Tony und Dr. Shirley im Dixieland

24. Februar 2019 | Rezensionen | Keine Kommentare

Am Samstag ging es ins Programmkino. Es war dieses Mal das Zazie dran. Da war es vielleicht voll! Das Kino war eindeutig überbucht. Wir schauten uns Green Book mit Mahershala Ali und Viggo Mortensen (Streicher/Aragorn aus dem Herr der Ringe) in Originalfassung mit Untertiteln an.

Die Handlung: USA im Jahr 1962: Der Rausschmeißer Tony Vallelonga, genannt Tony Lip wegen seiner großen Klappe, hat gerade Jobnot. Der Nachtclub, der ihn beschäftigt, wird gerade renoviert. Da kommt ihm ein Angebot für den Starpianisten (und Snob) Dr. Shirley als Fahrer einer Tournee in den Südstaaten der USA zu arbeiten gerade recht. Dieser Job ist gut bezahlt, denn Tony handelt gute Bedingungen für sich heraus, hat aber mehrere Haken: Tony muß den Pianisten und seine Band 8 Wochen bis kurz vor Weihnachten begleiten und was die Südstaaten betrifft, wittert Tony nicht ohne Grund Ärger, denn Dr. Shirley ist ein Farbiger. Bei ihrer Reise durch das Dixieland muß sich Tony nach dem Negro Motorist Green Book richten, einem Reiseführer für afroamerikanische Autofahrer, der die wenigen Unterkünfte und Restaurants auflistet, die auch farbigen Gäste Service angedeihen lassen. Es kommt wie es kommen muß und das Road Movie kann beginnen! Aber mehr wird jetzt nicht mehr verraten.

Kritik: Wie bereits erwähnt, haben wir die Originalfassung gesehen. Die Untertitel sorgten dank schräger Übersetzungen an einigen Stellen für zusätzliche Heiterkeit. Immerhin erlebten wir dabei Viggo Mortensen dabei nicht als nuschelnden Streicher, sondern als New Yorker mit starken italienischen Akzent. Ansonsten gab er rollenmäßig den Proletarier, der seinen Chef nicht nur mit Flüchen und schlechten Benehmen traktierte, sondern ihm auch mehrmals „den Arsch rettet“. Mahershala Ali spielt an der Seite von Viggo Mortensen den Dr. Shirley mit großer Überzeugung und Eleganz. Den Snob haben wir ihm von der ersten Sekunde an abgenommen: Im Vorstellungsgespräch empfängt er Tony auf einem Thron sitzend.

Im Film schockieren die USA der Rassentrennung; Wir erleben eine Situation, in der der Snob Dr. Shirley in heruntergekommenen Absteigen (für Schwarze) nächtigen muß, während sein Fahrer Tony in guten Hotels (für Weiße) logieren darf. Aber wir erleben auch den Gegensatz zwischen Arm und Reich: Denn der Pianist gehört eindeutig zur amerikanischen Oberschicht und wird selbst in den Südstaaten von dieser Schicht hofiert, darf aber natürlich nicht auf die Toilette für Weiße gehen. Er wird auf das Plumpsklo für Schwarze draußen vor der Tür verwiesen. Rasch vor dem Fazit zwei Lieblingsstellen aus diesem Film: Wg. eines Motorschadens müssen Tony und Dr. Shirley am Straßenrand irgendwo im Dixieland anhalten. Tony repariert den Motor und sein Chef bleibt im Heck des Straßenkreuzers sitzen. Gegenüber der Straße arbeitet eine Gruppe farbiger Lohnarbeiter auf einem Feld. Sie halten mit der Arbeit ein, fangen an, ungläubig auf die Straße zu schauen. Der Anblick eines gutgekleideten Farbigen im Auto mit einem weißen Fahrer hätte nicht unglaublicher für die Arbeiter sein können als die Landung eines Raumschiffs. Zweite Stelle: Kurz vor Ende der Tournee spielt Dr. Shirley endlich seinen geliebten Chopin (0der wie Tony sagen würden: Joe Pan), aber nicht vor den Reichen und Schönen der weißen Oberschicht, sondern in einer schwarzen Bar vor einem begeisterten Publikum, das noch nie virtuose klassische Musik gehört hatte, bis die Band der Bar zu ihm auf die Bühne kommt und die Musik in Südstaaten – Rhythm ’n’ Blues übergeht, schwarze Musik, mit der Tony die ganze Fahrt seinen Doktor geschunden hat.

Fazit: Unbedingt ansehen! Der Film weiß nicht nur mit herausragenden schauspielerischen Leistungen aller Akteure zu überzeugen, sondern auch mit einer humorvollen und gleichzeitig authentischen Handlung, die einen zu Fragen von Vorurteilen und Rassismus nachdenklich werden läßt. Irgendwie ist es auch ein etwas zu spät gekommener Weihnachtsfilm, den wir im nächsten Dezember wieder herausholen können, denn am Schluss endet alles bei Dolores, der Frau von Tony, an der reichgedeckten Heiligabendtafel in New York. Wie? Auch das wird nicht verraten. Ansehen!

Nachtrag: Inzwischen sind die Oscar-Verleihungen vorbei und etwas überraschend erhielt der hier besprochene Film den Oscar als bester Film und für das beste Drehbuch. Mahershala Ali, der einer der Hauptdarsteller war, erhielt den Oscar als bester Nebendarsteller. (Muß man nicht verstehen)

Green Book – Eine besondere Freundschaft (2019)

Noch zu sehen:

im Luchskino am Zoo am 25.02. um 17:30, 27.02. um 20:30 Original, 02.03. um 12:00 Uhr, 03.03. um 16:45 Uhr

im Zazie am Mo., Di., Mi. (25. bis 27. Febr. 2019) um 19 Uhr in Originalfassung.

im Light Cinema Halle Neustadt gibt es weitere Vorstellungen in zwei Kinosälen, hier mehr…

 

ToK

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