darstellt, die Unmengen an Dotterprotein enthält. Übrigens, die Dotterproteinrezeptoren sind bei den verschiedensten Tierarten sehr ähnlich.
Nach der Befruchtung beginnt die Eizelle sich zu teilen. Es entsteht der Embryo. Die Baustoffe hierfür werden durch Abbau der Dotterproteine gewonnen. Im Schutze der Eischale wächst allmählich das Jungtier heran. Mit der Umwelt tauscht es lediglich Sauerstoff und Kohlendioxid sowie Wasserdampf aus. Vogelküken sind wie viele ovipare Tiere zum Zeitpunkt des Schlupfes schon recht vollständig entwickelt und zur selbständigen Nahrungsaufnahme befähigt. Giftschlangenkinder haben bereits Giftzähne, wenn sie schlüpfen; Krokodilkinder können gleich nach dem Verlassen der Eischale heftig mit ihren Zähnen zulangen. Fischbabies ernähren sich noch eine Weile vom verbliebenen restlichen Dotter, den sie in einem Dottersack mit sich herumtragen. Andere Tierkinder müssen nach dem Schlupf noch eine Weile von den Eltern versorgt werden. Die Vorteile dotterreicher Eier sind offensichtlich: die Nachkommen können sich unabhängig von der Nahrungsversorgung und geschützt von der Eischale entwickeln. Das Überleben der Art wird bestens gesichert. Kein Wunder, dass sich diese Art der Fortpflanzung erfolgreich bei so vielen Tierarten durchgesetzt hat. Wer aber hätte gedacht, wieviel komplexe Biologie, Biochemie und Physiologie hinter so einem Frühstücksei z.B. steckt. Vielleicht verzehren wir es jetzt mit etwas mehr Andacht und Respekt.

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