Stadtratsfraktionen kritisieren einhellig das Verhalten von Oberbürgermeister Wiegand in der Rauschenbach Affäre

2. Februar 2018 | Politik | 11 Kommentare

Ein seltenes Bild der Einigkeit: Die Fraktionsvorsitzenden von LINKE, SPD, CDU, Mitbürger und Bündnis 90/Grüne traten heute gemeinsam vor die Presse im Stadthaus. Hintergrund: das Verhalten des Oberbürgermeisters Bernd Wiegand (parteilos) in der Angelegenheit „Beschaffungs- und Auftragsvergabe durch die Unternehmensberaterfirma  Rauschenbach“ und sein Auftreten in der Öffentlichkeit.  Nach jüngst erschienenen Recherchen der „Städtischen Zeitung“ und des MDR-Magazins „Exakt“ soll Rauschenbach sowohl als Wirtschaftsbeauftragter und Projektsteuerer den überwiegenden Teil städtischer Baumaßnahmen nicht nur gesteuert, sondern sich bzw. mit ihr verbundene Firmen bei der Vergabe der Aufträge begünstigt haben.

Johannes Krause (SPD), Bodo Meerheim (LINKE), Andreas Scholtyssek (CDU/FDP), Tom Wolter (Mitbürger) Christian Feigel (Grüne)

Wiegand hat auf die Vorwürfe darauf hin sowohl im MDR als auch auf seiner privaten Homepage mit massiven Angriffen auf Stadträte und auf die Presse reagiert. Im Fokus der Angriffe stand einerseits der Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Bodo Meerheim, dem Wiegand vorwarf, sich an Rauschenbach wegen der Pleite der Kita SKV zu rächen. Dem Redakteur und  Online-Zeitungsgründer Felix Knothe hatte Wiegand vorgeworfen, nicht „freier Journalist“, sondern finanziell von der LINKEN abhängig zu sein. Bei den Recherchen der „Städtischen Zeitung“ handele es sich in Wahrheit um eine verdeckte Wahlkampagne des von LINKE, SPD und Grünen aufgestellten Kandidaten Hendrik Lange. (Knothe war von 2006-2009 tatsächlich einmal Mitarbeiter des Landtagsabgeordneten Lange, wandte sich dann aber dem Journalismus zu, unter anderem hatte er auch für die Mitteldeutsche Zeitung gearbeitet (Link))

Stadträte erhalten seit Monaten keine Antwort

Der Stadtrat hatte bereits vor vier Monaten eine Reihe von Fragen an den OB gestellt, die die Vergabepraxis an und mit Rauschenbach zum Thema hatten. Alle Fraktionen sind nun empört darüber, dass diese Fragen bis heute nicht beantwortet wurden.

„Geschmäckle und Vetternwirtschaft“

Rauschenbach und Wiegand

Auf der heutigen gemeinsamen Presssekonferenz der Fraktionen begann Bodo Meerheim mit einer persönlichen Erklärung. Die Angriffe auf seine Person seien schlichtweg peinlich, er wolle dies gar nicht länger ausführen. Wichtiger sei ihm, die in den Medien erhobenen Vorwürfe zur  städtischen Auftragsvergabe rückhaltlos aufzuklären. „Wir können als Stadträte nicht beurteilen, was an den Vorwürfen dran ist, auch können wir deren rechtliche Relevanz nicht prüfen“. Wenn aber etwas an den Berichten dran sei, so habe das ein erhebliches „Geschmäckle“ und den Charakter von Vetternwirtschaft.

Meerheim berichtete, dass die Fraktionen beabsichtigen, einen Unterausschuss im Stadtrat zu bilden, der die Unterlagen – so man sie denn erhalten werde – in aller Tiefe prüfen werde. Scharf verurteilte er auch die Angriffe auf die Pressefreiheit.

Andreas Scholtyssek (CDU/FDP) schloss sich dem an und betonte, die Angriffe des OB seien unsachlich . „Aufgrund der Art und Weise des Angriffs werden wir jetzt erst recht noch härter mit den Untersuchung der Vorgänge beschäftigen“.

„Wir hätten uns eigentlich einen freudigeren Anlass gewünscht, hier gemeinsam aufzutreten“ (Tom Wolter)

Erik Eigendorf (der in Vertretung des SPD-Fraktionsvorsitzenden  Johannes Krause erschienen war, letzter kam  später hinzu) sagte, die Angriffe auf den Stadtrat mit Worten wie „Neider“ seien nicht mehr normal, und auf ein solches Niveau wolle man sich nicht hinab begeben. Feigel (Grüne) forderte mehr Transparenz und Tom Wolter (Mitbürger) sagte, er hätte sich eigentlich einen freudigeren Anlaß gewünscht, dass die Fraktionen gemeinsam mit einer Erklärung vor die Presse treten. Aber es komme immerhin klar zum Ausdruck,  dass alle erschienen Fraktionen geschlossen gegen Korruption und Vorteilsnahme antreten.

Verschleiern durch „Faktenflut“?

Meerheim ergänzte auf Nachfrage von Pressevertretern, dass der OB offenbar eine besondere Verschleierungstaktik plane: statt nur auf die Anfrage zuu den Rauschenbach-Verträgen 2010-2017 zu antworten, habe der OB im Oktober an gekündigt, einfach alle städtischen Verträge offen zu legen „das wird dann auf eine Verschleierung durch ein Übermaß von Fakten hinauslaufen“, so Meerheim.

HalleSpektrum fragte, ob sich der Landesrechnungshof nicht möglicherweise mit der Angelegenheit beschäftigen werde. Das wisse man natürlich nicht, sagte Johannes Krause, jedoch sei dies vor dem Hintergrund der Presseberichterstattung wahrscheinlich. Schließlich habe ja auch die Kommunalaufsicht die Ansicht des Stadtrates geteilt, dass die Vertragsgestaltung beim Verkauf der Grundstücke im Charlottenviertel nicht rechtens gewesen sei. Und noch eine Bemerkung hatte Krause: „Es wird sich eines Tages heraus stellen, ob Wiegand wirklich so unabhängig ist, wie er immer tut“.

 

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