Hallesche Hochschulen beschäftigen Studis überwiegend mit Kurzzeitverträgen

7. Februar 2019 | Politik | 6 Kommentare

Eine gestern veröffentlichte Kleine Anfrage im Landtag Sachsen-Anhalt von Olaf Meister (Bündnis 90/Die Grünen) (Drs. 7/3910) hat aufgezeigt dass über 50 % der studentischen Hilfskräfte an der Martin-Luther-Universität und der Kunsthochschule Burg Giebichenstein nur für weniger als 6 Monate angestellt sind.

Olaf Meister, MdL (Bündnis 90/Die Grünen)

Vor dem Hintergrund des Urteils des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 05.06.2018 (Az.: 7 Sa 143/18) hatte Meister die Landesregierung zur Situation von studentischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Hilfskräften in Sachsen-Anhalt befragt. Dabei wollte Meister nicht nur die generelle Anzahl an Hilfskräften, sondern konkretisiert auf jede einzelne Hochschule und den konkreten Einsatzort (Tutor/-in, Bibliothek, Verwaltung, Forschung, Sonstiges) der Hilfskräfte erfahren. Herausgekommen ist, was die Landesregierung in ihrer Antwort anmerkt, eine deutlich über die übliche Hochschulstatistik hinausgehende tiefgreifende statistische Analyse der arbeitsvertraglichen Situation studentischer Beschäftigter an allen Hochschulen Sachsen-Anhalts.

Ergebnisse für Halle überaus interessant

In Bezug auf die in Halle ansässigen Hochschulen ist die Statistik dabei überaus interessant. So beschäftigt die MLU inlusive der Medizinischen Fakultät 880 studentische Hilfskräfte, also solche ohne Hochschulabschluss, und 380 wissenschaftliche Hilfskräfte, also solche mit regelmäßig mindestens einem Bachelorabschluss. Bei der Burg Giebichenstein sind es 138 studentische und 35 wissenschaftliche Hilfskräfte.

Fehlende Erkenntnisse der Hochschulen zu Einsatzgebieten der Studis

In Bezug auf deren jeweiliges Einsatzgebiet schweigt sich die MLU bis auf 90 studentische und 45 wissenschaftliche Tutor/-innen aus, während demgegenüber die Medizinische Fakultät 46 studentische Hilfskräfte als Tutor/-innen und 190 studentische sowie 6 wissenschaftliche Hilfskräfte in der Forschung einsetzt. Interessanterweise übersteigt die hier die Anzahl sowohl der studentischen, als auch der wissenschaftlichen Hilfskräfte die von der Medizinischen Fakultät als Gesamtzahl gemeldete Anzahl der Hilfskräfte (Studentische HKs 236, gemeldet nur 230; wissenschaftliche HKs 6, gemeldet nur 4).
Die Burg Giebichenstein meldet 45 studentische und 24 wissenschaftliche Hilfskräfte als Tutor/-innen, 5 studentische und 3 wissenschaftliche Hilfskräfte in der Forschung, 8 studentische Hilfskräfte in der Bibliothek sowie 28 studentische und 11 wissenschaftliche Hilfskräfte in sonstigen Bereichen. Hier übersteigt die Anzahl der wissenschaftlichen HKs die Gesamtzahl der gemeldeten wissenschaftlichen HKs um 3, während die Anzahl der studentischen HKs hinter der Gesamtzahl der gemeldeten zurückfällt.
Dass beide Hoschulen nicht angeben können, in welchen Gebieten ihre studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte eingesetzt werden, ist vor dem Hintergrund des oben angeführten LAG-Urteils doch sehr verwunderlich. Die im Verfahren klagende studentische Hilfskraft war in der Bibliothek einer Berliner Universität als Hilfskraft beschäftigt. Mit dem Urteil hatte das LAG festgestellt, dass ihre Tätigkeit der einer nach Tarifvertrag vorgesehenen Tätigkeit entspricht und die Hilfskraft dementsprechend nach dem Tarufvertrag der Länder und nicht WissZeitVG bei der Universität anzustellen sei. Die Hochschulen sind dazu angehalten, sich an den in diesem Urteil aufgestellten Maßstäben zu orientieren. Dies können sie jedoch nicht, wenn sie noch nicht einmal erfassen, in welchen Bereichen ihre Hilfskräfte angestellt sind.

Fragwürdig kurze Vertragslaufzeiten

Ebenfalls hatte Meister nach den Vertragslaufzeiten der Hilfskräfte gefragt. Dabei kam heraus, dass an der MLU knapp 47 % der studentischen Hilfskräfte (425 von 915 angegebenen) eine Vertragslaufzeit von weniger als 6 Monaten haben. Zählt man die 197 studentischen Hilfskräfte deren Vertragslaufzeit auf 6 Monate befristet ist hinzu, steigt die Zahl derjenigen mit Kurzzeitverträgen sogar auf knapp 68 % der studentischen Hilfskräfte. Bei den wissenschaftlichen Hilfskräften sehen die Zahlen nicht besser aus. Hier sind mit 216 von 401 angegebenen Hilfskräften sogar knapp 54 % für weniger als 6 Monate angestellt. Zählt man auch hier die 6-Monatsbefristungen hinzu, ergibt sich eine Zahl von 299 Hilfskräften, also knapp 75 %  mit Kurzzeitverträgen.
Nicht viel besser sieht es an der Burg Giebichenstein aus. Hier sind 123 von 127 angegebenen studentische Hilfskräfte, also knapp 97 % für weniger als 6 Monate angestellt, 46 davon sogar explizit nur fürbis zu 3 Monate. Zählt man die eine Person mit einem 6-Monats-Vertrag hinzu, ergibt sich, dass nur 3 studentische Hilfskräfte keinen Kurzzeitvertrag haben. Bei den wissenschaftlichen Hilfskräfte zeigt sich ein genauso erschreckendes Bild. Hier haben 44 von 47 angegebenen Hilfskräften, also knapp 94 % einen Vertrag von weniger als 6 Monaten, 16 davon sogar nur für bis zu 3 Monate. Auch hier haben nur 3 Hilfskräfte keinen Kurzzeitvertrag.

Landesregierung sieht keinen Bedarf für studentischen Tarifvertrag

Vor dem Hintergrund dieser Praxis der Vergabe von Kurz- und Ultrakurzzeitverträgen, von denen weit über die Hälfte der studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte an den halleschen Hochschulen betroffen sind, klingt es wie Hohn, wenn die Landesregierung auf die Frage, ob sie Bedarf für einen studentischen Tarifvertrag sieht, antwortet, dass sie keinen Handlungsbedarf dahingehend sehen würde. Der Verweis auf den Beschluss der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), wonach keine Tarifverhandlungen mit Studierenden geführt werden dürften, tut hier sein Übriges. Wenn die studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte ihre Situation verbessern wollen, bleibt ihnen wohl nur ein Streik.

PZ

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