Update: Rassistischer Überfall auf liberianische Familie in Merseburg

7. Oktober 2016 | Politik | 13 Kommentare

Die Polizei: Gefährliche Körperverletzung in Merseburg

In der Straße Unteraltenburg in Merseburg ist es gestern zu einer Straftat gekommen. Geschädigt sind ein 44-jähriger Mann aus Liberia, eine 47-jährige Frau aus dem Saalekreis die mit dem Mann zusammenlebt sowie der Enkeljunge der Frau, welcher 5 Jahre alt ist und in Halle (Saale) wohnt. Alle drei Opfer wurden bei der Tat verletzt und mussten ärztlich versorgt werden. Der Mann konnte noch gestern Abend das Krankenhaus verlassen. Die Frau verließ heute Vormittag die Klinik und das Kind ist derzeit noch dort.
Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen befanden sich die drei Geschädigten in der Wohnung des Afrikaners. Etwa gegen 19:40 Uhr klingelte es dort. Der Mann öffnete und stand zwei anderen Männern gegenüber. Unmittelbar soll man ihn attackiert haben. Die Tätlichkeiten haben sich dann wohl in der Wohnung des Opfers fortgesetzt. Die Lebensgefährtin kam ihrem Partner zu Hilfe und wurde ebenfalls angegriffen. Im Zuge des Angriffes trug auch das Kind eine Verletzung davon. Bei der Tat haben die beiden Angreifer einen Teleskopschlagstock sowie einen Schlagring mitgeführt und diese benutzt. Sie verließen nach der Tat die Wohnung.
Als die Polizei vor Ort eintraf, wurden die drei Geschädigten angetroffen. Noch während der Sachverhaltsaufnahme kehrte einer der Tatverdächtigen, ein 63-jähriger Merseburger zum Ort des Geschehens zurück. Dieser war stark alkoholisiert. Ein durchgeführter Atemalkoholtest warf einen Wert von über 2,5 Promille aus. Gegenüber den Polizeibeamten äußerte sich dieser Mann fremdenfeindlich.
Im weiteren Verlauf konnte die Polizei auch den anderen Tatverdächtigen ausfindig machen. Bei ihm handelt es sich um einen 47-jährigen Mann aus Merseburg. Auch er war stark alkoholisiert. Der Atemalkoholtest zeigte bei ihm einen Wert von über 2 Promille an.
Die Polizei hat beide Männer vorläufig festgenommen. Auch konnten die Tatmittel sichergestellt werden.
Heute wurden die beiden Merseburger von der Polizei vernommen. Der Jüngere von ihnen bestritt eine Tatbeteiligung. Der Ältere räumte einen tätlichen Angriff ein. Er gab an, dass er den Afrikaner zur Rede stellen wollte, weil dieser des Öfteren lautstark Musik hören würde. Dabei ist es dann zur Tat gekommen.
Nach gründlicher Prüfung konnte kein Haftgrund festgestellt werden, so dass die beiden Festgenommenen nach Beendigung der polizeilichen Maßnahmen entlassen wurden.
Die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft werden fortgeführt wegen gefährlicher Körperverletzung, Hausfriedensbruch, Verstoß gegen das Waffengesetz und Sachbeschädigung. Eine fremdenfeindliche Motivation kann nicht ausgeschlossen werden. Die Ermittlungen werden vom Fachkommissariat Polizeilicher Staatsschutz der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd geführt.

Reaktion der Landtagsfraktion >die Linke<

Wie die „Magdeburger Volksstimme“ heute berichtet, wurde eine eine Familie aus Liberia in ihrer Wohnung überfallen. Es handelt sich offenbar um eine rassistisch motivierte Straftat. Die Täter, zwei alkoholisierte Männer mittleren Alters, hatten bei der Familie an der Wohnungstür geklingelt und sogleich nach Öffnen der Tür mit einem Schlagstock und Schlagring angegriffen.

Dazu erklärt heute die migrations- und asylpolitische Sprecherin der Fraktion „die Linke“, Henriette Quade:

„Viele Menschen, die das Agieren der AfD nicht nur aber gerade auch in Sachsen-Anhalt beobachten, zeigten sich in den letzten Monaten entsetzt über deren Rhetorik, deren in Teilen offen rassistische und faschistoide Argumentation, deren Hass auf alles, was zu einer offenen Gesellschaft gehört, deren unverhohlene Hetze gegen alle, die sie als nicht dazugehörig kennzeichnen wollen.

Mit der Radikalisierung der Sprache, mit der Steigerung der Aggressivität geht seit Monaten eine dramatische Zunahme der Angriffe auf vermeintlich Nichtdeutsche einher. Das zeigt: Worten folgen Taten, wer zum Hass aufstachelt, der ist auch für solche Taten verantwortlich.

Erneut ist Merseburg Tatort geworden und erneut scheint die Gewalt, die der Familie angetan wurde, besonders brutal und entgrenzt zu sein. Unsere Gedanken sind bei den Betroffenen, und wir wünschen ihnen schnellstmögliche Genesung. Eine Besserung der psychischen Folgen eines solchen Angriffes hängt auch davon ab, wie Gesellschaft reagiert: Solidarität, Sicherheit und Schutz für die Betroffenen und eine klare Verurteilung der Täter- gesellschaftlich, politisch und juristisch – sind wichtiger denn je.

So bestürzend und alarmierend die Ereignisse in Merseburg sind – die Dimension rechter Gewalt ist leider nicht neu. All jene, die sich angesichts der Ereignisse am 3. Oktober 2016 in Dresden überrascht ob des barschen Tons gegenüber Politikerinnen und Politikern zeigten, müssen sich fragen lassen, in welcher Welt sie eigentlich bisher gelebt haben.
Die Angriffe von Merseburg machen einmal mehr deutlich: Asylsuchende, Menschen, die als Nichtdeutsche wahrgenommen werden und jene, die sich Nazis entgegen stellen sind an vielen Orten weitgehend schutzlos. Nicht selten müssen sie sich Verdächtigungen erwehren, selbst schuld zu sein, nicht selten müssen sie darum kämpfen, dass ihnen geglaubt wird, nicht selten stehen sie allein. Sie sind es, die am stärksten unter den Folgen der Hassrhetorik zu leiden haben und die Solidarität einer demokratischen Gesellschaft am aller nötigsten brauchen.

Politik muss dem endlich Rechnung tragen und Hassverbrechen schnell und konsequent aufklären und ahnden, rechte und rassistische Tatmotive benennen und juristisch besonders würdigen, die Strukturen der Opferhilfe verstärken und ausbauen und vor allem: rechte Diskurse und Parolen zurückweisen, statt sie zu übernehmen.“

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