Das Sterben der Einsamen

16. April 2020 | Rezensionen | Ein Kommentar

Gerade im März 2020 herausgekommen ist ein bittersüsser Roman des englischen Sachbuchlektors Richard Roper, den ich für Sie gelesen habe.

Die Handlung ist rasch erzählt: Andrew arbeitet für die Verwaltung in London und seine Aufgabe ist der Tod. Nein, er ist kein staatlich bezahlter Auftragskiller oder Kammerjäger, sondern er kümmert sich um den Nachlass von kürzlich Verstorbenen. In den meisten Fällen sind es arme Teufel, die einsam starben und oft tage- oder wochenlang unbemerkt in ihren Wohnungen verwesten. Andrew soll schauen, ob es Angehörige gibt und nachschauen, ob genügend Geldmittel für eine Beerdigung vorhanden sind, denn die Verwaltung möchte dafür nicht aufkommen. Natürlich hat Andrew Schutzmaske und Schutzausrüstung für die schweren Fälle, alles was wir in diesen Corona-Zeiten selbst für unsere „System-Relevanten“ schmerzlich vermissen. Aber das nur nebenbei. Spahn drüber!

Andrews Aufgabe ist der Tod

Roper hat eine diebische Freude am schildern der unschönen Details in den Wohnungen der Toten, wir wollen alle nicht mit Andrew tauschen, glauben Sie mir. Am Abend zieht er sich zur Entspannung in seine heruntergekommende Einzimmerwohnung zurück, läßt seine Modelleisenbahn fahren und tauscht sich mit seinen Modelleisenbahnfreunden im Forum für diese Szene im Internet aus. Er ist knapp über vierzig und es schaut ganz danach aus, als würde ihm ein ähnliches Ende bestimmt sein, wie er es tagtäglich bei seinen Klienten erlebt. Seinem Chef und den Mitarbeitern in seiner Abteilung aber täuscht Andrew ein harmonisches Familienleben mit seiner Frau Diane und zwei Kindern vor. Das geht alles jahrelang gut, bis Cameron, der Chef, auf die Idee kommt, zwecks Teambildung ein Abendessen reihum bei den Mitarbeitern organisieren zu wollen, damit „man sich näher kommt“. Was soll Andrew tun? Seine Familie existiert nicht und kochen kann er auch nicht. Zu allem Überfluß gibt es nun auch eine neue Mitarbeiterin in der Abteilung, die rothaarige Peggy, die Andrews Leben vollkommen auf den Kopf stellt.

Keinesfalls eine romantische Komödie

An dieser Stelle hatte ich beim Lesen den ersten Hänger, denn ich dachte: Aha, Strickmuster erkannt! Auftritt der guten Fee Peggy, Andrews Leben wird sich vollkommen ändern, erste zarte Annäherungen ergeben sich, es gibt es paar strickmusterbekannte Verwicklungen, am Ende dann das Happyend! Muß ich jetzt nicht unbedingt weiterlesen. Aber Richard Roper war sich der Gefahr der „romantischen Komödie“ durchaus bewußt und es gelang ihm durchaus geschickt nicht alle Erwartungen des Strickmusters zu erfüllen. Das Leben ist eben in der Regel komplizierter als „Notting Hill“ und Co. Peggy ist keine gute Fee, sondern hat ihr eigenes Leben und ihre eigenen Probleme. Andrew muß sich selbst und alleine den Schatten seiner Vergangenheit stellen, wie wir alle. Das ist nicht unbedingt angenehm. Und der Leser kann doch schon mal ein Tränchen wegdrücken. Die einzigen wirklich guten Geister sind Andrews Freunde aus dem Modelleisenbahnforum, die einspringen als die Not am größten ist. Tolkien hatte seine Adler, Roper hat die Modelleisenbahner! Und ob es doch noch ein Happyend gibt und es Andrew gelingt, sich von eingebildeter Ehe und Modellspielzeugwelten zu befreien, eine neue Aufgabe zu finden, dies müssen Sie sich selbst erlesen. Ich war jedenfalls angenehm überrascht von „Das Beste kommt noch“. Sicher, es ist ein Unterhaltungsroman, aber einer mit sehr viel Herz und Tiefe. Es steht aber zu befürchten, dass dies schöne Buch wohl ganz bald und ganz schlecht verfilmt wird. Das wäre schade. Lesen Sie es bitte vorher. Ich habe es jedenfalls nicht bereut, das Buch in der Hand behalten zu haben.

Richard Roper: Das Beste kommt noch (Something to live for)
Preis: € 20,00
Seitenzahl: 416
Wunderlich
ISBN: 978-3-8052-0044-8

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