Schon gewusst? Bärtierchen sind Überlebenskünstler

14. Februar 2021 | Nachrichten | 4 Kommentare

An Algenfaden Kletternde Bärtierchen (Gesamtlänge 0,2mm)

Bärtierchen sind winzige wirbellose Tiere. Man kann sie ohne Lupe kaum wahrnehmen. Sie leben in allen Klimazonen und sind allgegenwärtig. Häufig sind sie in Moospolstern und Flechten zu finden. Sie ernähren sich von Pflanzenzellen und kleineren Organismen, die sie anstechen und aussaugen. Ihren Namen haben sie bekommen wegen ihrer rundlichen Form, ihrer kurzen, stämmigen Körperanhänge und ihres tapsigen Gangs. Ihr wissenschaftlicher Name ist Tardigrada (lateinisch tardus langsam und gradus Schritt). Die meisten Tardigraden sind weniger als 0,5 mm lang. Sie pflanzen sich über Eier fort. Tardigraden zählen zu den Gliedertieren und bilden eine eigene Stammgruppe.

Austrocknen, Überhitzen oder Erfrieren sind ständige Bedrohungen für die Bärtierchen. Einige Arten haben aber erstaunliche, geradezu sensationelle Fähigkeiten erworben, lebensgefährdende Veränderungen in ihrer Umwelt zu überstehen. Sie können in einem Trockenstadium, den sogenannten Tönnchen, überdauern. Im aktiven hydratisierten Zustand macht Wasser ca. 85% ihres Körpergewichtes aus. Im dehydrierten, ausgetrockneten Tönnchen-Zustand enthalten sie weniger als 2%. In diesem staubtrockenem Zustand können sie mehr als 10 Jahre überleben. Gibt man Wasser hinzu, erwachen sie innerhalb weniger Stunden wieder zu aktivem Leben. Im Tönnchenstadium überstehen sie auch Temperaturen bis zu 100°C. Sogar Aufenthalt in flüssiger Luft ( -190°C) oder gar flüssigem Helium (-272°C) können sie überstehen. Starke UV-Strahlung oder Radioaktivität überleben sie ebenfalls. Selbst kosmische Strahlung und Vakuum im Weltraum konnten ihnen nichts anhaben, wie ein Weltraumexperiment vor einigen Jahren bewies.

Rasterelektronenmikroskop-Bild von Bärtierchen

Untersuchungen des Erbgutes der Bärtierchen ergaben einen ungewöhnlich großen Anteil fremder Erbsubstanz, die z.B.von Bakterien aus extremen Lebensräumen stammt. Die Fremdgene wurden in das eigene Erbgut eingebaut und verbesserten die Widerstandskraft der Bärtierchen. Weiterhin fand man Schutzproteine, die sich direkt an die Erbsubstanz anlagern können und Schäden an der Erbsubstanz reparieren können. Weiterhin kann schädlicher molekularer Sauerstoff, der im Stoffwechsel entsteht, effizient entfernt bzw. seine Bildung durch angepasste Stoffwechselprozesse (z.B. im Fettstoffwechsel) verhindert werden. Über ihr Verhalten und ihreSinne weiß man auch noch nicht viel. Man erhofft sich von den Untersuchungen an Tardigraden Erkenntnisse, die für gestresste Tiere und Menschen von Nutzen sein könnte.

(Quelle Foto: Schokraie E, Warnken U, Hotz-Wagenblatt A, Grohme MA, Hengherr S, et al. (2012), CC BY 2.5 <https://creativecommons.org/licenses/by/2.5>, via Wikimedia Commons)

(H.J. Ferenz)

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