Büchermahlstrom: Zum Anbeissen

31. Dezember 2019 | Rezensionen | 2 Kommentare

Der Büchermahlstrom wurde in den letzten Monaten von mir vernachlässigt. Da sich einige Werke in meinen Netzen verfangen habe, gibt es einiges abzuarbeiten. Beginnen wir mit ziemlich viel Blut an den Händen:

Nike Leonhard ist zwar eine Frankfurter Autorin, besucht Halle aber regelmäßig im Verlauf der Leipziger Buchmesse. Das letzte Mal „hinterließ“ sie uns „Biss zum letzten Akt“. Der Bezug zur „Bissreihe“ von Stephenie Meyer ist sicher nicht zufällig.

Vampirromane sind nun wirklich nicht mein Ding. Aber 104 Seiten dieser Blutsaugernovelle traute ich mir doch zu. Abschließend kann ich sagen, der Text hätte ruhig noch etwas länger sein können.

Die Hauptperson ist Silke, ein Frankfurter Junkie. Ihre Lebensspirale zeigt abwärts: Heroin, kleine Diebstähle und Straßenstrich. Eines Tages wird sie überfallen. Aber es sind keine anderen Kriminellen, auch keine Vergewaltiger oder sonstige Perversen. Es sind drei dunkle und unglaublich kräftige Wesen, die ihr das Blut aussaugen und sie wie einen Sack Müll liegenlassen. Für viele Vampiropfer wäre das der sichere Tod gewesen, aber nicht für Silke, die es als Junkie gelernt hat, überleben zu wollen. Sie ändert lediglich den Suchtstoff: Sie wechselt von Heroin auf Menschenblut. Dies besorgt sie sich auf eine hemmungslose und rücksichtslose Art. Allerdings wird immer noch Geld benötigt. Dies kann sie sich durch Ausrauben ihrer Opfer bekommen, aber Lebensunterhalt und der Erwerb neuer Identitäten, da sie als Vampir nicht mehr altert, erfordern ein ganz neues Geschäftmodell. Der Zufall und die Gier der Menschen nach Sex und Anerkennung spielen der inzwischen zeitlos schönen Vampir-Silke in die Hände. Aber sie hätte nicht gedacht, dass es so schwierig ist, Geld zu waschen. So ist nicht der übliche Blausauger-Horror, längst abgenutzt, und auch nicht ein Sexy-Vampir, langweilig geworden, das Spannende an der Novelle, sondern wie es einem quasi unsterblich gewordenen Wesen gelingt, den Alltag in unserer Welt möglichst unauffällig zu organisieren. Das ist charmant gelungen! Dieser Bissen schmeckte blutig, aber gut. Und welcher letzter Akt gemeint ist, sollten Sie lieber selbst herausfinden! Noch eine kleine Warnung: Männer kommen nicht gut dabei weg.

Da wir gerade bei Häppchen sind. Nach schönen Kabinettstückchen wie „Steppenbrand“ und vorliegenden „Biss zum letzten Akt“ ist langsam die Zeit für Nike Leonhard gekommen, sich einem großen Roman zu widmen. So hätte „Silke“ auch ruhig 200-300 Seiten länger sein können. Genug blutsaugende Abenteuer wären drin und ein paar Details mehr zur vampirgerechten Geldwäsche wären auch spannend gewesen. Denn so ein Biss in einer dunklen Ecke kann schlielich jeder mal passieren …

Eure eckzähneschärfende Paula Poppinga

Titelangaben:

Nike Leonhard: Biss zum letzten Akt,
Books on Demand, Februar 2019 – 104 Seiten
ISBN: 3746096243
Codex Aureus 5. 3. Auflage. Paperback.
4,99 €

Weitere Besprechungen abseits des Büchermahlstroms:

  1. Ersticktes Matt
  2. Ein phantastischer Herrenausflug
  3. Ein Weihnachtsgeschenk für Walter
  4. Namen sind Schall und Rauch
  5. Freibeuter der Systeme
  6. Irrlichtfeuer von Julia Lange
  7. Mord mit Schokolade und Kaffee
  8. Steppenbrand
  9. Im Bann der zertanzten Schuhe
  10. Poeamorie: Durchtrainierte Lyrikakrobatik fast gefühlsecht
  11. Die besten zehn Selfpublishing-Titel 2018
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  13. BuchBerlin 2018
  14. Interview mit einem Blutsauger
  15. Herr Jakob träumt
  16. Mai ohne Maikäfer?
  17. Denk ich an die Moritzkirche

P.S.: Ganz vergessen. Wir stellen am liebsten Autoren aus Halle vor, die in die Reihe passen, meldet Euch bitte bei uns und schreibt an die Redaktion.

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