Ausgelesen zwischen den Jahren
8. Januar 2020 | Rezensionen | Keine KommentareGeht es Ihnen auch so? Die Zeit der Feiertage und der Stunden „zwischen den Jahren“ bot viel Zeit und Muße zum Lesen. Da kommt am Ende einiges zusammen. Einiges davon möchte ich Ihnen gerne vorstellen:
Beginnen möchte ich mit Shaun Bythell: Tagebuch eines Buchhändlers (ISBN: 3442718651, Originaltitel: The Diary of a Bookseller. Übersetzt von Mechthild Barth
btb Taschenbuch, August 2019 – 446 Seiten, 11 Euro). Der Autor betreibt das größte Antiquariat Schottlands in Wigtown, genannt „The Bookshop“. Die angebotenen Bücher gehen in die Zehntausende, die Regale sind alle gefüllt bis zur Decke. Das heißt aber nicht, dass der Buchhändler ein reicher Mann ist. Angestellte kann er sich nur stundenweise leisten. Und wer dafür bereit zu arbeiten ist, wirkt zumindest aus Sicht des Besitzers „gewöhnungslbedürftig“. Ach ja, die Kunden! Was da auf einen armen Buchhändler täglich zukommt, härtet ab. Er würde auch nicht mit der Wimper zucken, wenn ein Alien-Shuttle direkt vor dem Haus landen würde, damit die Besucher kostengünstig Bücher auf der Erde einkaufen könnten. Der schlimmste Feind des Buchhändlers ist dieses Lesegerät von diesem Riesenkonzern mit „A“. Da hat der Buchhändler mit dem Gewehr draufgeschossen und sich die Trophäe in den Laden gehängt. Außerdem gibt es noch eine Freundin, einen Kater, herrenlose Autorinnen und Autoren und Leute, die unbedingt ihre Bücher verkaufen wollen und enttäuscht sind, dass diese Ansammlungen nur noch wenig Geld wert sind, selbst wenn sie über 100 Jahre alt sind. Verbringen Sie ein Jahr mit einem launischen Buchhändler, seinen Freunden und Feinden. Sie werden es nicht bereuen und danach mit ganz anderen Augen ihren persönlichen Buchhändlerinnen begegnen, falls Sie noch welche haben. Falls nicht, dann lesen Sie es halt als nostalgische Geschichte aus einer Zeit, als es noch Bücher gab.
Wolkenbruchs Griff nach der Weltherrschaft
Wenn Sie „Er ist wieder da“ gemocht haben, wird Ihnen auch das herrlich verrückte Buch von Thomas Meyer: Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin (ISBN: 3257070802, Diogenes Verlag AG, September 2019 – 275 Seiten, 24 Euro) gut gefallen. Im bereits verfilmten ersten Roman um Motti Wolkenbruch ist dieser von seiner orthodox-jüdischen Familie verstoßen worden, weil er sich mit einer Nichtjüdin, einer Schickse eingelassen hat. Im zweiten Roman hat Motti gar nichts mehr, Familie will von ihm nichts mehr wissen und die Schickse ist er auch los. Da nimmt sich eine Art „Selbsthilfegruppe“ seiner an und entführt ihn in einen Kibbuz nach Israel. Dort werden Orangen angebaut. Aber alles ist nur Tarnung. Denn in diesem Kibbuz hat die „jüdische Weltverschwörung“ ihren Sitz. Was Sie jetzt denken, hat auch Motti gedacht. Aber seine Mitverschörer meinen es ernst und machen ihn auch noch zum Chef. Nun muß er auch noch die „Weltverschwörung“ auf Vordermann bringen. Unerwarteterweise macht Wolkenbruch dabei einiges richtig. Das fällt auch einer Gruppe Nazis in der Alpenfestung „Germania“ auf, die seit dem Krieg ausharren und von dort neuerdings statt mit Waffen die Welt mit der Verbreitung von Hass erobern wollen. Dazu haben sie eine Hassmaschine entwickelt. Der Ausbreitung von Hass steht nur noch Motti und sein kleines Fähnlein im Wege. Die Nazis schicken ihre beste Agentin, um Motti zu erledigen. Aber sie haben nicht mit der israelischen Küche, Mottis Charme und einer jüdischen Mame gerechnet. Und nein: Thomas Meyer ist zwar auch Jude, aber dieses Buch ist nicht autobiografisch.
Das nächste Buch ist etwas älter, und war für einen anderen Feiertag geeigneter: Ray Bradbury: Halloween (ISBN: 3257228627, Originaltitel: The Halloween Tree. ‚Diogenes Taschenbücher‘. 3. Auflage, Diogenes Verlag AG, September 2017 – 171 Seiten, 10 Euro). „Ohne Joe Pipkin ist es kein richtiges Halloween“, wissen seine 8 Freunde und verabreden sich mit ihm bei dem gruseligsten Haus, welches es in der Umgebung ihrer Stadt gibt. Dort ist Schluss mit lustig, denn in dem Haus wohnt Mr. Downground und er führt sie zu den Ursprüngen des Festes. Am Ende müssen sie für sich und ihrem Freund Joe Pipkin eine schwere Entscheidung treffen und nur ihr Anführer Tom Skelitt findet am Ende heraus, wer Mr. Downground wirklich ist. Tom lauschte, winkte zum Abschied und hatte keine Angst. Ein kleines, überaus poetisches Buch, hervorragend geeignet zum Vorlesen am Halloween-Abend und darüber hinaus. Ich durfte nicht aufhören, bis das Buch ausgelesen war.