Stadtratsfraktionen kritisieren einhellig das Verhalten von Oberbürgermeister Wiegand in der Rauschenbach Affäre
2. Februar 2018 | Politik | 11 KommentareEin seltenes Bild der Einigkeit: Die Fraktionsvorsitzenden von LINKE, SPD, CDU, Mitbürger und Bündnis 90/Grüne traten heute gemeinsam vor die Presse im Stadthaus. Hintergrund: das Verhalten des Oberbürgermeisters Bernd Wiegand (parteilos) in der Angelegenheit „Beschaffungs- und Auftragsvergabe durch die Unternehmensberaterfirma Rauschenbach“ und sein Auftreten in der Öffentlichkeit. Nach jüngst erschienenen Recherchen der „Städtischen Zeitung“ und des MDR-Magazins „Exakt“ soll Rauschenbach sowohl als Wirtschaftsbeauftragter und Projektsteuerer den überwiegenden Teil städtischer Baumaßnahmen nicht nur gesteuert, sondern sich bzw. mit ihr verbundene Firmen bei der Vergabe der Aufträge begünstigt haben.
Wiegand hat auf die Vorwürfe darauf hin sowohl im MDR als auch auf seiner privaten Homepage mit massiven Angriffen auf Stadträte und auf die Presse reagiert. Im Fokus der Angriffe stand einerseits der Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Bodo Meerheim, dem Wiegand vorwarf, sich an Rauschenbach wegen der Pleite der Kita SKV zu rächen. Dem Redakteur und Online-Zeitungsgründer Felix Knothe hatte Wiegand vorgeworfen, nicht „freier Journalist“, sondern finanziell von der LINKEN abhängig zu sein. Bei den Recherchen der „Städtischen Zeitung“ handele es sich in Wahrheit um eine verdeckte Wahlkampagne des von LINKE, SPD und Grünen aufgestellten Kandidaten Hendrik Lange. (Knothe war von 2006-2009 tatsächlich einmal Mitarbeiter des Landtagsabgeordneten Lange, wandte sich dann aber dem Journalismus zu, unter anderem hatte er auch für die Mitteldeutsche Zeitung gearbeitet (Link))
Stadträte erhalten seit Monaten keine Antwort
Der Stadtrat hatte bereits vor vier Monaten eine Reihe von Fragen an den OB gestellt, die die Vergabepraxis an und mit Rauschenbach zum Thema hatten. Alle Fraktionen sind nun empört darüber, dass diese Fragen bis heute nicht beantwortet wurden.
„Geschmäckle und Vetternwirtschaft“
Auf der heutigen gemeinsamen Presssekonferenz der Fraktionen begann Bodo Meerheim mit einer persönlichen Erklärung. Die Angriffe auf seine Person seien schlichtweg peinlich, er wolle dies gar nicht länger ausführen. Wichtiger sei ihm, die in den Medien erhobenen Vorwürfe zur städtischen Auftragsvergabe rückhaltlos aufzuklären. „Wir können als Stadträte nicht beurteilen, was an den Vorwürfen dran ist, auch können wir deren rechtliche Relevanz nicht prüfen“. Wenn aber etwas an den Berichten dran sei, so habe das ein erhebliches „Geschmäckle“ und den Charakter von Vetternwirtschaft.
Meerheim berichtete, dass die Fraktionen beabsichtigen, einen Unterausschuss im Stadtrat zu bilden, der die Unterlagen – so man sie denn erhalten werde – in aller Tiefe prüfen werde. Scharf verurteilte er auch die Angriffe auf die Pressefreiheit.
Andreas Scholtyssek (CDU/FDP) schloss sich dem an und betonte, die Angriffe des OB seien unsachlich . „Aufgrund der Art und Weise des Angriffs werden wir jetzt erst recht noch härter mit den Untersuchung der Vorgänge beschäftigen“.
„Wir hätten uns eigentlich einen freudigeren Anlass gewünscht, hier gemeinsam aufzutreten“ (Tom Wolter)
Erik Eigendorf (der in Vertretung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Johannes Krause erschienen war, letzter kam später hinzu) sagte, die Angriffe auf den Stadtrat mit Worten wie „Neider“ seien nicht mehr normal, und auf ein solches Niveau wolle man sich nicht hinab begeben. Feigel (Grüne) forderte mehr Transparenz und Tom Wolter (Mitbürger) sagte, er hätte sich eigentlich einen freudigeren Anlaß gewünscht, dass die Fraktionen gemeinsam mit einer Erklärung vor die Presse treten. Aber es komme immerhin klar zum Ausdruck, dass alle erschienen Fraktionen geschlossen gegen Korruption und Vorteilsnahme antreten.
Verschleiern durch „Faktenflut“?
Meerheim ergänzte auf Nachfrage von Pressevertretern, dass der OB offenbar eine besondere Verschleierungstaktik plane: statt nur auf die Anfrage zuu den Rauschenbach-Verträgen 2010-2017 zu antworten, habe der OB im Oktober an gekündigt, einfach alle städtischen Verträge offen zu legen „das wird dann auf eine Verschleierung durch ein Übermaß von Fakten hinauslaufen“, so Meerheim.
HalleSpektrum fragte, ob sich der Landesrechnungshof nicht möglicherweise mit der Angelegenheit beschäftigen werde. Das wisse man natürlich nicht, sagte Johannes Krause, jedoch sei dies vor dem Hintergrund der Presseberichterstattung wahrscheinlich. Schließlich habe ja auch die Kommunalaufsicht die Ansicht des Stadtrates geteilt, dass die Vertragsgestaltung beim Verkauf der Grundstücke im Charlottenviertel nicht rechtens gewesen sei. Und noch eine Bemerkung hatte Krause: „Es wird sich eines Tages heraus stellen, ob Wiegand wirklich so unabhängig ist, wie er immer tut“.
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Wenn man an die vergangenen Finanzskandale des MDR denkt, erscheint dieser nicht geeignet, hier etwas „aufzuklären“. Nochmal: Kommunalaufsicht, Landesrechnungshof oder Gerichte klären auf.
Die Frage ist doch: Was muss er offen legen, dafür gibt es doch Gesetze! Die Denunzianten sind der Meinung, das er nicht im Rahmen der Gesetze gehandelt hat, sollen die sich doch offenbaren, wer immer da eine Statteilzeitung informiert hat, bald wird eine Stelle als Beigeordneter frei!“
Und der MDR ist nicht der Springer Verlag
Der Beigeordnete, welcher sich eigentlich um Finanzen zu kümmern hat, wurde faktisch für externe Aufgaben entmachtet. Sollte eigentlich nicht Herr G. eine Ausschreibung für Projektberater durchführen, wenn es um die Beratung von externen Finanzprojekten geht und nicht zuallererst der OB?
Und auch nur dann, wenn die Verwaltung diese Aufgaben nicht selbst erledigen kann! Hier wird der Eindruck erweckt, dass alles nur durch Herrn Rauschenbach realisierbar wird.
In einem muss man Herrn rauschenbach entschuldigen, er ist Unternehmer und kann und will es sich nicht leisten Aufträge abzulehnen.
@redhall der Stadtrat hat an Wiegand eine Reihe von Fragen gestellt, die die Vergabepraxis an Rauschenbach zum Thema hatten. Welche anonymen Anschuldigungen meinst du also?
Die Frage „Welche Recherche ?“ musst du Wiegand stellen. Er legt ja nichts offen, um die Vorwürfe zu entkräften. Anstatt dessen schießt er scharf auf Stadtrat und Presse. Ich frage mich, wann er begreift, dass er nicht der kleine König ist, sondern mit dem demokratisch legitimierten Stadtrat zusammen arbeiten muss.
Wolli, Stadträte gab es vor 1990 in der Form nicht, nur Stadtverordnete. War nicht Herr Misch einer?
Welche Recherche? Es wurden bisher nur anonyme Anschuldigungen sich zurück gesetzt fühlender Stadtmitarbeiter veröffentlicht. Hat sich nicht schon Daggi bei ihren komischen pplmaa Projekten die Hilfe des Herrn bedient? Hoffentlich wird dann auch alles untersucht!
@Wolli: Wir sind mal einer Meinung!
Nach zwei Diktaturen, wo die Oberbürgermeister von der Partei eingesetzt wurden und die Stadträte deren Entscheidungen nur abzunicken hatten, schäme ich mich nicht unserer Stadträte, sondern bin stolz auf sie. Schämen sollte man sich eher über Meinungen wie sie von ascvwe23 und anderen geäußert werden.
@ascvwe23
Auch als bisheriger Anhänger vom OB muß ich Dir leider sagen: In diesem Fall handeln die Stadträte berechtigt. Der OB kann nicht am Stadtrat vorbeiregieren. Wenn er das nicht lernt und umsteuert, muß ein anderer ran. Leider!
Riosal
Ja, lasst doch den OB unkontrolliert mit unseren Steuergeldern wirtschaften. Wenn das Geld alle ist, drucken wir halt Neues.
ich glaube die Stadträte von Halle können es immer noch nicht verkraften das das Urteil zugunsten von OB ausgegangen ist und nun wird weiter gesucht und sabotiert wo man kann. Egal ob Herr Krause von SPD oder andere, gebt doch einfach mal auf und widmet Euch den Fragen der Stadt und lasst die Angriffe. Es ist nicht schön und ihr wollte die Geschicke einer Stadt leiten, nein ihr seit ein Kindergarten egal welche Fraktion. Euch hat es nicht gefallen und es gefällt Euch nicht das es der jetzige OB damals geschafft hat, obwohl man es seinen Kandidaten gewünscht hätte, leider haben die Bürger der Stadt Halle anders entschieden und euren Traum platzen lassen. Es ist traurig das solche Stadträte über eine Stadt zu entscheiden. Man sollte sich schämen