Das Lehrerzimmer – Premiere im Puschkino mit Regisseur İlker Çatak

3. Mai 2023 | Rezensionen | Keine Kommentare

Für den, der sich am 30.04.2023 entschlossen hat, zur Premiere des Filmes „Das Lehrerzimmer“ ins Puschkino zu gehen, hat sich die Entscheidung gelohnt. Gleich zu Beginn bedankt sich Regisseur İlker Çatak dafür: „Danke, dass Sie bei diesem schönen Wetter gekommen sind.“

Carla Nowak, verkörpert durch Leonie Benesch, ist eine engagierte junge Pädagogin, die ihre erste Stelle an einem Gymnasium antritt. In ihrem Unterricht lebt und vermittelt sie Werte wie Demokratie und Gerechtigkeit. Sie diskutiert mit ihren Schüler*innen und fordert sie zum Nachdenken und zum Einnehmen unterschiedlicher Sichtweisen auf. Die Rechte der Schüler*innen sind ihr wichtig. Im Mathematikunterricht lehrt sie, dass eine Behauptung noch kein Beweis ist und eines solchen bedarf.

Gleich zu Beginn des Filmes wird deutlich, dass das Klima in der Schule angespannt ist.

Regisseur İlker Çatak sieht in der Schule ein kleines Abbild unserer Gesellschaft. Es gibt ein Staatsoberhaupt – die Schulleiterin, Minister*innen- die Lehrer*innen, ein Presseorgan – die Schülerzeitung und natürlich das Volk – die Schüler*innen.

Die Kamera folgt der idealistischen Lehrerin Carla Nowak auf Schritt und Tritt. So erfährt der Zuschauer, dass an der Schule gehäuft Diebstähle vorkommen. Zwei der Kollegen überschreiten Grenzen, als sie versuchen die Klassensprecher*innen ihrer 7. Klasse zu überreden, Hinweise auf Kinder zu geben, die auf einmal ungewöhnlich viel Geld besitzen. Sie als Spitzel zu verwenden, löst bei den Kindern großes Unbehagen aus. Auch Carla Nowak wirkt verunsichert. Kurz danach sollen alle Jungen in Carla Nowaks Klasse ihre Geldbeutel vorzeigen und tatsächlich findet sich in Alis Geldbörse eine  außergewöhnlich große Geldsumme. Alis Eltern – mit türkischen Wurzeln – können die Summe erklären. Ein Vorwurf steht trotzdem im Raum und ein bedrückendes Gefühl.

Als Carla Nowak die Dinge in die Hand nimmt und ihre Laptopkamera auf ihre Jacke mit ihrer Geldbörse richtet, gerät sie zwischen alle Stühle. Auf dem heimlichen Video ist das Muster einer Bluse zu sehen. Diese trägt die Schulsekretärin Frau Kühn, welche die Geldbörse augenscheinlich entwendet hat. Frau Kühn streitet alles ab und beeinflusst ihren Sohn Oskar, der ein begabter Schüler in Frau Nowaks Klasse ist. Oskar ist mit der Situation vollkommen überfordert und macht seine Lehrerin für die Schwierigkeiten seiner Mutter verantwortlich. Er wird aggressiv anderen Schüler*innen gegenüber und initiiert Mobbing Aktionen gegen seine Klasselehrerin.

Dennoch hat Carla Nowak trotz all ihrer Prinzipien mit ihrem heimlichen Video Persönlichkeitsrechte verletzt und gegen  Datenschutzvorschriften verstoßen. Ab diesem Zeitpunkt nimmt das Drama seinen Lauf. Frau Nowak stolpert über ihre eigenen Ansprüche und wird auch dank Oskar Kühn von einem Teil ihrer Schüler*innen abgelehnt; sie gerät in Konflikt mit Kolleg*innen, der Schulleitung, mit Frau Kühn, mit Eltern ihrer Klasse und den Redakteuren*innen der Schülerzeitung. Letztere erfahren von dem Video und betreiben mehr Meinungsmache als Recherche.

Den Schluss bildet eine Szene, die den Zuschauer zum Nachdenken anregt. Oskar wird auf einem Stuhl von der Polizei aus der Schule getragen, weil er sich einer Suspendierung von der Schule widersetzt.

Ist Oskar jetzt Sieger des Konflikts? Ist der Verweis eine Strafe oder wurde ein König gekrönt? Ist Oskar ein intelligentes unbeugsames Kind, das Erklärungen fordert, oder ein verwundeter Junge, der zwischen Loyalität zu seiner Mutter und durch die Schule vermittelter Werten entscheiden muss aber mental noch nicht kann?

Bei den Zuschauern traten viele Fragen auf, nach Stilmitteln im Film, nach dem Ende und nach den Schauspieler*innen. İlker Çatak betont, dass er keinen Tatort gedreht hat. Es gibt kein Ende und keinen Täter. Die Zuschauer dürfen ins Gespräch kommen.

Der Film entstand beim Dreh.

Es gab nur wenige Vorgaben für alle am Film Beteiligten: düster, wenig Farbe und eine enge, der Hauptdarstellerin folgende Kameraeinstellung. Die Schauspieler*innen bestimmen den Charakter ihrer Rollen mit. Die Leugnung des Diebstahls durch Frau Kühn beruht allerdings auf einem wirklichen Vorfall einer Schulsekretärin  in Nordrheinwestfalen.

 

Der Film läuft im Puschkino ab dem 04. Mai.

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