Halle am Scheideweg – zwei Hausprojekte, zwei Möglichkeiten

30. Oktober 2017 | Politik | 10 Kommentare

In keiner Stadt in Deutschland ist in den letzten Jahren ein Haus besetzt und legalisiert worden. Was es an Vorbildern der Hasi anderswo gibt, ist vor Jahrzehnten schon etabliert worden. Ob inBarcelona, Rom, Mailand, Berlin oder Hamburg – nicht kommerzielle Hausprojekte sind kulturelle Leuchttürme und soziale Zentren, in denen sich ein Stadtleben entfalten kann, dass zwischensteigenden Mieten und Konsumtempeln keinen Platz hätte. Nun also ausgerechnet Halle. Das Haus in der Hafenstraße, die Hasi ist je nach Zählweise das dritte oder vierte Haus, das der Verwertung entzogen wurde. Es gibt noch die Reilstraße 78, das schon lange legalisierte VL und das von Rauswurf und Abriss bedrohte LaBim (das allerdings in letzter Zeit recht kommerzielle Konzerte veranstaltet). Damit hat Halle auf die Einwohnerzahl berechnet wohl mehr Hausprojekte und (ehemals) besetzte Häuser als die allermeisten Städte.

Die Bettlacken mit der Aufschrift „Hasi bleibt“ aus vielen Fenstern von Wohngemeinschaften in der Innenstadt zeigen, dass es vor allem jüngere Menschen sind, die hier zum studieren oder zur Ausbildung sind, die die Hasi schätzen. Ohne die Hasi wäre Halle wieder ein bisschen grauer. Wenn sie tatsächlich geräumt würde, würde die x-te Eigentumswohnung zu Preisen entstehen, die niemandem nützen außer den Immo-Haien und den Banken. Und ist in Halle wirklich Mangel an Eigentumswohnungen? Ist überhaupt Mangel an Wohnraum? Im letzten Jahr wurden über 2000 Wohnungen durch Abriss und Umbau vernichtet. Diese Politik wird von der Stadtverwaltung aktiv und bewusst betrieben. Angehende Architekten sollen Halle besucht haben, um sich die künstliche„Verdichtung“ aus der Nähe anzusehen. Verdichtung heißt, den Wohnraum verknappen, um den Immobilienmarkt zu beleben. So geschehen mit dem Abriss der zwei Türme am Riebeckplatz, an der Hochstraße und in Neustadt und Südstadt. Das ist gut für die Immo-Hai und Banken, es ist schlecht für alle die Miete zahlen.

Halle – Hochburg der rechtsradikalen „Identitären Bewegung“

Und dann gibt es eine zweite Ausnahme. Ein zweites Hausprojekt sucht seinesgleichen. Das Haus der „Identitären Bewegung“ in der Adam Kuckhoffstraße ist eine Hochburg der Rechtsradikalen. Hier geben sich Neonazis aus ganz Europa ein munteres Stelldichein. Nirgendwo traut sich der braue Mob so weit in eine Innenstadt. Dass es an den Stadträndern gefährliche Neonazi-Szenen gibt ist nichts neues. Aber direkt am Unicampus – das ist eine Eskalation der bisherigen Verhältnisse. Wiederholt kam es zu Angriffen und Nötigungen. Spektakulär war das Auftreten der braunen Schläger in der Harz-Mensa im Frühjahr, fünf Minuten vom identitären Haus entfernt. Erst
die Polizei konnte die Schläger des Hauses verweisen.

Die Stadt muss sich entscheiden

Erstaunlich, dass sich von offizieller Seite bisher wenig geregt hat. Während das Studentenwerk noch prüft, gegen die Identitäre Bewegung ein Hausverbot zu verhängen, ist von den Stadtoberen zu deren Haus in der Kuckhoffstraße wenig zu hören. Wo war der Aufschrei, der Protest, dass ein Neonazi-Hausprojekt mitten in der Innenstadt entsteht? Zu wenig war da zu hören. Halle war lange eine Antifa-Hochburg, und wie das so ist mit Gewohntem, die meisten Hallenser und Halunken haben das wenig gewürdigt, weil sie das Gegenteil nicht kannten: braune Schlägertypen, die im Edeka in der Wuchererstraße in der Schlange stehen und allein durch ihre Anwesenheit Schrecken verbreiten. Langfristig stellt sich die Frage, welche Subkultur und welche Hausprojekte Halle haben wird. Eines, von ein bisschen chaotischen Linken, die ihre Nachbarn einladen zum Früchstück, die Yoga, Theater und einen Stadtgarten anbieten, oder eines von Neonazis, die immer wieder Erstsemester ins rechtsradikale Lager ziehen?

Die Stadt durchaus etwas machen

Die Polizei könnte Präsenz im Viertel und in der Harzmensa zeigen und kontrollieren, wer da mit Messern bewaffnet durch das Viertel spaziert. Neuerdings gibt es eine online-Hetzkampagne der Identitären gegen das Bündnis Halle-gegen-Rechts. Kriminalpolizei und Verfassungsschutz müssen da nicht zusehen, eine Hausdurchsuchung bei den Identitären könnte Beweise ans Tageslicht bringen. (Oder stellt sich am Ende wieder heraus, dass die Hälfte der Kader vom Verfassungsschutz bezahlt werden, wie einst bei der NPD?)

Und schließlich ist da immer noch das Hausverbot, im Studentenwerk, in der Uni, in allen öffentlichen Gebäuden der Stadt. Das ist nach den Angriffen in der Harzmensa gerechtfertigt und würde, selbst wenn es vor Gericht nicht völlig bestand hätte, ein deutliches Signal senden: Nazis sind in Halle nicht willkommen.

Ein solches deutliches Zeichen vom offiziellen Halle ist notwendig. Andernfalls bleibt HalleNeonazizentrum und es werden womöglich weitere Nazi-Kader und Hausprojekte folgen. Das ewige Aussitzen, und sich einreden, das wäre alles nichts ernsthaftes, wird nicht klappen. Ganze Städte in Ostdeutschland können sich in Nazihochburgen verwandeln, das ist geschehen und das ist nicht schön für die Einwohner, die nicht ins braune Weltbild passen. Einen Vorteil hätte es immerhin, Eigentumswohnungen würden weniger attraktiv sein. Wer will da schon wohnen…

Walter Droste

Print Friendly, PDF & Email
10 Kommentare

Kommentar schreiben