Hallescher Stadtname ohne Salz
6. Dezember 2014 | Rezensionen | 5 KommentareVor ein paar Wochen erregte eine Neuerscheinung des Verlages für Regionalgeschichte aus dem fernen Gütersloh für Aufregung in Halle. Der bekannte Autor und Onomastiker Jürgen Udolph, der deutschlandweit als Experte auf dem Gebiet der Namenforschung gilt, hatte mit seinen Nachforschungen die Saalestadt regelrecht in Aufruhr versetzt. Bisher nahm man an, dass der Stadtname sich von „Hall“ ableitet, einem indogermanischen Begriff für Salz.
Udolphs Forschungen widerlegen jedoch diese Annahme, ja er räumt rigoros mit dieser Fehlinterpretation auf. In Nord- und Mitteldeutschland sowie in Teilen Belgiens und Nordfrankreichs gibt es rund dreißig Orte, die in ihrem Namen das Wort Hall(e) oder einen Ansatz davon haben, die jedoch alle nichts mit Salz zu tun haben. Ihr Name leitet sich von der Lage der Ansiedlung ab und bedeutet so viel wie Abhang, Schräge, Halde oder Böschung. „Die schräge Lage war hier eindeutig Motiv für die Namensgebung“, so Udolph in einem Interview. Daraufhin ließ er in Halle die Topografie überprüfen und es wurde festgestellt, dass es vom halleschen Marktplatz bis zur Saale hinunter ein Gefälle von rund zehn Prozent gibt.
Zunächst wollten traditionsbewusste Hallenser, vor allem die Halloren, von diesen neuen Erkenntnissen nichts wissen und verwiesen darauf, dass es im Süden Deutschlands und in Österreich zahlreiche Salz-Ortschaften gibt, die sehr wohl ein „Hall“ in ihrem Namen tragen. Tatsächlich gehen diese Ortsnamen (z.B. Bad Reichenhall, Schwäbisch Hall oder Hallein) auf das Salz zurück. Doch Udolph verweist darauf, dass es zwei große Bereiche der Verwendung des Wortes „Hall“ gibt: in Nord- und Westdeutschland in der Bedeutung von „Schräge“ und im alpinen Raum in Verbindung mit Salzabbau, wobei „Hall“ als Salzbergwerk (Saline) zu verstehen ist.
Darüber hinaus führt Udolph noch zwei weitere gewichtige Argumente an. So gibt es im Umfeld von Halle zahlreiche Orte, die das niederdeutsche Wort „salt“ oder „solt“ (Salz) im Namen haben (z.B. Salzmünde oder Salzwedel) und die auch über ein Salzvorkommen verfügen. Zweitens sind die ersten Salinen in unserer Region vor über 1000 Jahren nicht im heutigen Stadtgebiet entstanden sondern am Giebichenstein. In einer Schenkungsurkunde von Otto I. heißt es z.B. „Gibikonstein cum salina sua“. Erst später hatte sich die Salzgewinnung nach Halle verlagert, doch da hatte die Stadt laut urkundlicher Erwähnung von 806 längst ihren Namen „Halla“.
Die knapp 150 Seiten sind für jeden an Stadtgeschichte und Namensforschung interessierten Leser eine spannende Lektüre. Udolph macht dabei seine neuen Erkenntnisse anhand zahlreicher Kartenausschnitte und historischer Drucke bildhaft nachvollziehbar, darüber hinaus belegt er sie mit unzähligen Quellenangaben.
Obwohl Udolph betont, dass er den Hallensern „gar nicht ihre Salzgewinnung wegnehmen“ wolle, war die Aufregung zunächst groß. Inzwischen haben sich die Wogen etwas geglättet und das hallesche Stadtmarketing hat Udolphs Erkenntnisse zum Anlass genommen, um Änderungen am Infomaterial vorzunehmen.
Manfred Orlick
Jürgen Udolph: „Die Ortsnamen Hall, Halle, Hallein, Hallstatt und das Salz“, Verlag für Regionalgeschichte Bielefeld 2014, 19,00 €, 144 S., ISBN 978-3-89534-866-2
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Habt ihr nicht richtig gelesen:
der Forscher sagt, dass „Hall“ auf Salz zurückgehen kann oder auf die Schräglage.
Er meint, im Falle Halle a. d. Saale sei zweiteres der Fall.
Unabhängig von dieser Aussage hat die Forschung dann zumindest ergeben, dass das Salz nicht eindeutig für die Namensgebung war.
Wo er Recht, hat er Recht!
„Schräge Lage“ stimmt doch auf mehreren Gebieten außer der Geologie, siehe auch Finanzlage, die ist dch mehr als schräg! (grins)
Halle hat nichts mit Salz zu tun?
Und so ein Schwachfug bekommt hier eine Bühne!
Dann sind die Halloren also „Hanghühner“ und die Hallunken „schräge Vögel“. 🙂
„Inzwischen haben sich die Wogen etwas geglättet und das hallesche Stadtmarketing hat Udolphs Erkenntnisse zum Anlass genommen, um Änderungen am Infomaterial vorzunehmen.“
typisch stadtmarketing, übernimmt diesen blödsinn auch noch.
„„Die schräge Lage war hier eindeutig Motiv für die Namensgebung“, so Udolph in einem Interview. Daraufhin ließ er in Halle die Topografie überprüfen und es wurde festgestellt, dass es vom halleschen Marktplatz bis zur Saale hinunter ein Gefälle von rund zehn Prozent gibt.“
ein gefälle in richtung des flusses – wow. das ist ja echt einmalig, dass ein fluß an der tiefsten stelle des tales ist. darf man ja noch glücklich sein, dass nicht auch noch merseburg und weißenfels „halle“ heißen. dort befindet sich die altstadt auch deutlich über dem fluß (nah am fluß aber hochwassersicher).
sucht man nach anderen orten diesen namens, erfährt man folgendes.
Halle (Weserbergland)
Der Name des Ortes stammt aus dem Germanischen von Hall (= Salz) und geht auf Salzquellen am Steinmühlenbrink bei Halle zurück, die in der Frühzeit sehr bedeutend waren.
Halle (Westfalen)
dort gab es nachweißlich eine Saline.