Stadtmarketing: viele Fragezeichen
29. September 2012 | Politik | 12 KommentareDie am Montag von der Gesellschafterversammlung des Stadtmarketings beschlossene Vertragsverlängerung mit Geschäftsführer Stefan Voß wackelt. Nach heftigen Protesten in der nichtöffentlichen Ratssitzung hat die Verwaltung einen Rückzieher gemacht, hieß es von Räten.
Am Freitag nun hat es Wirtschaftsdezernent Wolfram Neumann offiziell gemacht. „Der Geschäftsführer hat zugestimmt, dass über die Entscheidung zur Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers Einvernehmen mit dem Hauptausschuss hergestellt wird“, schreibt Neumann. Im November soll es soweit sein. „Die Unterzeichnung des Anstellungsvertrages wird erst im Nachgang zum Einvernehmen erfolgen. Ich bin davon überzeugt, dass aufgrund der zur Zeit laufenden Diskussionen in der Öffentlichkeit ein klares Votum des Hauptausschusses Klarheit schafft. Die weiteren Gesellschafter der SMG sind über dieses Vorgehen informiert.“
Die Stadträte fühlten sich von der plötzlichen Vertragsverlängerung um fünf Jahre überrumpelt und wollen ein Wörtchen mitreden. Voß soll sich nun in den Fraktionen noch einmal zu Wort melden, dort unter anderem seine Konzepte erläutern. Doch auch viele offene Fragen wollen die Räte beantwortet wissen. Ein Punkt ist dabei zum Beispiel das von Ströer zur Verfügung gestellte Werbemittelkontingent von 250.000 Euro. „Wir wollen seit langem wissen, welche Werbekampagnen daraus bestritten werden“, sagte ein Stadtrat. „Trotz mehrfacher Nachfragen haben wir noch keine Auskunft erhalten.“
Kritisch nachgebohrt wird sicher auch wegen einer pikanten Personalie: der Stelle, die die junge Freundin von Wirtschaftsdezernent Wolfram Neumann seit 1. September ausfüllt. SMG-Chef Stefan Voß hatte in einem Interview mit der Mitteldeutschen Zeitung erklärt, die Stelle Leitung der „neuen Abteilung Tourismus“ sei neu geschaffen worden. Im Stellenplan für 2011und 2012, entnommen aus dem Wirtschaftsplan der SMG, sind in der Abteilung Tourismus zwei Leitungspositionen vorgesehen und besetzt. Neu im Stellenplan für 2012 ist dagegen die Vertriebsdirektion zur Akquise von Vertriebspartnern, Kongressen und Tagungen und Vertrieb von SMG-Paketen. Diese neu geschaffene Stelle ist offensichtlich noch unbesetzt. Jedenfalls findet sich auf der Homepage des Stadtmarketing niemand, der diese Stelle ausfüllt.
Noch viel interessanter wird die Geschichte mit einem Blick in die Vergangenheit. Im Mai 2011 hatte Voß einer langjährigen Mitarbeiterin fristlos betriebsbedingt gekündigt, weil angeblich die Stelle nicht mehr existiere. Auch im Arbeitsgerichtsprozess im August 2011 soll Voß dies wieder behauptet haben. Die Richter jedenfalls stellten fest, dass die Kündigung unrechtmäßig war. Geeinigt hat man sich schließlich auf eine Abfindung und Nachzahlung der ausstehenden Gehälter. Die gekündigte Mitarbeiterin hatte sich zwischenzeitlich einen neuen Job bei der Arche Nebra gesucht. In Interviews erklärte Voß, sich seit einem Jahr um seine neue junge Mitarbeiterin bemüht zu haben. Und das für eine Stelle, die er kurz zuvor gestrichen hat….
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Nichts ists mit höherer Summe für Tabakwerbung, Schulze!
Die Werbung gehört komplett abgestellt!! Vor allem dort, wo Kinder ihren Schulweg haben.
Vielleicht einigt man sich ja auch auf eine private haftung für Abfindung und Lohnnachzahlungen; schließlich waren die das „Verdienst“ des sauberen Herrn… (natürlich wieder auf Kosten der Stadt und ihrer Bürger…)
Für den Stroer-Vertrag zum Tabakwerben sollte man allerdings mal die Summe erhöhen…
Mit der vorigen Firma Deutsche-Städte-Reklame (DSR) , die in Stöer aufgegangen ist, galt, dass die Benutzung städtischer Laternen, Grundstücke etc. zur Wahlwerbung kostenfrei benutzt werden konnte. Kommunalpolitiker machen ja kaum andere öffentliche Plakatwerbung, deshalb gab es keinen Interessenkonflikt mit der DSR. Ich denke das ist mit Stroer auch so.
Als Kommunalpolitiker wird man sich nicht mit Stroer anlegen, denn schließlich braucht man die Firma, um kostengünstig Wahlwerbung plakatieren zu können.
Danke Enrico, da sieht man eben, was mann von längerfristigen Verträgen hat, oder besser, haben kann.
@wolfgangstauch: weil die Stadt einen längerfristigen Exklusivvertrag mit Ströer unterzeichnet hat
Hier stinkt so viel zum Himmel, dass man Wiegand nur viel Erfolg wünschen kann, diese Verstrickungen zu zerschlagen.
Wieso hat die Stadt Halle keine Wahl zu Stroer? Das ist mir völlig ünverständlich. Und wieso ist bei diesem „Bewerber“ die Tabakwerbung so im aggressiv im Vordergrund?
Danke, spontan fällt mir da ein das man das überragende Alleinstellungsmerkmal Herrenhandtasche im Absatz mit einer Plakataktion so richtig ankurbeln könnte. 🙂
@Nachrichtenticker: die Stadt erhält ein Frei-Kontingent zur Plakatierung im Umfang von 250.000 Euro.
Vielleicht tritt er nun von selbst zurück. Vielleicht war das ganze aber auch ein von langer Hand ausgeklügelter Plan, um selbst noch die eigene Abfindung kassieren zu können (immerhin für 5 Jahre Beschäftigung ein halbes Jahresgehalt!). Das wird allerdings nur Herr Voß allein wissen…
Stroer hat nahezu flächendeckend eine einzigartige Monopolstellung in der Bewerbung im öffentlichen Raum und schließt daher nur direkte, auf lange Zeit ausgelegte Verträge mit den Kommunen selbst ab. Die Konditionen sind vergleichsweise sehr hoch (Wildplakatieren oder die Werbung auf Privatgrundstücken an Bundesstraßen kostete nur einen Bruchteil). Kartellrechtlich hart an der Grenze. In Halle gab es einige Kampagnen, die das ganze Jahr über immer wieder liefen (Verliebt in Halle) und natürlich aktuelle Events (z.B. Salzfest, Weihnachtsmarkt, Laternenfest). Allein durch die Firma Stoer beworben. Leider hat die Stadt an dieser Stelle keine andere Wahl, als auf Stroer zurückzugreifen.
@Enrico
Danke fürs dran bleiben, wenn man das so alles liest würde mich inzwischen auch mal interessieren wie die Inhaber der Dorint Gruppe es so finden wie gewöhnliche Angestellte glauben Personalpolitik betreiben zu können. Es ist schon wirklich arg frech wie offensichtlich da Absprachen getroffen worden.
Was genau ist mit den Stroer Geldern gemeint ? Ist es die „normale“ Bezahlung für die Abtretung des Werberechts oder sind das noch andere Gelder ?