Games-Verband wehrt sich gegen Vorwürfe

14. Oktober 2019 | Politik | 2 Kommentare

Die Innenminister, in erster Reihe Seehofer und Stahlknecht, haben einen neuen Gegner. Schuld ist nicht die rechtsextremistische Szene, sondern die „Gamer“. Diese wehren sich dagegen:

Der Verband Games & XR Mitteldeutschland e.V. verurteilt aufs schärfste die menschenverachtenden Taten des rechtsextremistischen Attentäters in Halle, in deren Folge zwei Menschen ihr Leben verloren. Wir stehen zusammen mit der Zivilgesellschaft – ob Gamer oder nicht – der Bundesländer Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, für ein weltoffenes und tolerantes Mitteldeutschland ein.

Der Vorstand des Verbandes kritisiert die Kommunikation von Vertretern der Medien und Politik bezüglich der Darstellung eines vermuteten Zusammenhangs von Games/Gamification und dem rechtsextremistischen Anschlag.

Obwohl die Hälfte aller deutschen Bürger in ihrer Freizeit Games nutzen, wurden in den letzten Tagen vereinfachte Annahmen und unbelegte Behauptungen publiziert, welche die Gaming-Community unter Generalverdacht stellen. Diese provozieren eine unsachliche Diskussion über den Umgang mit dem Medium Game und seinen gesellschaftlichen Wert.

Gamification ist ein Werkzeug keine Waffe

Gamification bezeichnet die Nutzung von Spielmechaniken außerhalb eines Spielekontextes. Dabei werden Mechanismen genutzt, welche die Menschheit seit ihrem Bestehen in kulturellen Ausprägungen zelebriert oder in Form von Alltagshandlungen in ihr Leben integriert. Beispielsweise wird dies angewandt, um die Motivation von Mitarbeitenden zu steigern und ihnen ein Feedbacksystem für Ihre Leistung an die Hand zu geben. Auch Bonuspunktesysteme, Stickeralben oder die Medallienausgabe eines Sportfestes bedienen sich an Aspekten der Gamification. Die zugrundeliegenden Mechanismen existieren sehr viel länger als der Begriff Gamification. Er sollte daher unabhängig von den moralischen oder ideologischen Hintergedanken seiner Nutzung betrachtet werden. In Halle hat der rechtsextreme Attentäter das getan, was Terrorismus immer tut. Er versuchte über alle ihm zur Verfügung stehenden Kanäle Angst zu verbreiten. Die Nutzung digitaler Medien und anderer neuer Kommunikationstechnologien, zur Vergrößerung der öffentlichen Aufmerksamkeit, ist die erlebte Konsequenz.

Es ist der Mensch, der sich radikalisiert, nicht das Medium

Der Prozess vom Beginn einer Radikalisierung bis zum Entschluss zur Tat, kann nicht isoliert betrachtet oder monokausal erklärt werden. Er basiert vielmehr auf einem komplexen Zusammenspiel aus persönlichen, gesellschaftlichen und medialen Faktoren. Dabei besitzt kein Medium eine inhärente Veranlagung diesen Prozess, unabhängig seines inhaltes, zu fördern.

In Bezug auf das Attentat in Halle bedeutet dies, dass der Attentäter Mechanismen der Gamification nicht nutzte weil er Gamer war, sondern weil er die Kompetenzen besaß Inhalte nach seiner Vorstellung zu kreieren. Dass er sich zur Visualisierung seiner Tat neben filmischen und schriftlichen Techniken auch an Game-Mechaniken bediente, liegt nicht in der Verantwortung des Mediums, sondern des Täters.

Eine alte Kulturtechnik muss neu gelernt werden

Der Attentäter beherrschte, neben dem Spielen, auch die Kulturtechnik des Lesens, und den Umgang mit Video- bzw. Streaming-Technologie. Dennoch liegt die mediale Aufmerksamkeit auf der Gamesbranche und nicht dem Verlagswesen oder der Filmindustrie. Diese Medien hatten bereits Zeit, zu einem integralen Bestandteil der Gesellschaft zu wachsen.

Es braucht mehr Zeit bis Games mit derselben Selbstverständlichkeit gesellschaftlich rezipiert werden, wie die etablierten Medien. Noch werden Games nicht von allen als das wahrgenommen, was sie sind; ein Medium von vielen. Wenn auch eines, welches mit seinen einzigartigen Möglichkeiten eine Bereicherung für die Erfahrungswelt des Einzelnen und die Kommunikation einer Gesellschaft sein kann.

Vielleicht sind Games das Medium unserer Zeit, aber am Ende sind auch sie nur ein Medium.

Der Rezipient – ob Leser, Zuschauer, oder Spieler – entscheidet über die Interpretation des Medieninhaltes. Das Individuum ist dafür verantwortlich, ein Medium und seine Techniken verantwortungsvoll einzusetzen. Folglich bedarf das Medium der künstlerischen Freiheit seiner Inhalte bei gleichzeitiger Erziehung des Rezipienten zur medialen Eigenverantwortlichkeit. Es ist die Aufgabe der Politik und uns als Gesellschaft, die dafür benötigten struktureller Rahmenbedingungen zu schaffen.

Appell an die Medien und Politik

Im Zuge der Berichterstattung über das rechtsextremestische Attentat in Halle wird verallgemeinernd von Games und Gamern gesprochen. Diese sprachliche Reduzierung verschleiert die komplexen Zusammenhänge, welche in ihrer Gesamtheit den Begriff Games bilden. Die daraus entstehende Pauschalisierung des Themas ist weder dem gesellschaftlichen Diskurs noch der Medienbranche zuträglich. Um einer Schuldzuweisungsdebatte vorzubeugen, fordern wir als Verband, mit Blick auf eine zunehmend digitale Gesellschaft, die wissenschaftliche und öffentliche Auseinandersetzung mit dem Medium Games – eng verknüpft mit den Fragen der Moral und Ethik.

Darum bitten wir, als Verband der mitteldeutschen Gamesbranche, alle politischen Akteure und Vertreter der Medien darum, genau zu überlegen, ob eine Referenzierung zur gesamten Gameskultur angemessen und faktisch richtig ist. Sie sprechen so sonst einem zwar jungen aber unablässig wachsenden Bestandteil der Medien seinen gesellschaftlichen Stellenwert ab. Dadurch wird Rezipienten, Kulturschaffenden und Forschenden die Möglichkeiten genommen, sich diesen Wirkungsraum zu erobern.

Hintergrund: Über den Games und XR Mitteldeutschland

Der Verband „Games & XR Mitteldeutschland“ wurde mit dem Ziel gegründet, Mitteldeutschland als Hotspot innovativer Technologien und Unternehmen des technologischen Wirtschaftssektors der Games- und XR-Anwendungen zu etablieren.

Dazu arbeitet der Verband eng mit seinen Mitgliedern aus Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt sowie branchenfremden Akteuren aus Wirtschaft und Politik zusammen. Unterstützt wird er dabei u. a. von der Stadt Leipzig und der Mitteldeutscher Medienförderung.

Meldung des Verbands Games & XR Mitteldeutschland e.V.

Print Friendly, PDF & Email
2 Kommentare

Kommentar schreiben