Nach Grubenunglück in Teutschenthal: Bürgerinitiative wehrt sich gegen weitere Einlagerung von Gefahrstoffen
14. November 2019 | Politik | 8 Kommentare
GTS
Nach der Verpuffung, die sich unter Tage bei der Versatztätigkeit der Firma GTS Grube Teutschenthal Sicherungs GmbH & Co. KG (GTS) in Teutschenthal am Freitagvormittag, dem 8. November 2019, ereignete, konnten alle Bergleute gerettet werden (Hallespektrum berichtete). Das sei eine gute Nachricht, erklärt auch die „Bürgerinitiative gegen eine Giftmüllregion Halle(Saale) e.V.“ Die Initiative vertritt viele Anwohner der Grubenanlage, die sich wegen Geruchsbelästigung und Gesundheitsgefahren beschweren, die von Ausdünstungen der Grube ausgehen. Diese Ausdünstungen ruhen von eingelagertem „Versatz“ her, sprich Sonder- und Giftmüll, mit dem das ehemalige Kalibergwerk unter Tage verfüllt wird.
Die Initiative erklärt hierzu aber weiter: „Durch die für die GTS profitable Versatztechnologie, bei der Giftmüll in die alten Kali- und Steinsalzabbaue eingebracht wird, sind aber nach wie vor die Menschen und die Umwelt der Region durch Ausgasungen und Filterstäube belastet. Wir wissen bis heute nicht
vollumfänglich, welche Stoffe wieder an die Tagesoberfläche gelangen. Unsere Bemühungen, belastbare und glaubwürdige Belege für die Ungefährlichkeit der
Ausgasungen zu erhalten, scheiterten bisher. Das gegenwärtige Problem wird lediglich auf die Geruchssituation reduziert. Nicht die Gerüche sind das vordergründige Problem, sondern die vielen Giftstoffe, die für sich und/oder durch neu entstandene chemische Verbindungen bei den ablaufenden Reaktionen unter Tage so gefährlich sind. GTS, LAGB (Landesamt für Geologie und Bergwesen) und Wirtschaftsministerium erwecken den Eindruck des
Hinhaltens und Beschwichtigens. Die nun eingeleitete Rasterbegehung nach GIRL wird ein weiteres Jahr dauern, ohne dass sich für die Menschen und die Umwelt der Region etwas verändert.
Die Tatsache, dass auch viele überregionale Medien das Teutschenthaler Unglück meldeten und vor Ort nachfragten, deutet auf eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit bezüglich der Unvernünftigkeit des Giftmüllversatzes in Salzbergwerken hin. Alte Salzbergwerke eignen sich wegen der Gefahr von Wassereinbrüchen nicht für die Einlagerung von Giftstoffen, da künftig die Biosphäre kontaminiert werden kann. „Langzeitsicherheitsnachweise“ sind daher
nur Langzeitsicherheitswünsche.
Den laut Langzeitsicherheitsnachweis ausgeschlossenen Kontakt mit der Biosphäre belegen schon jetzt die nicht endenden Ausgasungen und Feinstaubfreisetzungen sowie das „Verpuffun s“-Unglück vom 08.11.2019 selbst, bei dem zum Unglückszeitpunkt von Anwohnern „verbrannte Gerüche“ über Tage wahrgenommen wurden.
Schornstein dient nur der Beschwichtigung
Der geplante Bau eines Schornsteins, der die „Geruchsbelästigung im Umfeld“ senken soll („Mitteldeutsche Zeitung“ vom 09.11.2019), hat nach Auffassung der Bürgerinitiatve die Aufgabe, Proteste der Angersdorfer Bürger zu verhindern. Die dann weiträumiger verbreiteten und somit verdünnten Ausgasungen und Stäube, die damit die Stadt Halle erreichen werden, sollen die Belastungen für die Angersdorfer Anwohner minimieren – so haben das LAGB und Wirtschaftsministerium es genehmigt. Dies steht in Widerspruch zur Festlegung, dass Angersdorf das Frischlufteinzugsgebiet für die Stadt Halle bildet, was
recherchiert werden kann. Aus Vorsorgegründen sind für die Gesundheit der Anwohner, wie bei jeder industriellen Anlage, Filter einzusetzen. Der Begründung, dass Vorsorgemaßnahmen bei einem Bergwerksbetrieb nicht notwendig seien, widerspricht der Versatztätigkeit und das Ablaufen
chemischer Reaktionen der giftigen Abfallstoffe. In diesem Bergwerk erfolgt kein bergmännischer Abbau eines Rohstoffs, sondern die Deponierung von giftigen Stoffen, die ohne spezielle Absicherung nicht an der Oberfläche gelagert werden können, ohne eine Umweltbelastung hervorzurufen. Offensichtlich wird der Giftstoffversatz technologisch nicht beherrscht, weshalb es zu der sogenannten „Verpuffung“ kam, bei der laut Pressekonferenz der Polizei und der GTS ein Bergmann durch „herumfliegendes Gestein im Gesicht“ verletzt wurde.
Notwendigkeit der Giftmülleinlagerung angeblich alternativlos
„Giftmülllager gegen Gebirgsschlag“ war eine Überschrift in der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom Tag nach der „Verpuffung“ (09.11.2019). Die Diktion auch vieler Veröffentlichungen anderer Medien ist, dass der Versatz mit Giftmüll alternativlos sei: Nur mit den Stoffen, die die GTS derzeit einlagert, könne man einen Gebirgsschlag verhindern. Dem widerspricht die Bürgerinitiative und Anwohnerschaft nachdrücklich. Die Mitglieder der Bürgerinitiative fordern erstens einen sofortigen Stopp des Giftmüllversatzes, auch weil eine benannte Ungefährlichkeit der Ausgasungen bis heute von unabhängigen Gutachtern nicht nachgewiesen wurde!
Initiative fordert: Einklagerung ungefährlichen Mülls statt problematischer Abfälle
Die zweite Forderung lautet deshalb, die umgehende Entwicklung einer Technologie für den Versatz mit ungefährlichen Stoffen (Haldenmaterial, Bauschutt) zu beginnen! Es stimmt auch nicht, dass der Versatz mit ungefährlichen Stoffen Arbeitsplätze vernichte, wie die GTS behauptet. Er ist nur bei weitem nicht so profitabel. Noch schlimmer scheint es zu werden, wenn die GTS künftig „freigemessene“ Abfälle als Bergversatz einbringt, ebenso sogenannte „ASSE- Abwässer“ aus den alten Salzstöcken der ASSE aus Niedersachsen, wo eingelagerter Atommüll das Grundwasser im angeblich trockenen Bergwerk kontaminiert hat. „Freigemessene“ Abfälle sind „Rückbaumassen kerntechnischer Anlagen“, also radioaktive Abfälle von AKW- und KKW-Abrissmaßnahmen,
die solange konditioniert (verdünnt) werden, bis sie einen sogenannten Schwellenwert von höchstens 10 Mikrosievert pro Jahr als „zulässigen“ Grenzwert ausweisen. „Freigemessen“ bedeutet aber nicht, frei von Radioaktivität. Diese verschwindet nicht, indem man sie per Gesetz unkenntlich macht. Wissenschaftlicher Konsens ist inzwischen, dass es keine für den menschlichen Organismus unschädliche Radioaktivität unterhalb eines Schwellenwertes
gibt.
Angst vor radioaktiven Abfällen
Die GTS plant den Versatz „freigemessener“ Abfälle. Dazu hat sie aktiv an der Gesetzesänderung der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) mitgewirkt. Die Anwaltskanzlei Versteyl (avr) hat im Auftrag der GTS eine Stellungnahme zum Referentenentwurf und einen Vorschlag zur Formulierung für eine Novelle der Strahlenschutzverordnung „Entsorgung von spezifisch freigegebenen Rückbaumassen kerntechnischer Anlagen-Verwertung im Versatzbergwerk als langzeitsichere, gleichwertige Alternative zur Deponierung“ erarbeitet und Formulierungsvorschläge zur Novelle der Strahlenschutzverordnung erarbeitet.
Das Umweltbundesamt hat die Strahlenschutzverordnung mit Wirkung zum 31.12.2018 neu gefasst. Demnach ist nun eine Freigabe von radioaktiv kontaminierten Stoffen im Einzelfall auch für den Einsatz in Grubenbauen nach der Versatzverordnung möglich.
Wir fordern somit drittens den sofortigen Stopp des Versatzes mit „freigemessenen“ Abfällen und „ASSE-Abwässern“!
„Gesundheit nicht verhandelbar“
Die genannten drei Forderungen richten die Mitglieder der Bürgerinitiative an die verantwortlichen Entscheidungsträger im Land Sachsen-Anhalt, die für die Genehmigung zuständig sind. Die Gesundheit der Menschen ist nicht verhandelbar. Das müssen die Verantwortlichen endlich akzeptieren.
Der 8. November 2019 sollte nicht nur Anstoß zur Verhinderung weiterer Unglücksereignisse sein, bei denen Menschen unmittelbar zu Schaden kommen. Über die Sicherheit der Einlagerungstechnologie ist vielmehr ernsthaft nachzudenken. Leider wurde der Versatzbetrieb bereits am 11.11.2019 mit Genehmigung des LAGB wieder aufgenommen, obwohl die Ermittlungen zum Unglück noch laufen. Die Unglücksursache ist daher viertens lückenlos aufzuklären und es sind sofortige Konsequenzen bezüglich der Genehmigungen zu ziehen.“
(Text: Erklärung der BI, Zwischenüberschrift und Einleitung Red.)
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@cerberus: Die Webseite der GTS ist mir bekannt.
Das ist nicht mein „Arbeitgeber“.
War es auch nie.
Atommüll wird dort nicht eingelagert: https://www.grube-teutschenthal.de/web/gts.nsf/id/pa_deklarationsanalyse.html
Die Bürgerinitiative wurde vor Jahren vom ehemaligen, abgesetzten und abgewählten Bürgermeister Teutschenthals, Wunschinski, damals noch MdL, gemeinsam mit Haseloff, konstruiert.
Ich war dabei. Bilder davon habe ich.
Zudem: Ich war fünf Jahre lang, fast täglich, sonntags nicht, in Angersdorf und Holleben unterwegs. In diesen Jahren habe ich nicht ein einziges Mal seltsame Gerüche wahrgenommen.
Dazu: Bergarbeiter müssen atmen. Die Luft wird in das Bergwerk hineingepumpt, und kommt natürlich als Abluft wieder zutage. Dies zu lösen ist einfach.
Ursprünglich war ja Angersdorf als Einbringungsort geplant. Weil, in unmittelbarer Nähe der Autobahn und in einem Gewerbegebiet gelegen.
Haseloff befuhr damals die noch nicht freigegebene Anschlussstelle der Autobahn, Verkehrsschilder gelten auch heute nicht bei dicken Tatoren, und manchmal sitzen diese in trauter Gemeinsamkeit in einer, ich sage mal, Gaststätte, in Angersdorf.
Aber zum Thema: Es ist wohl so, dass die GTS labortechnisch unterversorgt ist.
Das muss man ändern, aber geschwind!
@teu
Bitte einmal auf die Website des Arbeitgebers gehen und nachlesen, was für Endprodukte verklappt werden. Im Übrigen auch im Artikel deutlich hervorgehoben.
Mir ist es schleierhaft, wie man dafür Partei ergreifen kann.
Und zu letzt, „ein Nachbar“, also sie nicht selbst, hätte dieses und jenes gesagt, dann ist das zweifelhaft. Und ein Bäcker in der Nähe ist keine Referenz.
Es bleibt dabei, der Artikel ist Klasse und echte Gegenargumente bleiben aus.
In der Grube wird kein Atommüll entsorgt.
Mein Nachbar arbeitet dort unten vor Ort, und ist kein Ausländer. Er war einer von 34.
In unmittelbarer Nähe der Einfahrt zur Grube gibt es einen Bäcker, etwas weiter weg eine Gaststätte, hundert Meter weiter Schrebergärten. Dann gibt es da noch eine Wohnungsgesellschaft. Viele private(?) Mehrfamilienhäuser …. also ganz normales Leben.
Bis auf – ich vermisste im Mai diesen Jahres das jährliche ultimative heavy metal Konzert. (traurig guck)
@hei-wu
Berechtigte Frage, da darf jeder einmal darüber nachdenken, wie wir leben und worin die Ursachen für das Anfallen solches Material liegen, um sie zu vermeiden.
Jedenfalls nicht dort, wo Menschen heran wachsen. Ich denke nicht, das nur ein Einwohner, der umliegenden Dörfer, zu gestimmt hätte, atomaren Abraum und giftige Aschen nebenan zu entsorgen. Der dort gelagerte Müll ist nicht nur aus der BRD. Da sollte doch er dir Frage lauten, warum dieser Müll bei uns um die Ecke entsorgt wird ?
Haben Sie ausdrucksstarke Argumente, warum die Anwohner ihre Umwelt und damit ihre Gesundheit gefährden sollten?
@Cerberus: „dort versenken, wo niemand wohnt“: Wo in Deutschland soll das sein?
#hei-wu
Den Müll könnte und muss man dort versenken, wo niemand wohnt, wo kein Schaden entstehen kann.
Es handelt sich hierbei nicht nur um den üblichen „deutschen“ Haushaltsmüll, der wird von überall her angefahren.
Insbesondere radioaktiver Müll, der sich über die Menge und die Jahre akumuliert.
Wobei es lediglich Richtwerte sind, die die Konzentration vorgeben.
Im Sinne der Gesundheit von Mensch und Natur sowie der Werte die sich dort ansässigen Menschen geschaffen haben, ist das nicht strittig.
Bin da etwas gespalten. Es muss natürlich geklärt werden, was da ausgast und was da explodiert ist. Und wenn das Verkippen von Sondermüll so lukrativ ist, muss eben auch in die Sicherheit investiert werden. Aber: wir können nicht einfach die Entsorgung von Sondermüll, wozu vor allem auch die Asche aus Müllverbrennungsanlagen gehört, stoppen. Wer seinen Müll in die Tonne wirft, muss auch dulden, dass die Asche dann irgendwann wieder im Bergwerk vor der Haustür landet.
Toller Artikel.
Die Bürgerinitiative zeigt hier mehr als deutlich, warum die Gifthalde geschlossen werden sollte.
Und eben auch, warum sie weiter betrieben wird, wobei die Gesundheit hier völlig in den Hintergrund tritt und sie nie in Betrieb hätte gehen dürfen.
Und von Arbeitsplätzen zu sprechen seitens der Betreiber ist blanker Hohn, da vorwiegend Ausländer vor Ort eingesetzt werden.