Update: Halle bleibt Antifahochburg – der 1. Mai 2017 war ein voller Erfolg

3. Mai 2017 | Politik | 30 Kommentare

nachträgliche Korrektur, 3. Mai, durch den User Zetkin:

Im Text heißt es, die Kirchen hätten nicht aufgerufen. Das war ein Versehen. Beide Kirchen unterstützen Halle-gegen-Rechts und haben zur Gegendemo aufgerufen:
http://www.erster-mai-halle.de/aufruf-und-erstunterzeichnerinnen/#more-124

CDU und FDP haben den Aufruf von Halle-gegen-Rechts nicht unterzeichnet. Aber sie haben als Mitglieder des gesamten Stadtrates den Aufruf zu den Protesten am 1. Mai mitgetragen.

Was das unterstellte Naziproblem des HFC angeht und die Debatte um den entlassenen Fanbetreuer, habe ich hier eine in informierten Kreisen allgemeingültige Position wiedergegeben. Nämlich die, dass der HFC ein Naziproblem hat, was freilich heißen kann, dass dieses einigen Verantwortlichen zumindest unangenehm ist und es Versuche zur Besserung gibt. Um das zu klären, möge doch jemand, der sich gut auskennt, Nutzer Dogma0815?, einen Bericht schreiben. Dann könnte Halle-gegen-Rechts mitreden und vielleicht kann es da eine Klärung der Frage geben.

Der Letzte Satz, Halle sei Antifahochburg ist eine offensichtliche Übertreibung. Was hat Halle mit, sagen wir Kreuzberg der 80er Jahre, oder Connewitz von Heute zu tun? Wenig. Das war eine Einladung zur Debatte. Immerhin bleibe ich dabei: Halle ist seit dem 1. Mai 2017 in die richtige Richtung gerückt, und ganz sicher nicht die Nazihochburg, zu der es der SPIEGEL verteufeln wollte.

Zu dem Naziaufmarsch und die Gegendemonstrationen am 1. Mai erreichte uns die Leserzuschrift des Users Zetkin, die wir natürlich mit dem Hinweis versehen, dass der User nicht die Meinung der Redaktion vertritt, aber wir sie dennoch hier veröffentlichen möchten:

Die Blockade des Naziaufmarsches in Halle am 1. Mai war ein voller Erfolg. Darauf kann das breite Bündnis Halle-gegen-Rechts stolz sein. Es hat jede Spaltung vermieden und statt dessen verschiedenste Kreise vereint im gemeinsamen Ziel, den Neonazis den Tag zu vermiesen. Der DGB und die SPD haben sich nicht an der Antifa gestört und die Antifa nicht an ihnen. Während die einen im Rahmen legaler Demonstrationen geblieben sind und verschiedene Routen der Nazis belegten, gelang es dem Antifa-Bündnis „nice to beat you“ die verbleibenden Routen durch Sitzblockaden dicht zu machen. Von zwei angemeldeten Demozügen bogen große Gruppen am Riebekplatz und in der Höhe vom Lutherplatz ab und machten sich selbstständig. Sie haben die Sitzblockaden in der Merseburgerstraße und in der Volker Weißstraße gemacht, womit die Route der Neonazis vollständig blockiert war. Reichlich Unterstützung erhielten die Antifas aus Leipzig und Berlin. Unerlässlich war auch die Rede von Oberbürgermeister Wiegand, der an diesem 1. Mai geglänzt hat als Politiker, der sich mit Herzblut für seine Stadt einsetzt. Nicht nur stand ihm die rote Jacke hervorragend, er fand auch deutliche Worte, dass Halle nicht will, dass die Nazis 2017 im Mai oder sonst wieder laufen. Die Polizei verhielt sich entsprechend zurückhaltend und versuchte nicht den Nazis den Weg freizuräumen – mit Schlagstöcken und den Wasserwerfern wäre das machbar gewesen.

Angekündigt war der größte Aufmarsch von Neonazis am 1. Mai in Deutschland mit ungefähr 1000 Teilnehmer*innen. Tatsächlich kamen aber nur rund 400, vielleicht schon abgeschreckt von den gut organisierten Gegenprotesten. Das letzte Mal hat Halle sehr ähnliches im Jahr 2011 erlebt, als rund 1000 sehr Gewalt-bereite Nazis auch an einem 1. Mai durch die Stadt zogen. Die Polizei stand damals stark auf Seiten der Nazis, und das Bündnis Halle gegen Rechts war bei weitem nicht so gut aufgestellt. Auch eine Bürgermeister, der so klare Worte findet, fehlte damals. Dennoch gelang es dem breiten Bündnis auch 2011 die Nazis schließlich durch Sitzblockaden am Steintor zu stoppen. 2017 ist ein voller Erfolg, die Nazis konnten nicht einmal den Bahnhof verlassen und werden sich wohl lange Zeit davon erholten müssen. In Leipzig war es nach vielen Jahren ähnlich, und die Szene sucht seitdem einen anderen Ort. Warum die Nazis den 1. Mai überhaupt nutzten ist nur scheinbar paradox. Schon seit vielen Jahren werden linke Forderungen und selbst ein grundsätzliche Kritik am Kapitalismus von den Rechten übernommen. Allerdings ist ihre Antwort nur oberflächlich systemkritisch, am Ende läuft es immer auf eine Antwort hinaus, die Ausländer, die Migranten, die Linken, die Juden und das Finanzkapital seien Schuld an der Misere der Deutschen.

Die Deutschen teilen sich nicht mehr auf in Hausbesitzer und Mieter, in Kapitaleigner und Arbeiter, in Chefs und Minijobber sondern sind angeblich eine wohlige Volksgemeinschaft. Aus diesem Grund wurde der erste Mai von der NSDAP 1933 zum Feiertag erklärt, und eben darum wollen sich die Nazis auch heute bei den Arbeiter*innen anbiedern. Deren Bedürfnis nach einem Schuldigen wächst je härter die Lebensumstände. Bei steigenden Lebenshaltungskosten und sinkenden Löhnen erhalten die Nazis leider Zulauf. Darum hat die neu gegründete interventionistische Linke Halle mit dem Spruch zur Demo aufgerufen: Antikapitalismus heißt Antifaschismus. Denn ein Blick ins Parteiprogramm des parlamentarischen Arms der Neonazis, der AfD, zeigt, dass dort ein knallharter und nochmals verschärfter Kapitalismus gefordert wird. Allerdings keine neoliberaler, sondern ein neoautoritärer. So hat es die NSDAP gemacht, und es gilt nach wie vor, die rassistische und völkische Systemkritik der Nazis zu entlarven.

Halle war in den 90er Jahren, als Magdeburg und Leipzig in einer Flut von Neonazis versanken zumindest was die Altstadt angeht eine Insel. Hier war „Antifa-Area“, Nazis trauten sich gar nicht in die Innenstadt. Lange Zeit galt, was in der Gründungserklärung von Halle-gegen-Rechts zu lesen ist, dass Halle eine der wenigen Ostdeutschen Städte ist ohne organisierte Nazistrukturen. Das stimmt leider nicht mehr. Mit dem Tor-Steinar-Laden in der kleinen Ullrichstraße und der Brigade Halle gibt es diese nun. Dazu kommt die Szene der sogenannten Identitären. Das sind junge Rechte, meist aus einem studentischen Milieu oder höherer Bildung. Ihre Methoden sind entsprechend verfeinert, sie sind derzeit noch am aktivsten in Facebook und im Internet. Ihre Forderungen sind jedoch so offen rassistisch, Frauenfeindlich und fremdenfeindlich, dass sich selbst die AfD bisher von ihnen offizielle fernhält. Halle ist seit rund einem Jahr eine Hochburg der Identitären geworden, vielleicht weil alle linken Studierenden gleich nach Leipzig gehen, vielleicht weil die Antifa, sosehr sie auch von der MZ zum Popanz gemacht wird tatsächlich ziemlich schwach geworden ist, selbst in der Uni. Umso glänzender ist der Sieg der Zivilgesellschaft, des Bündnisses, und der Antifas für ein weltoffenes, liberales und antifaschistisches Halle am 1. Mai gewesen.

Erstaunlich ist natürlich, wer nicht im Bündnis Halle gegen Rechts mitmacht: die beiden Kirchen fehlen, die CDU, die Mitteldeutsche Zeitung, die IHK, der HFC. Besonders der HFC und die MZ sind wichtige Akteure in der Stadt. Der HFC ist kein richtiger Naziverein wie andere, aber er duldet sehr viele Neonazis zu den Spielen und es fehlt ein klares Bekenntnis, dass es ein Problem damit gibt, und dass es angegangen wird. Genauso schlimm ist das ständige Zündeln der MZ. Schon im letzten Jahr, als ein alternativ aussehender junger Mann auf der Peißnitz von Neonazis mit einem Messer niedergestochen wurde, fand die MZ das nicht so schlimm, solange sich Extremisten von
beiden Seiten eben mal schlagen. Zum einen, war der Angriff absichtlich lebensbedrohlich, also versuchter Totschlag und ging wie immer von den Nazis aus. Zum zweiten, heißt die MZ-Logik der Extremismustheorie, dass die Nazis dann bestimmen dürften, wer sich wo, wie und wann im öffentlichen Raum bewegt, spricht, tanzt, feiert, lacht, singt und lebt. Denn wer sich wehrt, gehört ja schon zu den Raufbolden. Zum dritten hat die MZ damals schlicht falsch berichtet, gelogen und ist erst später zurückgerudert, als Halle-gegen-Rechts die Zeugenaussagen veröffentlichte.

Auch am 1.  Mai 2017 hat es sich das Provinzblättchen nicht nehmen lassen, die „linksextremistische Antifa“ zu schmähen. Wer spaltet, der hilft den Nazis, und die MZ läßt keine Gelegenheit verstreichen, um zu spalten und Linke in den Schmutz zu ziehen. Wenn Halle ein Naziproblem hat, dann kann es langfristig nur gelöst weren, wenn die Sympathisanten in der Redaktion der MZ entlassen oder zurückgepfiffen werden. Denn machen wir uns nichts vor, der Sieg vom 1. Mai ist schön und soll gefeiert werden. Er wird eine Zeit anhalten, aber die Strukturen sind viel tiefer.

In Deutschland ist die Freiheit von Straßenterror durch Nazis längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Besonders im Osten gehen die Dinge, sich selbst überlassen, in die falsche Richtung. Nur starke Bündnisse wie Halle-gegen-Rechts verteidigen langfristig die Freiheiten einer nicht völlig provinziellen Stadt, wegen deren Freiheiten Menschen hier leben und nicht im Saalkreis oder sonstwo. Die Stadt sollte nun nicht locker lassen und sich auch gegen Nazis im HFC stellen und gegen Sympathisanten in den Burschenschaften, in der MZ und es ist zu befürchten, in der Polizei. Auf den Erfolg vom 1. Mai 2017 lässt sich aufbauen. Der SPIEGEL hat vor einigen Jahren Halle zur
Nazihochburg erklärt. Wir können heute sagen, das immerhin war gelogen. Halle bleibt Antifa-Hochburg.

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