Heinrich, das Feuer für Kunigunde brennt!

30. November 2018 | Rezensionen | Keine Kommentare

Die Capella Antiqua Bambergensis

Mittelaltermusik wird leider oft genug mit sechs verstimmten Dudelsäcken und schwarzgekleideten Männern in Röcken in Verbindung gebracht. Abseits vom sogenannten Marktmittelalter und seinen mit Verstärkern agierenden Musikanten gibt es Musiker, Instrumentenbauer und Wissenschaftler aus der Alten Musik (Ernste Musik vor 1750), die sich der tradierten Musik des Mittelalters auf seriöse Weise annähern. Bekannte Namen der Alten Musik sind für mich der weltberühmte Katalane Jordi Savall i Bernadet und seine leider schon 2011 verstorbene  Frau Montserrat Figueras i Garcia. Im Bereich der Wiedergabe der Musik des Mittelalters gehört für mich unzweifelhaft die Capella Antiqua Bambergensis zur ersten Reihe dazu. Mit der Zusammenarbeit der Capella mit Arianna Savall Figueras, der Tochter des katalanischen Musikerpaares, schließt sich der Kreis. Aufgetreten sind sie in dieser Formation bereits in Merseburg, Naumburg und Quedlinburg.

Die neue CD der Capella Antiqua Bambergensis, erschienen September 2018, widmet sich dem Leben der Ottonen Heinrich I. und Heinrich II. Neben der eigentlichen Capella, bestehend aus Prof. Wolfgang Spindler, Andreas Spindler, Anke Spindler und Thomas Spindler kommen für dieses Aufnahme der Sprecher Udo Schenk und die Musiker/innen Jule Bauer, David Mayoral, Murat Coşkun und Benjamin Dressler hinzu. Die CD ist mit einem informativen Booklet ausgestattet. Kein Geringerer als Matthias Puhle (Historiker und Kulturbeigeordneter der Stadt Magdeburg) hat dafür eine Einführung in die Zeit der Ottonen geschrieben. Prof. Wolfgang Spindler führt in die „Geburt der Mehrstimmigen Musik“ ein.

Udo Schenk

Thietmar (Udo Schenk) erzählt von Heinrich und Kunigunde

Wie bereits geschrieben, ist „Heinrich“ kein reines Musikalbum. Wie bei den letzten Auftritten der Capella, die wir bereits in Quedlinburg erleben durften, hier zum Nachlesen, tritt der Schauspieler Udo Schenk als Sprecher und Bindeglied zwischen den Musikstücken auf. Seine Stimme verkörpert Thietmar von Merseburg, Chronist und Bischof. Eng verbunden war Thietmar mit dem zweiten Heinrich und seiner Frau Kunigunde. Dementsprechend handeln viele Texte des Hörteils der CD von diesem heiliggesprochenen Herrscherpaar. Hier kommt natürlich auch die Legende vom Pflugscharenwunder vor, welches Kunigunde zugesprochen wird. Ja, überhaupt starke Frauen! Die gab es zur Ottonenzeit zur Genüge. Sie hießen aber nicht Angela, sondern Mathilde (mind. 2x vorhanden), Adelheid, Editha, Theophanu usw. Und wir hatten auch die erste Herrscherin mit „Migrationshintergrund“ zu dieser Zeit (Theophanu war Griechin und brachte den Heiligen Nikolaus, byzantinische Mode und das Schachspiel mit). Trotz einiger kleiner Ungenauigkeiten liefert uns Udo Schenk hier einen wundervoll atmosphärischen Geschichtsunterricht ab. Aber auch Thietmar von Merseburg war bekanntlich nicht „perfekt“, wie er selbst, wenn auch mit anderen Worten, schrieb.

Bei der Realisierung der Musik der Capella Antiqua Bambergensis kommen Nachbauten mittelalterlicher Instrumente zum Einsatz, viele davon von Andreas Spindler gebaut.

Die Musik wird Ihnen spanisch vorkommen!

Die Capella hatt seit Beginn ihrer Programme über die Ottonenzeit das große Problem, dass kaum weltliche Musik aus diesem Zeitraum überliefert wurde. Minnesänger und Troubadoure folgten viel später und so sind die ältesten Stücke auf dieser CD erst entstanden, als die ottonischen Herrscherinnen und Herrscher nur noch in Chroniken und Legenden bekannt waren. Es sind acht wundervolle Musikstücke auf dieser CD versammelt und die Capella und Begleitmusiker interpretieren sie auf höchst vollendete Art. Vier dieser Lieder stammen von der iberischen Halbinsel, zwei aus dem provencalischen Raum, eins aus Italien und nur eins kommt aus dem deutschsprachigen Raum. Das ist das Lied, welches auf allen Mittelaltermärkten, mitunter mehr schlecht als recht, herauf und herunter gespielt wird: Walther von der Vogelweides Palästinalied. Ich war skeptisch, aber die Capella und Murat Coşkun setzen hier ganz eigene Akzente. Lassen Sie sich überraschen. Auch ein Stück „Cantigas de Santa Maria“ vom weisen Alfonso X. v. León und Kastilien darf natürlich nicht fehlen (auf galicisch). Die Katalanen sind mit dem Llibre Vermell de Montserrat vertreten. Für die Frauenpower sorgt die Gräfin Beatriz de Dia, durch Irmtraud Morgners Roman (Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz nach Zeugnissen ihrer Spielfrau Laura. Berlin [u. a.] 1974) auch bereits in der DDR bekannt. Die Traurigkeit der sefardischen Juden klingt aus dem Lied „La Rosa Enflorece“ heraus. Und vielleicht möchte uns die Capella ein wenig auf den Pilgerweg ins Mittelalter führen, denn die CD endet mit dem Lied der Jakobspilger „Dum Pater Familias“ aus dem Codex Calixtinus (12. Jahrhundert). Ultreya, Capella Antiqua Bambergensis, Deus adiuva nos! Es ist eine CD für Freunde des Mittelalters und der Alten Musik gleichermaßen.

TK

HEINRICH – König & Kaiser – Herrscher & Heiliger

Sprecher: Udo Schenk
Musik: Capella Antiqua Bambergensis,
Jule Bauer, Dayid Mayoral, Murat Coskun, Benjamin Dreßler
CAB-18  | 2018 | EAN 4027031000188

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