Lebenserinnerungen von Wilhelm Jost

23. August 2022 | Rezensionen | 2 Kommentare

 

Wilhelm Jost (1874-1944) war in Halle 27 Jahre als Stadtbaurat tätig und während dieser langen Dienstzeit für rund sechzig Einzelbauten und Gebäudekomplexe in der Saalestadt verantwortlich. Er gilt heute als der wichtigste Stadtplaner in Halle in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der gebürtige Darmstädter hatte in seiner Heimatstadt Architektur studiert und zunächst in der hessischen Bauverwaltung tätig. 1912 erfolgte schließlich die Berufung als Stadtbaurat nach Halle. Zwei seiner ersten Projekte, die er hier betreute, waren die Errichtung des Gertraudenfriedhofs und des Stadtbades (1913-1916). Auch mit dem Hospital St. Cyriaci et Antonii und dem Emilienheim der Bethcke-Lehmann-Stiftung war Jost in den Anfangsjahren beschäftigt.

Nach dem Ersten Weltkrieg trugen vor allem das neue Badehaus des Solbades Wittekind, das Umspannwerk am Hallmarkt, das Straßenbahndepot Freiimfelder Straße, der Wasserturm Süd, das Freibad Gesundbrunnen, der Ratshof, das Arbeitsamt (am Steintor) oder die „Mitteldeutsche Kampfbahn“ (später Kurt-Wabbel-Stadion) seine Handschrift. Daneben war Jost auch für zahlreiche Wohn- und Geschäftshäuser sowie Schulbauten verantwortlich.

Jost hat Memoiren hinterlassen. Im ersten Teil schildert er recht unterhaltsam seine erste Lebenshälfte bis 1912. Während diese Lebenserinnerungen bereits 2000 erschienen, fand der zweite Teil, der die Amtszeit als Stadtbaurat in Halle 1912-1939 umfasst, bisher noch nicht den Weg in die Öffentlichkeit. Im Mitteldeutschen Verlag liegt dieser Teil nun in einer reich illustrierten Ausgabe vor. Detailliert und lebhaft schildert Jost die Geschehnisse, Schwierigkeiten und Entwicklungen der halleschen Stadt- und Baugeschichte während seiner Dienstzeit, die sich immerhin über drei politische und gesellschaftliche Systeme erstreckte. Mit der mdv-Neuerscheinung wurde dieses wertvolle Zeugnis hallescher Stadt- und Baugeschichte endlich einem breiten Leserkreis zugänglich gemacht. Die historischen Abbildungen bieten zudem einen repräsentativen Überblick über das Lebenswerk von Wilhelm Jost in Halle.

Britta Spranger / Dieter Dolgner (Hg.): „Wilhelm Jost – Erinnerungen aus meinem Leben – Selbstzeugnisse eines halleschen Stadtbaurats 1912-1939“, Mitteldeutscher Verlag Halle 2022, 30,00 €, 126 S., ISBN 978-3-96311-631-5

 

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