Hauptverhandlung zum Weiterbau der A 143 am 28. Mai. BI unterstützt Klage der Ton und Kali GmbH

24. Mai 2019 | Politik | 13 Kommentare

Am Dienstag, dem 28. Mai ist Tag der Hauptverhandlung in Leipzig über den Weiterbau der Autobahn 143 nordwestlich von Halle durch mehrere FFH und Naturschutzgebiete. Die BI Saaletal unterstützt die Klage der Ton und Kali GmbH gegen den Bau, und sammelt weiterhin Spenden für Anwaltskosten und Fachgutachten. Heute veröffentlichte die BI eine umfangreuiche wissenschaftlich-politische Stellungnahme zu dem Vorhaben.

(Zitat:

BI Saaletal fordert Respekt vor dem Artenschutz und Umweltrecht der Europäischen Union – die A 143 ist mit dem europäischen Umweltrecht unvereinbar –

Wir fordern eine Verkehrswende für eine bessere Lebensqualität in der Stadt Halle und den Erhalt eines der schönsten Naturschutzgebiete an der Saale, für alle Hallenserinnen und Hallenser.

Wir wissen uns einig mit der gesamten Klimawissenschaft, dass der Ausstoß von Co2 sehr schnell sehr stark sinken muss, um das Klima noch zu retten. Wir stimmen mit Umweltbundesamt und der Akademie der Naturwissenschaften Leopoldina überein, dass dafür eine grundsätzliche Verkehrswende unablässig ist. Die Leopoldina schrieb in ihrer Stellungnahme im April, dass die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimavertrag nicht „ohne ein umfassend neues Verkehrskonzept zu erfüllen sind.“[1]

Wir stimmen dem Umweltbundesamt zu, „das MIV-Aufkommen [MIV = motorisierter Individualverkehr] aktiv zu begrenzen.“[2]

Daraus folgt, Klimaschutz braucht die Verkehrswende. Fridays for Future im Landkreis Rendsburg-Eckernförde zog die richtigen Konsequenz und fordert „keine neuen Straßen und Parkhäuser (mehr) zu bauen.“[3] Wir schließen uns an und fordern ein Ende des Ausbaus und Neubaus von nur-Autostraßen, insbesondere Autobahnen.

Angesichts von Klimawandel und Artensterben noch Autobahnen zu bauen, wäre ein Verbrechen an  der nächsten Generation und unser aller Zukunft.

 

Auto-Zuwachs ist von der Regierung vorgesehen

Der Straßenverkehr ist weltweit für rund 13% der menschlichen Treibhausgase verantwortlich. In Deutschland sind es 17%.[4] Der Ausstoß von Treibhausgasen ist in Deutschland in den letzten zwanzig Jahren sogar noch gewachsen. Wenn es nach der aktuellen Bundesregierung geht, wird der PKW Verkehr bis 2030 um weitere 10% und der LKW Verkehrs um 17% wachsen.[5]

Es ist blanker Unsinn, zu behaupten, mit dem Straßenbau würde das Problem der Stau-geplagten Innenstädte gelöst. Solange die Regierung ein weiteres Anwachsen der Autoverkehrs vorsieht, wird auch der Stau zunehmen. Wir sind entsetzt, dass die Bundesregierung, deren Kanzlerin beständig die Schüler von Fridays for Future lobt, in Wirklichkeit vorhat, noch mehr LKW und PKW auf die Straßen zu bringen. Das ist Heuchelei, und Frau Merkel ist keine Klimakanzlerin.

Artensterben passiert vor unserer Haustür, Europäisches Umweltrecht muss gewahrt werden

Die Menschheit verursacht seit der Mitte des letzten Jahrhunderts ein fortgesetztes Massenaussterben globalen Ausmaßes. Für den Planeten wäre es das sechste Ereignis dieser Art. Das letzte Massenaussterben führte zum Ende der Dinosaurier vor rund 66 Millionen Jahren. Wie alle Nationen hat sich die Bundesrepublik 1992 verpflichtet, das Mögliche zu tun, um dem Einhalt zu gebieten. Die Europäische Union hat 1992 mit dem Natura 2000 Programm, wozu die FFH-Gebiete gehören, den Artenschutz auch juristisch verankert. Diese Abkommen und das Umweltrecht der EU sind große Erfolge zum Schutz unseres Planeten. Die Pläne für die Autobahn 143 sind mit dem Umweltrecht unvereinbar. Entweder gilt das europäische Umweltrecht, oder die Autobahn wird gebaut, beides ist unvereinbar. Für FFH Gebiete gilt das Verschlechterungsverbot. Und das FFH Gebiet unteres Saaletal würde sich wesentlich verschlechtern, wenn eine Autobahn hindurchgebaut würde.

Autobahn trägt zum Insektensterben bei

Der Bestand an Fluginsekten, nicht nur Bienen, hat, wie eine weit beachtete Studie letztes Jahr schockierend gezeigt hat, seit den 1990er Jahren um rund 80% abgenommen. Das ist ein dramatischer Rückgang der unsere Ökosysteme bedroht und nicht zuletzt auch die Bestäubung von Pflanzen unserer täglichen Ernährung.[6] Das Land Sachsen Anhalt hat das Saaletal nord-westlich von Halle zum FFH Gebiet erklären lassen und unter Schutz des EU-Umweltrechtes gestellt, um seltene Arten, darunter viele Insekten wie der himmelblaue Bläuling, die Berhexe und viele weitere Schmetterlinge zu schützen. Es darf dort keine Autobahn gebaut werden. Artenschutz heißt Autobahnbaustopp.

Stauvermeidung geht nur mit einer  Verkehrswende

Mehrere Studien zeigen, dass der Stau in Halle zu höchstens 5% aus LKW und PKW besteht, die vom süd-ost Harz Richtung Bernburg fahren, also auf die weitergebaute A 143 ausweichen würden. Keine einzige Studie belegt eine Stau-Entlastung. Dies wird ohne wissenschaftliche Grundlage beständig behauptet. Die Behauptung ist falsch. Wenn durch Autobahnringe Innenstädte vom Autoverkehr befreit würden, hätten Leipzig, Berlin, Frankfurt und viele weitere Städte keinen Stau in der Innenstadt. Das Gegenteil ist der Fall. Autobahnringe sind unwirksame Mittel der Stau-Vermeidung.

Wir prozessieren gegen die 13 Kilometer Autobahn 143, aber wir wünschen uns grundsätzlich ein Ende des seit 1933 forcierten und ungebremsten Ausbaus der Nur-Autostraßen. Dieses Zeitalter gilt es zu beenden, Klimaschutz, Artenschutz und lebenswerte Städte müssen endlich Vorrang bekommen. Das Zeitalter der Auto-Städte kommt an sein Ende. Es gilt daher, den Autobahnbau nun einzustellen.

Eine wirkliche Entlastung vom PKW und LKW kann die Stadt Halle erreichen, indem sie eine Verkehrswende vor Ort beginnt. Die politischen Mittel hat die Stadt, es fehlt an Verständnis und Mut zu einem großen Entwurf.

Gutes wohnen in der Nähe vom Arbeitsort muss möglich und bezahlbar sein. Gute Arbeit jenseits von prekären Jobs in der Logistikbranche braucht keine Autobahnen. Für den Verkehr in der Stadt und ins Umland braucht es wesentlich bessere öffentliche Verbindungen. Der öffentliche Verkehr muss wesentlich günstiger oder ganz kostenfrei werden. Fußwege, Plätze zum ausruhen und Fahrradwege müssen massiv ausgebaut werden. Die Politik in Stadt, Land und Bund hat all das bisher versäumt, es ist aber notwendig für eine lebenswerte Zukunft und freundlichere Städte.

Wir sammeln weiterhin Gelder für die Prozesskosten. Es stehen noch rund 4000 Euro aus.

https://bi-saaletal.de/aktiv-werden/

 

[1]     Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, 2019, S. 46

[2]     Umweltbundesamt, Klimaschutzbeitrag des Verkehrs bis 2050, Dessau 2016, S. 76 und S. 130.

[3]     https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_85641602/-fridays-for-future-aktivisten-fordern-neubaustopp-fuer-strassen.html

[4]     Nur kummullierte 4% der Emissionen im Verkehrssektor kommen aus anderen Quellen als LKW und PKW, Quelle: BMU 2017, Klimaschutz in Zahlen: Der Sektor Verkehr. Eigene Rechnung auf der Grundlage des BMU: 160 mio. t Verkehr gesamt – (0,04*160) / 888 mio. t Co2 BRD gesamt = 17,3%

[5]     Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Saubere Luft – Stickstoffoxide und Feinstaub in der Atemluft:

Grundlagen und Empfehlungen, Vorabdruck, April 2019, Ad hoc-Stellungnahme, S. 41.

[6]     Hallmann et al, 2017, More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas

https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0185809

 

/ Zitat Ende, Quelle BI)

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