Land will Halle zur Teilnahme an Spar-Programm zwingen und droht mit Zwangsverwalter
16. Januar 2013 | Politik | 7 KommentareIm Dezember hatte Oberbürgermeister Bernd Wiegand seinen Haushalt für das Jahr 2013 vorgelegt – erstmals seit 10 Jahren sind keine neuen Schulden vorgesehen. Den Stadträten teilte er auch zwischenzeitlich mit, es habe bitte bei dem ausgeglichenen Etat zu bleiben. Jetzt bekommt er auch noch Rückendeckung vom Land.
Innenminister Holger Stahlknecht und Finanzminister Jens Bullerjahn haben am Dienstag das neue Landes-Förderprogramm „Stark IV“ zum Abbau von Altschulden vorgestellt und der Stadt Halle (Saale) mit einer Zwangsverwaltung gedroht, sollte die Saalestadt nicht stärker sparen. Ein Signal an die Stadträte, die sich bereits in den ersten Haushaltsberatungen nicht mit allen Kürzungen einverstanden erklärten, allerdings bislang keine alternativen Sparvorschläge brachten. „Wir werden jetzt mit Halle ernsthafter reden, als es noch vor ein paar Jahren der Fall war“, kündigte Bullerjahn an, kommentiert von Stahlknecht mit den Worten „das wird spannend.“
Das neue Förderprogramm soll Hilfe zur Selbsthilfe sein. Vom Land gibt es zwar Geld, zeitgleich aber müssen die Kommunen auch selbst einen Mindest-Eigenanteil von 20 Prozent des laufenden Verwaltungshaushalts als Sparbeitrag liefern. Insgesamt stellt das Land in den kommenden zehn Jahren 400 Millionen Euro zur Verfügung. Verstoßen die verschuldeten Gemeinden gegen die vereinbarten Sparmaßnahmen, droht ihnen die Zwangsverwaltung.
Halle könnte mit bis zu 75 Millionen Euro rechnen. Derzeit hat die Stadt Schulden von 450 Millionen Euro, darunter 240 Millionen Euro Kassenkredite. Für diese Schulden muss die Stadt pro Jahr etwa 11 Millionen Euro Zinsen berappen. Steigen die Zinsen um einen Prozentpunkt, wären es gleich vier Millionen Euro mehr.
Allein durch das Landesförderprogramm Stark II konnten 20,7 Millionen Euro Altschulden abgebaut werden. Durch das neue „Stark IV“-Programm soll es nun deutlich mehr werden. Allerdings wurden unter den bisherigen Oberbürgermeistern auch viele Schulden auf die städtischen Tochterunternehmen übertragen. Rechnet man deren Schulden und Kredite dazu, kommen 1,5 Milliarden Euro dazu.
„Mit Blick auf die hallesche Haushaltssituation kann es nur heißen, dass dieses Angebot des Landes genutzt wird, um eine Entlastung beim Abbau der Altfehlbeträge zu erreichen“, erklärt der hallesche SPD-Landtagsabgeordnete und Stadtrat Thomas Felke. „Zugleich werden aber auch im Rahmen der abzuschließenden Verträge erhebliche Eigenleistungen bei den Sparbemühungen von Seiten der Stadt gefordert, die zwingend notwendig zu erbringen sind. Dazu sollte im Stadtrat eine von möglichst breiter Mehrheit getragene Verständigung erfolgen, die über einen ausgeglichenen Haushalt im Jahr 2013 hinausgeht. Der Vertrag, der mit einer Laufzeit von bis zu 10 Jahren abgeschlossen werden kann, soll die Stadt in die Lage versetzen, wieder stärker eigene Projekte umsetzen zu können. Das ist zweifellos zu begrüßen. Allerdings sollten dazu auch weitere Unterstützungen seitens des Landes folgen. Wenn die größte Stadt des Landes bei der Steuerkraft mehr als 15% unter dem Landesdurchschnitt liegt, sind Weichenstellungen weitreichenderer Art erforderlich, um tatsächlich nach Ablauf des Vertrages wieder die eigene Gestaltungskompetenz zu erlangen. In den nächsten Jahren müssen deshalb sowohl die Unterstützung des Landes hinsichtlich der Ansiedlungsaktivitäten von Investoren verbessert als auch das Thema notwendiger Eingemeindungen ernsthaft angegangen werden, befinden sich doch unmittelbar an die Stadt angrenzend Gemeinden, die z.T. beim Mehrfachen des Landesdurchschnitts bei der Steuerkraft liegen.“
Mit Befremden hat die Stadtratsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aktuelle Äußerungen des Finanz- und des Innenministers aufgenommen, die eine Teilnahme der Stadt Halle am Entschuldungsprogramm STARK IV verlangen und gleichzeitig mit der Einsetzung eines Sparkommissars drohen. Dietmar Weihrich, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dazu: „Die Drohgebärden der Landesregierung sind nicht hilfreich, die Stadt bei ihren Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung zu unterstützen. Notwendig wäre, die Teilnahme der Stadt an STARK IV in einem fairen Dialogprozess auszuhandeln. Hierzu gehört auch, dass die Bedingungen, die das Land stellt, offen gelegt werden. Nach den bisher vorliegenden Informationen muss eine Kommune weitgehend ihre Eigenständigkeit aufgeben und STARK IV gleicht eher einem „Knebelungsprogramm“. Dies dürfte für Halle kaum akzeptabel sein. Außerdem verschweigen die Landesminister, dass die Stadt bei einer Teilnahme auch erhebliche Eigenmittel aufbringen müsste (ca. 20% der Fördermittel). Angesichts der prekären Haushaltslage der Stadt ist vollkommen unklar, woher die Mittel kommen sollen.“ Weihrich kritisierte darüber hinaus, dass in der Vergangenheit zahlreiche Entscheidungen der Landesregierung dazu beigetragen haben, die Haushaltssituation der Stadt deutlich zu verschlechtern. Er verwies auf die Kürzung der Mittel, die Halle aus der sog. Investitionspauschale erhält und die nicht ausgezahlten Fördermittel für Investitionen. Außerdem habe der Landtag noch mit der Beschlussfassung zum neuen Finanzausgleichsgesetz im Dezember 2012 die für Halle vorgesehenen Zuweisungen um mehrere Millionen Euro verringert. „Es ist schon ziemlich unverfroren, wenn einerseits ständig die Zuweisungen für die Stadt Halle gekürzt und andererseits aber mit einem Sparkommissar gedroht wird. Sicher muss die Stadt ihre Hausaufgaben erledigen, aber das Säbelrasseln der Landesregierung trägt zur Lösung der Probleme nicht bei. Ich erwarte stattdessen von der Landesregierung, dass sie sich mit den Haushaltsproblemen der Stadt differenziert auseinandersetzt.“
„Es ist bemerkenswert, wie die für Kommunen und Kommunalfinanzen zuständigen Minister nach jahrelangem Nichtstun versuchen die Resultate ihrer Politik vor Ort abzuladen“, erklärt der Stadtvorsitzende der LINKEN Halle, Stadtrat und Landtagsabgeordnete Swen Knöchel. „Die strukturellen Probleme der Stadt Halle haben ihre Ursachen in den vom Land übertragenen Aufgaben und der unzureichenden Finanzausstattung. Es war das Innenministerium, welches veranlasste, dass das Stadt-Umland-Gesetz aufgehoben wurde, womit sich das Land auf lange Sicht der Verantwortung für die Oberzentren entzogen hat. Erst im vergangenen Jahr, hat der vom Finanzminister eingesetzte Gutachter für den kommunalen Finanzausgleich festgestellt, dass Sachsen-Anhalt seine Oberzentren bei der Finanzausstattung vernachlässigt hat. Beim neuen Finanzausgleichgesetz wurden diese Sünden der Vergangenheit nur unzureichend berücksichtigt. Man muss die Minister zudem darauf hinweisen, dass es den Zwangsverwalter nach dem sie rufen überhaupt nicht gibt. Die Gemeindeordnung sieht lediglich einen Beauftragten der Kommunalaufsicht vor. Dieser würde dann allerdings vor denselben Rahmenbedingungen, den gleichen Gesetzen und denselben Problemen stehen, wie die Entscheidungsträger der Stadt Halle (Saale) jetzt. Vorteilhaft daran könnte sein, dass sich das Land seiner Verantwortung für die Stadt weniger entziehen könnte und Landesminister nicht mehr auf Pressekonferenzen mit Fingern auf die Probleme zeigen könnten, die sie selbst mit verursacht haben. Auch den Optimismus des Oberbürgermeisters auf einen ausgeglichenen Haushalt 2013 teile ich nur bedingt. Der Ausgleich in seinem Entwurf ist letztlich nur gelungen, weil der Mehrbedarf für Kinderbetreuung von 6,5 Millionen Euro gestrichen wurde. Der Stadtrat aber muss im März einen Haushalt beschließen, der alle Aufgaben der Stadt realistisch abbildet und finanziert. Kinderbetreuung ist eine Pflichtaufgabe, die sich nicht so einfach streichen lässt. Im Gegenteil, der Landtag hat im Dezember 2012 neue Standards für Kindertagesstätten beschlossen ohne diese auch auszufinanzieren. Die Mehrkosten bleiben in Halle hängen, auch unter diesem Aspekt ist der Auftritt der Herren Minister eine Frechheit.“
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@redhall: wo hat das Land die Gemeindeordnung außer Kraft gesetzt? Und es stimmt, es gibt die kommunale Selbstverwaltung, aber eine Schranke ist hier „….im Rahmen des Gesetzes…“ klar hat die Stadt Schulden. Jetzt muss man sich aber die Frage stellen, sind die Schulden dadurch entstanden, weil die Stadt damit ihre Pflichtaufgaben erfüllt hat oder sind die Schulden entstanden, weil sie im freiwilligen Bereich dieses Geld ausgegeben hat? Ich denke an diese Frage muss man mal herangehen und dann entscheiden wer eigentlich originär für den Schuldenabbau zuständig sein sollte oder in die Pflicht genommen werden sollte. Aber genau dieses ist ja schon seit Jahren nicht geschehen. Richtig ist: der jetzige OB kann wohl am allerwenigsten etwas dafür, aber er hat den Ärger jetzt damit.
Halle hat es ja besser gemacht,
Trotzdem nimmt sich das Land das Recht heraus, die Gemeindeordung außer Kraft zu setzen.
Sprich, die Schlechtesten nehmen sich das Recht heraus, die die besser wirtschaften als sie selbst, zu kritisieren und mit einem „Zwangsverwalter“ zu drangsalieren.
Man kann nur hoffen, die Stadt wehrt sich.
Schließlich gibt es das Grundgesetz und eine kommunale Selbstverwaltung.
Das ist doch eh nur die Rache der Groko dafür, das Halle falsch gewählt hat. 😉
@redhall
Du liegst sicher nicht falsch mti Deinen Aussagen aber es spricht doch auch nichts dagegen es selbst besser zu machen oder ?
Und zu den Aussagen von Hr. Knöchel, ja auch er sagt da einiges Wahres aber es werden auch dort keine Wunder passieren denn gerade weil das Land noch höher verschuldet ist kann man von dort nichts erwarten. Allerdings sind es für 2013 insgesamt 12 Mio. € mehr welche vom Land kommen was ja nun auch nicht so schlecht ist. Der Auflistung in der kleinen Anfrage ist auch zu entnehmen das Halle bei der Finanzmittelverteilung in Sa-An gar nicht so schlecht abschneidet wie gewisse Verschwörungstheoretiker gern verbreiten.
zeigte Weihrich wenigstens noch einen Hauch von Objektivität, verlegen sich die anderen Stadträte und auch Kommentatoren aufs Meckern.
Was fehlt sind die Alternativen.
Die fehlenden Steuereinnahmen sind ja wohl auch einfach Zeichen von verfehlter Politik in unserer Stadt. Es gibt eine mittlerweile recht umfangreiche Liste von Investoren, die sichwegen zu langer Bearbeitungszeit dann doch lieber außerhalb der Stadt angesiedelt haben. Aber das ist ein anderes Thema.
Die Fakten:
Halle hat mehrere hundert Mio EUR Schulden.
Halle bekommt ohne Verzicht keinen ausgeglichenen Haushalt hin.
Statt Einsparungen möchte jeder Stadtrat gern seine Lieblingsprojekte weiter und mehr unterstützen.
Erkennt denn keiner die Ausweglosigkeit dieses Handelns? Und solange Stadträte von Wählerstimmen abhängen und entsprechend keine unpopulären Entscheidungen zu treffen bereit sind, solange wird sich nichts ändern. Dann ist ein „Sparkommissar“, der wirklich unabhängig agieren kann, schon besser. Nur leider sind solche Posten eben meist nicht unabhängig.
Also wurschteln wir weiter. Oberhausen machts vor.
Das Land hat eine Schuldenquote, die jeder Beschreibung spottet.
Die haben keinen Grund anderen Vorschriften zu machen.
Den Sparkommissar könnten sie selber gebrauchen.
Oder sie übernehmen m Rahmen des demokratischen Zentralismus gleich selbst die Herrschaft in Halle.
Dann kann man gleich durchregieren.
Na das wird noch lustig im Stadtrat. Gibt es eine Auflistung der Schulden bei den Stadttöchtern ?