Stadt verbietet Kohle-und Ölheizungen bis 2026: Rat beschließt klimapolitisches Leitbild
29. März 2023 | Politik | 13 Kommentare
verbot kohleofen
Mit 32-Ja und 15 Nein-Stimmen ist der Antrag für ein verstärktes Klimaleitbild angenommen worden. Die Stadt soll „deutlich vor 2040“ klimaneutral werden, heißt es in dem Leitbild. Danach ist für viele Bürger in drei Jahren der „Ofen aus“, zumindest, wenn er defekt ist und ein neuer her muss: Der Einbau von Kohle- oder Ölheizungen ist im Stadtgebiet dann ganz verboten.
Das energie- und klimapolitische Leitbild der Stadt Halle hat das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2040 um nahezu 100% im Vergleich zu 1990 zu reduzieren und den Anteil an erneuerbaren Energien zu erhöhen. Um dies zu erreichen, sind mehrere Maßnahmen anvisiert: so der Ausbau des Fernwärmesystems, das Verbot von Öl- und Kohleheizungen sowie die Umstellung auf Ökostrom und der Ausbau von Wasserstoff-Tankstellen für den Verkehr. Mehr noch: die Stadt Halle soll auch eine sozial, ökonomisch und ökologisch verträgliche Anpassung an den Klimawandel erreichen und sich selbst als öffentliches Vorbild für effizienten Ressourcenverbrauch und Klimaschutz positionieren. Die Stadtentwicklung soll entsprechend diesen Zielen ausgerichtet werden.
Dies ist der Wortlaut des beschlossenen Leitbildes der Stadt Halle:
Energie- und klimapolitisches Leitbild der
Stadt Halle (Saale) 2023
Das energie- und klimapolitische Leitbild der Stadt Halle (Saale) ist richtungsweisend für eine nachhaltige und klimagerechte kommunale Entwicklung und Grundlage für integrierte Klimaschutzund Klimaanpassungsziele der Kommune. Die Energie- und Klimapolitik der Stadt Halle (Saale) orientiert sich an den folgenden fünf Grundsätzen:
1. Die Stadt Halle (Saale) setzt sich zum Ziel, die Treibhausgas-Emissionen gegenüber 1990 deutlich zu reduzieren, die Kraft-Wärme-Kopplung auszubauen und den Anteil an erneuerbaren Energien zu erhöhen. Sie stützt sich hierbei insbesondere auf den zukunftsweisenden Ausbau des Fernwärmesystems mit seinen hocheffizienten KWK-Erzeugungsanlagen, auch außerhalb der bestehenden Satzungsgebiete. Der Ausstoß an Treibhausgasen im Stadtgebiet wird bezogen auf das Basisjahr 1990 bis zum Jahr 2040 um nahezu 100% reduziert. Dazu setzt sich die Saalestadt folgende Ziele in den einzelnen Sektoren:
Wärme: Ab 2026 besteht ein grundsätzliches Verbot zum Einbau von Öl- und Kohleheizungen im Stadtgebiet. Bis 2030 werden dezentrale und verbrauchernahe Erzeugungs- und Versorgungsanlagen für grünen Wasserstoff aufgebaut. 2030 werden 30% und 2040 werden 100% des Wärmebedarfs im Stadtgebiet aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt. Dazu werden die Kraftwerke bis 2040 in ein regionales Wasserstoffleitungsnetz eingebunden und die Infrastruktur zur flächendeckenden sektorenübergreifenden Wasserstoffversorgung aufgebaut.
Strom: Bis 2022 wird die Stromerzeugungskapazität der Stadt Halle (Saale) von ca. 200 MW vollständig aus erneuerbaren Energien aus lokalen, regionalen und überregionalen Anlagen generiert. Bis 2026 erfolgt die Umstellung aller Einrichtungen des Stadtkonzerns und bis 2035 des gesamten Stadtgebiets auf 100% Ökostrom.
Verkehr: Bis 2030 erfolgt die Umsetzung von Musteranwendungen im Verkehr sowie der Ausbau des Wasserstoff-Tankstellennetzes für grünen Wasserstoff. Parallel dazu werden in diesem Zeitkorridor die verkehrsbedingten Treibhausgas-Emissionen um 40 Prozent reduziert.
2. Die Stadt Halle (Saale) strebt die sozial, ökonomisch und ökologisch verträgliche Gestaltung und Anpassung an den Klimawandel an. Darunter versteht sie den Schutz der Bevölkerung vor Extremereignissen, die Reduzierung der physischen Verwundbarkeit der Infrastruktur, den Erhalt der Lebensqualität und der Vielfalt der natürlichen Lebensgrundlagen unter veränderten klimatischen Bedingungen.
3. Die Stadt Halle (Saale) verpflichtet sich zur kontinuierlichen Steigerung der Energieeffizienz und zum nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. Sie sieht u. a. in der energetischen Optimierung im verkehrlichen und im baulichen Bereich, bei der energetischen Umgestaltung der öffentlichen Straßenbeleuchtung, im Aufbau einer klimafreundlichen Mobilität, in der Verringerung des Ressourcenumsatzes und in der Förderung der regionalen Wirtschaftskreisläufe einen wesentlichen Bestandteil ihres Profils. Damit übernimmt sie aktiv die Verantwortung für kommende Generationen zur Entwicklung einer klimagerechten und energieeffizienten Stadt.
4. Die Stadt Halle (Saale) bekennt sich zu ihrer öffentlichen Vorbildfunktion im effizienten Umgang mit Ressourcen und im Klimaschutz. Sie setzt in ihrem Einflussbereich Maßnahmen um, die diesem Bekenntnis Glaubwürdigkeit verleihen und motiviert die Bevölkerung zum ressourcenbewussten Handeln. Sie unterstützt aktiv die Beratung von Einwohnerinnen und Einwohnern, von Unternehmen und von Institutionen über die Möglichkeiten einer nachhaltigen Energieversorgung und -nutzung.
5. Die Stadtentwicklung, insbesondere die Flächennutzungs-, Bebauungs-, Gebäude-, Verkehrs- und Energieversorgungsplanung, sowie Bau- und Sanierungsvorhaben werden an diesen Zielen ausgerichtet wie die kommunalen Tätigkeiten in den Bereichen Kultur, Soziales und Ökonomie. Die Stadt Halle (Saale) schreibt zur Umsetzung dieser Ziele in einem kooperativen und partizipativen Prozess geeignete Maßnahmen im Integrierten Kommunalen Klimaschutzkonzept fest. Dabei konzentriert sie sich mindestens auf die Handlungsfelder Stadtentwicklung, private Haushalte, lokales Gewerbe, kommunale Einrichtungen, Energieversorgung und Verkehr. Sie überprüft regelmäßig, ob die Rahmenbedingungen zur Umsetzung des Energie und klimapolitischen Leitbilds und des Klimaschutzkonzeptes gegeben sind.
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Wir werden zukünftig weniger Erdgas und dafür mehr Wasserstoff verbrennen; so zumindest die Planungen von Habeck.
Micha06: Man sollte das eine tun, ohne das andere zu lassen: Wasserstoff wird ja dringend benötigt, ist aber zu schade zum Verbrennen. Ohne Wasserstoff keine Ammoniaksynthese, also auch kein Dünger. Bei der Wasserstoffelektrolyse anfallende abwärme kann man dann für Fernwärme, besser aber für „Nahwärme“ nutzen (wegen der geringeren Vorlauftemperatur). Benötigt man höhere Temperaturen, kann man die Abwärme aus der Elektrolyse mit einer Wärmepumpe „hochpushen“.
@hei-wu Das ist wirklich interessant. Ich glaube im technischen Bereich ist die EVH gar nicht so schlecht aufgestellt. Allerdings ist es wahrscheinlich verlustfreier, aus „überschüssigem“ Strom Wärme zu erzeugen und zu speichern, sofern man einen Wärmespeicher hat als den Umweg über Wasserstoff zu gehen.
Bis solche Erkenntnisse auch bei der EVH ankommen, dürften noch Jahrzehnte vergehen:
https://asue.de/aktuelles_presse/abwaermenutzung_elektrolyse_projekte_gesamtwirkungsgrad
„Unfug“ ist höflich formuliert. Es ist der schlechteste Handlungsleitfaden einer Kommune, den ich in den letzten 30 Jahren gelesen habe. Besser nicht als grottenschlecht.
„Nicht nur Dich! Dagegen ist sogar elektrische Direktheizung viel energieeffizienter.“
Fernwärme war schon immer nur unter der Bedingung effizient, dass die Abwärme genutzt wird. Auch wenn wir noch so viele Windräder aufstellen, muss heute Erdgas und zukünftig Wasserstoff die Lastschwankungen ausgleichen. Die Abwärme sollte tunlichst in der Fernwärmeversorgung genutzt werden.
Irgendwie finde ich es lustig, dass hier wirklich alle Unzufrieden sind. Aber nichts anderes würde den Stadtrat besser beschreiben.
»Mich regt am meisten auf, wie man glauben kann, Wasserstoff sei zum Verbrennen in Heizkraftwerken da.«
Nicht nur Dich! Dagegen ist sogar elektrische Direktheizung viel energieeffizienter. Die EVH hat da mit dem Power2Heat Projekt (40 MW) sogar schon gewisse Grundlagen geschaffen, die durchaus noch ausbaufähig sind.
„Nach der Beschlussvorlage hat das Leitbild keine finanziellen Auswirkungen“.
Das ist natürlich Unfug, wie leider so Vieles, was in dem Papier steht. Mich regt am meisten auf, wie man glauben kann, Wasserstoff sei zum Verbrennen in Heizkraftwerken da. Es ist einfach traurig, so einen naturwissenschaftlichen Unsinn lesen zu müssen. Das ist Provinzpolitik ohne einen Funken Sachverstand.
Nach der Beschlussvorlage hat das Leitbild keine finanziellen Auswirkungen.
Die wollen offensichtlich keine Maßnahmen zur Erreichung der Ziele umsetzen. Träumereien aus dem Märchenbuch. Logisch, dass die Stadträte aller Fraktionen nicht über die Machbarkeit diskutiert , sondern nur leere Sprechblasen von sich gegeben haben.
Das papier stammt naoch aus 2022, die Grünen hatten auf der Ratsitzung beantragt, das Wort 2022 durch „2023“ zu ersetzen. Das war der einzige Änderungsantrag,. Der wurde auch angenommen, aber offenbar hat noch niemand auch „Suchen und Ersetzen“ geklickt.
Sollte es jemanden geben, der diesen Stadtrat noch ernst nimmt, wird auch der letzte mit einem ausgesprochen dummen Papier eines besseren belehrt. Es wird ein Ziel für das Jahr 2022 beschlossen, das im Jahr der Beschlussfassung 2023 nicht erreicht ist.
„Bis 2022 wird die Stromerzeugungskapazität der Stadt Halle (Saale) ….“
Schon geil. Finanziell völlig abgehängt aber versuchen andere die deutlich besser aufgestellt sind zu überbieten. Natürlich nur auf die Kosten der eigenen Bürger. Getreu dem Motto „Dann sollen sie Kuchen essen.“.
»Ausbau von Wasserstoff-Tankstellen für den Verkehr« 🤦♂️🤦♂️🤦♂️
Wer hat denn da den Schuss nicht gehört? Woanders werden Wasserstofftankstellen rückgebaut.
Wer in der Stadt ist auf die Idee gekommen und – hat es keinen Widerspruch/keine Diskussion gegeben? Unglaublich!!