Im Puppentheater wird’s erotisch

29. Oktober 2016 | Rezensionen | Keine Kommentare

Die meisten dürften die morgenländlichen Erzählungen Tausendundeine Nacht kennen. Für alle anderen gibt es hier eine kurze Zusammenfassung: Der König Schahriar ist von der Untreue seiner Frau so entsetzt, dass er sie töten lässt und seinem Wesir die Anweisung gibt, ihm fortan jede Nacht eine Jungfrau zu bringen, die jeweils am nächsten Morgen umgebracht wird. Um das Morden zu beenden, will die Tochter des Wesirs, Scheherazade, die Frau des Königs werden. Sie erzählt ihm diverse Geschichten und endet jede Nacht an einer spannenden Stelle, so dass der König die Fortsetzung hören möchte und die Hinrichtung immer wieder aufschiebt. Am Ende gewährt der König ihr Gnade.

Schon zu Beginn des Stücks wird klar, dass „Geschichten aus tausendundeiner Nacht“ nichts für Kinder ist. Damit wird die Inszenierung von Ania Michaelis der Rolle des Originals der Geschichtensammlung gerecht. Oftmals wird sie in Deutschland und teilweise auch Europa gleichgesetzt mit einem Märchen für Kinder, was irreführend ist. Denn die Geschichten reichen von historischen Erzählungen, Anekdoten, Tragödien, Komödien bis hin zu Liebesgeschichten, die teilweise sehr erotisch sind. Und so knabbert in der Inszenierung von Michaelis der König Shahriar, gespielt von Sebastian Fortak, auch mal an den Zehen von Scheherazade.

Morgenländliche Atmosphäre mit Abstrichen

Die Darstellung der sechs Schauspieler des Puppentheaters Halle ist gelungen. Mit zehn verschiedenen Puppen wird in erster Linie die Rahmenhandlung von König Shahriar und Scheherazade dargestellt, wobei auch einige ihrer Geschichten aufgenommen werden. Dadurch kann es hin und wieder zu Verwirrungen kommen. Zeitweise ist das Stück aber durchaus humorvoll, was besonders durch die Darstellung von Lars Frank zum Tragen kommt. Auch die musikalischen Einlagen der Schauspieler sind sehr solide. Die Musik wurde von Sebastian Herzfeld eigens für das Stück komponiert. Orientalische Elemente werden nur teilweise verwendet, was das Schauspiel aber nicht negativ beeinflusst. Immerhin kommen zwei orientalische Saiteninstrumente, davon eine Bass-Balalaika, zum Einsatz.

Die Kostüme von Angela Baumgart unterstreichen den Charakter von Tausendundeine Nacht. Nur der Golfschläger, den König Shahriar anstatt eines Dolches oder Säbels nutzt, bleibt fragwürdig. Auch als er und sein Bruders Schah Zama mit Bierflaschen den Raum betreten, assoziiert man dies nicht unbedingt mit dem typischen Morgenland. Auch beim Bühnenbild erinnert nur wenig an den Ort des Geschehens: Es gibt weder orientalische Teppiche, Lampen noch Mosaike. Einzig am Ende, als hundert Lichter angehen, hat man den Eindruck in der Wüste zu sein und in den Sternenhimmel zu blicken.

Inszenierung zieht ins Puppentheater ein

Alles in allem ist „Geschichten aus tausendundeiner Nacht“ eine sehenswerte Inszenierung mit Humor, gelungen musikalischen Einlagen und überzeugenden Puppenspielern.

Nachdem die Darbietung im Sommer als Open-Air-Produktion im Hof des neuen theaters aufgeführt wurde, zog sie nun mit der Haus-Premiere am 28. Oktober ins Puppentheater Halle ein. Allerdings ist es in den nächsten Wochen bereits so gut wie ausverkauft. Zurzeit sind nur noch für den 2. und 3. Dezember Restkarten zu erhalten.

Ace

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