Glaube und Hoffnung?

8. Oktober 2016 | Rezensionen | Keine Kommentare

Glaube und Hoffnung? – Fulminanter Start der Staatskapelle Halle in die neue Konzertsaison

Am 2. Und 3. Oktober 2016 eröffnete die Staatskapelle Halle ihre neue Reihe von Sinfoniekonzerten. Sie folgen dem Motto „Glauben?“, wobei das Fragezeichen Zweifel, Suche nach Sinn und Wahrheit andeuten soll. Wie große Komponisten diese existentiellen Sorgen empfanden, sich mit ihnen auseinandersetzen, will diese Konzertreihe aufzeigen.
Im 1.Sinfoniekonzert der Saison kamen zur Aufführung :

Antonin Dvorak: Konzert für Violoncello und Orchester h-Moll op. 104 mit Alban Gerhardt (Violoncello) als Solisten
und
Dimitri Schostakowitsch: Sinfonie Nr. 8 c-Moll op. 65

Es dirigierte GMD Josep Caballé-Domenech. Dvoraks Cellokonzert entstand 1895 in New York und wird als Ausdruck der Sehnsucht nach Heimat verstanden. Die im ersten Satz entwickelten und vom Cello übernommenen Themen werden im zweiten Satz pathetisch ausgeführt. Danach entwerfen Cello und Violine im dritten Satz sehnsuchtsvoll das Bild der entfernten (transatlantischen) Heimat. Alban Gerhardt gelang es meisterhaft, die Gefühlslage Dvoraks wunderbar zu erfassen und äußerst gefühlvoll zu vermitteln. Zarte, wehmütige, leiser werdende, aber nicht hoffnungslos klingende Celloklänge vermittelten am Ende des 3.Satzes das tiefe Heimatgefühl Dvoraks.
Das Cellokonzert gehört zu Dvoraks bedeutendsten Kompositionen und ist ein Höhepunkt der Celloliteratur überhaupt. Alban Gerhardt schreibt dazu auf seiner bemerkenswerten Homepage (http://albangerhardt.com/de/): „The Dvorak Cello Concerto is a blessing and a curse for us cellists; a blessing because not only cellists claim that it is the most beautiful concerto for any instrument. But I also see it as a curse as no other concerto is as strong as „the Dvorak“ which I believe is the reason why so few concerti of the vast cello repertoire are getting performed. What makes it so unique? It features the cello at its best, as the melodic, sensual instrument it is, with its beautiful human voice which can whisper, cry, long, but also become angry and scream or threaten. There are also virtuosic elements, fireworks and impressive passages, but I have always been most attracted by its lyrical side. At the same time the orchestra is featured as an equal partner without ever drowning the cello.” Genau diese Einzigartigkeit gelang es Gerhardt zu vermitteln. Das Konzertpublikum dankte mit langem, donnernden Applaus und bekam noch eine Zugabe.

Nach der Pause stand ein ebenso emotionales Werk zur Aufführung an, die Sinfonie Nr. 8 op. 65 von Dimitri Schostakowitsch. Entstanden 1943 drückt sie im 1. und auch 2.Satz Kriegsleid, das Böse und seine Zerrbilder aus, was wohl auch die Bezeichnung „Stalingrad-Sinfonie“ ausdrücken soll. Schrille, laute Klänge setzte Schostakowitsch hier ein und deutet damit den Irrwitz des Mordens an. Die Nachdenklichkeit im 4.Satz wird im abschließenden 5.Satz durch freundlichere Stimmungen abgelöst. Dennoch bleiben die tragischen Empfindungen, mit denen die Sinfonie uns (ver)zweifelnd zurücklässt. Bombastische Elemente und dramatische Steigerungen ändern daran letztlich nichts. Diese Sinfonie ist sicherlich ein Meisterwerk, das sich allerdings über einige stilistische Konventionen hinwegsetzte. Da diese Sinfonie nicht zur Verherrlichung des Sowjetstaates beitrug, wurde sie von den Spielplänen verbannt und erst 1956 rehabilitiert.
Die Staatskapelle Halle spielte mit großem Elan, straff gelenkt vom GMD Caballe-Domenech. Kraftvoll wurden explosive und implosive Momente herausgearbeitet. Toll die Leistung der Bläser. Das Orchester hat mit diesem wunderbaren Auftaktkonzert seine künstlerische Größe, seine Berechtigung in der deutschen Musiklandschaft bewiesen.

(Hans Ferenz)

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