Zum 400. Todestag von Miguel de Cervantes Saavedra

24. April 2016 | Rezensionen | Ein Kommentar

Als 2002 das Osloer Nobelinstitut und norwegische Buchclubs die 100 bedeutendsten Schriftsteller rund um den Erdball (darunter etliche Nobelpreisträger und deutsche Autoren wie Siegfried Lenz oder Christa Wolf) befragte, welches literarische Werk sie für das herausragendste der letzten Jahrhunderte halten, war die Antwort eindeutig und doch verblüffend. Nein, nicht Shakespeares „Hamlet“, Goethes „Faust“, Stendhals „Rot und Schwarz“ oder Joyce „Ulysses“ machten das Rennen sondern der Ritterroman „Don Quijote von der Mancha“ von Miguel de Cervantes. Er erhielt fünfzig Prozent mehr Stimmen als der Zweitplazierte, Gustave Flauberts Roman „Madame Bovary“. Am 23. April jährte sich nun der Todestag des spanischen Nationaldichters zum 400. Mal.

Der Roman erzählt die Geschichte des verarmten Adligen Don Quijote aus einem Dorfe der Mancha, der nach der exzessiven Lektüre von schaurigen Ritterromanen den Entschluss fasst, selbst als fahrender Ritter durch die Welt zu ziehen. Also holt er seinen alten Gaul aus dem Stall, gibt ihm den klangvollen Namen Rosinante und stellt sich notdürftig eine verrostete Rüstung zusammen. Begleitet wird er von dem bäuerlichen Sancho Panza, den er als Knappen gewinnen kann.

Don Quijote ist von der fixen Idee besessen, nach Art der alten Ritter das Abenteuer zu suchen, sowie Jungfrauen und Waisen zu beschützen. Aber bereits der erste Versuch scheitert kläglich, denn der vermeintliche Haudegen wird von Maultiertreibern zusammengeschlagen. Aber Don Quijote lässt sich nicht entmutigen. Tapfer besteht er imaginäre Heldentaten, kämpft gegen Windmühlen, die er für Riesen hält, oder macht ein einfaches Bauernmädchen zur Dame seines Herzens und gibt ihr den wohlklingenden Namen Dulcinea von Toboso. Trotz seiner anhaltenden Misserfolge bleibt Don Quijote stets siegesgewiss. Als er schließlich nach Hause zurückkehrt, stirbt er in heiterer Gelassenheit.

Literaturwissenschaftler haben immer wieder auf Parallelen zwischen der literarischen Gestalt und dem Autor hingewiesen. Der junge Cervantes (geboren am 29. September 1547 in Alcalá de Henares) war ein rastloser Haudegen, so nahm er als Marinesoldat an der Seeschlacht von Lepanto (1571) teil, wo er durch eine Verwundung seine linke Hand verlor. Das verschaffte ihm den Beinamen „Der Einhändige von Lepanto“. 1575 wurde er von algerischen Piraten gefangengenommen und als Sklave nach Algier verschleppt. Erst nach drei erfolglosen Fluchtversuchen und dem Freikauf durch den Trinitarier-Orden kehrte er fünf Jahre später nach Spanien zurück.

Hier verarbeitete er zunächst seine Erlebnisse in der Gefangenschaft und schrieb in den folgenden Jahren mit der ihm verbliebenen Hand ein umfangreiches Erzählwerk. Eine Ehe scheiterte und Ende der 1590er Jahre wanderte er ins Gefängnis, da er als Steuereintreiber königliche Einnahmen veruntreut hatte. Zu dieser Zeit begann Cervantes mit dem ersten Teil seines „Don Quijote“, den er 1605 (oder 1604) veröffentlichte. Der zweite Teil folgte dann 1615. Neben seinen Novellen verschaffte ihm gerade dieser Roman bereits damals großes Ansehen, doch das gewonnene Geld verlor er stets. So verstarb Miguel de Cervantes am 23. April 1616 verarmt in Madrid.

Don Quijote“, der schon zu Lebzeiten ein Bestseller war, gilt heute als erster moderner Roman, der die nachfolgende europäische Erzählliteratur beeinflusst hat. Die Handlung lebt im Wesentlichen vom Gegensatz des eher öden Alltags in der kargen Landschaft der kastilischen Mancha und den hochfliegenden Träumen des „Ritters von der traurigen Gestalt“. Die beiden Hauptfiguren sind nicht nur bei Literaten zu allgemein bekannten Gestalten geworden, jedes Kind kennt den langen, dürren Ritter Don Quijote und seinen kurzbeinigen, stämmigen Begleiter Sancho Panza. Die Popularität des ungleichen Paares ist seit Jahrhunderten ungebrochen und so erzählt der Roman nach über 400 Jahren immer noch vom tragischen Scheitern eines Idealisten am Unverständnis der Welt. In über 70 Sprachen übersetzt, gilt er mit rund 2300 Auflagen in aller Welt als das wirkungsmächtigste Werk nach der Bibel. Und wir gedenken am 23. April an seinen Schöpfer, an Miguel de Cervantes, den „Homer der Neuzeit“. In Spanien wird dieser Tag seit 1926 als „Tag des Buches“ begangen.1995 erklärte die UNESCO ihn schließlich zum „Welttag des Buches“, als weltweiten Feiertag für das Lesen, für Bücher und die Rechte der Autoren. Und nicht vergessen: heute ist auch der 400. Todestag des englischen Dramatikers William Shakespeare !!!

Manfred Orlick

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