Großes Theater! Tom Wolter und Kolleginnen ziehen alle Register.
7. August 2017 | Rezensionen | 8 KommentareTom Wolter und Kollegen haben zugeschlagen. Sie haben das Hauptwerk eines der mächtigsten Bühnenautoren der Neuzeit (Shakespeare) auseinander genommen und eine erfrischende surrealistische Komödie als Bildtheater dargeboten .
„Hamlet als Maschine“ nennt sich das Stück, das am lauschigen Sonntagabend unter Sternhimmel und fast Vollmond auf der Oberburg Giebichenstein aufgeführt wurde. Eine ähnliche Idee hatte schon einmal jemand, Heiner Müller, mit seiner „Hamletmaschine“. Während Müllers Vorlage aber – bedingt durch die damaligen politischen Gegebenheiten – passagenweise dräuend ernsthaft daher kommt, lösen Wolter und Kollegen das Stück zu einem heiteren absurden Sommernachtstraum auf. Viel Selbstironie steckt in dem Stück, Selbstironie über das Theaterwesen an sich. Es wird mit Zitaten (Originalpassagen aus Hamlet und anderen Shakespearesstücken) gespielt. Wesentlich sind die teils altmeisterlichen Bilder, die die Truppe so virtuos langsam unter dem aufgehenden Vollmond über der sich langsam verdunkelnden abendlichen Kulisse Halles zaubert. In den circa 2 Stunden entfaltet sich eine Leistungsschau der Theaterkunst, alle Register werden gezogen.
Ein Gesamtkunstwerk, an dem auch die Musikergruppe „Marody Orchestra“ und die frische witzige Choreografie von Holdine Wolter einen großen Anteil hatten. Wenn die Aufführung dann einmal doch zu sehr in die europäische Schwermütigkeit abdriften sollte, dann lösen die Chorobaten das mit einer fröhlichen Polka auf, Tom Wolter voran als feixender, winkender Clown.
Hinweise auf historische und zeitgeschichtliche Monumente sind dennoch genug; der Bücherkampf in der Version Heiner Müllers gerät hier zu einem abendlichen Spiel, einer gekonnten Fußnote für Kenner.
Protagonisten waren neben Tom Wolter (mal als Mutter, mal als Polonius, mal ganz er selbst), Elsa Weise als Hamlet und Helen Schumann (u.a. als Ophelia). Die Idee für das Stück, so die Schauspieler anschließend bei einem Gespräch mit Hallespektrum, kam von Helen Schumann, das Konzept wurde von allen drei gemeinsam entwickelt und Tom Wolter hat schließlich die Inszenierung übernommen und umgesetzt.
Freunden origineller Theaterkunst sei nahe gelegt, die Aufführung nicht zu verpassen. Es sind einfach die lebendigen heiteren Bilder, eine Weltausstellung des Figuren Theaters, die dem zuweilen verzauberten Publikum auf dem bedeutungsschweren Felsen über unserer Stadt ausgebreitet wird.
Tom Wolter ist den meisten Hallensern wohl eher als Stadtrat ein Begriff: hier zeigt er, was er wirklich kann: große Kunst, die ihm besonders gut im kreativen Zusammenspiel mit seinen ebenso begabten und inspirierenden Freundinnen und Freunden gelingt.
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Lou, da du meine Frage nicht beantwortet hast, gehe ich davon aus, dass du auch nicht Zuschauer warst.
Meckern über Dinge, die man nicht kennt und versteht ist bequem. Es sind nicht so viele Stufen bis zur Oberburg.
Übrigens, wie viele Zuschauer haben es sich angesehen?
Mein letztes gesehenes Stück der freien Theater war eins von Apron. Nie wieder. Ich gehe überhaupt nicht mehr ins Sprechtheater. Spielt man Original, liegt man um 100Jahre zurück und diese Welt versteht keiner mehr. Bleibt nur übrig, die Stücke zu modernisieren. Mein letztes Stück im NT war vor Jahren „Romeo und Julia“ . ich habe nicht begriffen, warum da immer mal einer in das Planschbecken fallen musste.
Ich entschuldige mich für meine kritische Sichtweise keineswegs. Mit Bejubelung gehe ich äußerst sparsam um. Kann sein, dass es daran liegt, dass ich noch große Schauspielkunst kenne.
Mich hat es sehr (vom Stil her) an eine wunderschöne Aufführung erinnert, die Tom Wolter und Kollegen vor 11 Jahren gespielt haben:
http://m.halle.de/de/Verwaltung/Presseportal/Nachrichten/m.aspx?NewsID=13688
@farbspektrum schon wieder in der Meckerecke? Geh hin, die arbeiten viel mit Bildern, das kann man gut nachvollziehen.
Die Rezension ist übrigends hervorragend und trifft das Gesehene, Gehörte und Gefühlte genau. Es war ein wundervoller Abend.
Wenn man es nicht versteht, kann es einem so vorkommen.
Irgendwie klingt das nach Hans-Wurst-Theater. Irgendwie ist es folgerichtig, dass es wieder auflebt.