Alles andere als eine islamophobe Inszenierung: Houellebecqs “Unterwerfung“ am neuen Theater

12. Oktober 2017 | Rezensionen | Keine Kommentare

Michel Houellebecq`s Roman  „Unterwerfung“ warf man vor, er wäre Islam feindlich. Dem hat der Autor immer wieder widersprochen, obwohl er sich nach den Anschlägen von Paris auch äußerte, dass er das Recht hätte, auch einen islamkritischen Roman zu schreiben. Tatsächlich geht das Werk über eine plumpe Islamkritik  hinaus. Es handelt sich vielmehr um die Neigung der Menschen sich autoritären Strukturen unterzuordnen, wenn sie mit der eigenen Freiheit nicht klar kommen.  Wovor Houellebecq warnt, ist  die Umkehr des Kantschen Aufklärungsbegriffs: der Eintritt in die selbstverschuldete Unmündigkeit.

Das Stück ist eine teils gruselige Dystopie, von sarkastischer Ironie durchzogen. In der Inszenierung am neuen Theater kommt dies in mehreren Szenen zur Geltung. Beispielsweise im gespielten Fernsehduell zwischen der Kandidatin Marine Le Pen und dem Kandidaten Mohammed Ben Abbes, einem Mitglied der Moslembruderschaft. Letztendlich sagen beide das gleiche, insbesondere betonen sie die konservativen Werte einer autoritären Ordnung wie Sehnsucht nach traditionellen Familienstrukturen und festem Halt in einer Religion.

Der Protagonist, ein Literaturprofessor namens Francois, wird in seiner mentalen Verwahrlosung sehr überzeugend gespielt von Hagen Ritschel. Die anderen im Roman vielfältigen Rollen teilten sich die Gastschauspielerin Patricia Coridun und der Schauspieler Harald Höbinger. Beide wurden ihren Rollen wunderbar gerecht. Höbinger in der Rolle des Ben Abbes, aber auch in der Rolle des leicht tuntigen Psychotherapeuten. Auch Patricia Coridun gelang es, die unterschiedlichsten Charaktere darzustellen wie Miriam (die zeitweilige Freundin von Francois) aber auch Marine Le Pen, die in ihrer Darstellung auf Angela Merkel anspielte. 

Das Stück ist der Verdienst von Sophie Scherer, der es gelang, den umfangreichen Roman gekonnt auf 100 Minuten Spielzeit zu verdichten. Dabei entstanden eindrucksvolle Szenenbilder, wie der exzessiv masturbierende Francois, die im Publikum groteskes Verlegenheitsgekicher auslösten. Das minimalistische Bühnenbild bestehend aus einer Couch, einem Kühlschrank und einer Mikrowelle, entsprach der Romanvorlage, denn auch Houellebecq hält sich in seinem Roman nicht mit Beschreibungen der Umgebung auf. Er konzentriert sich vielmehr auf die Darstellung seiner egozentrischen, verwahrlosten und zerrissenen Protagonisten. Dem wird die Inszenierung am neuen Theater vollends gerecht.

Eine insgesamt sehenswerte, beeindruckende und in der heutigen Zeit sehr mutige Aufführung. Die ausverkaufte Premiere begeisterte das Publikum und die Rezensenten.

Weitere Aufführungen:

Dienstag, 10. Oktober 2017, 20 Uhr, nt – Kammer AUSVERKAUFT (evtl. Restkarten an der Abendkasse)

Donnerstag, 19. Oktober 2017, 20 Uhr, nt – KammerAUSVERKAUFT (evtl. Restkarten an der Abendkasse)

Samstag, 28. Oktober 2017, 20 Uhr, nt – Kammer KARTEN

Mittwoch, 08. November 2017, 20 Uhr, nt – Kammer KARTEN

Mittwoch, 22. November 2017, 20 Uhr, nt – Kammer KARTEN

Samstag, 25. November 2017, 20 Uhr, nt – Kammer KARTEN

Freitag, 15. Dezember 2017, 20 Uhr, nt – Kammer KARTEN

 

 

 

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