Der Strukturwandel in den Revieren ist die eigentliche Herausforderung

25. September 2018 | Politik | 6 Kommentare

Zur gestrigen Sitzung der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ („Kohlekommission“) in Halle und der Forderung von Ministerpräsident Haseloff von 60 Milliarden Euro für den Strukturwandel erklärt Britta-Heide Garben, Landesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen Anhalt:

„Dass wir den Ausstieg aus der Braunkohle brauchen, um das Klima zu retten, ist wohl inzwischen von den meisten Politikerinnen und Politikern verstanden worden. Jetzt geht es nur noch um das Wann und Wie. Braunkohle ist das schädlichste Element für unser Klima. Die schmutzigen alten Braunkohlekraftwerke blasen wesentlich mehr klimaschädliches CO2 in die Luft als beispielsweise fossile Gaskraftwerke. Der Kohleausstieg kann aus unserer Sicht daher nicht früh genug kommen. In Sachsen-Anhalt haben wir ihn für das Jahr 2035 im Koalitionsvertrag von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen.

Für die Akzeptanz des Kohleausstiegs vor Ort in den Revieren ist es dringend notwendig, jetzt den Strukturwandel zu planen und Gelder dafür einzustellen. Die heute von Ministerpräsident Haseloff geforderten 60 Milliarden Euro werden dafür schlichtweg nicht reichen, wenn damit alle Braunkohlegebiete Deutschlands über Jahre abgedeckt werden sollen. Klar ist auch, dass es um knallharte wirtschaftliche Interessen geht. Es darf nicht so kommen, dass am Ende die Bürgerinnen und Bürger den Großteil des Strukturwandels finanzieren müssen, während die großen Energieerzeuger jahrzehntelang Subventionen einstreichen und milliardenschwäre Gewinne erzielen konnten.“

Und der Umweltverband BUND meinte zur gestrigen Tagung in Halle: Besser wäre es jedoch gewesen, sich direkt in Pödelwitz, Profen oder an der braunen Pleiße ein eigenes Bild davon zu machen, welche Verheerungen der Abbau und die Verstromung der Braunkohle auf Umwelt, Landschaft und Bevölkerung haben.

In Sachsen und Sachsen-Anhalt zerstörten die Tagebaue bisher 126 Ortsteile und Orte. Mehr als 51.000 Einwohner mussten bislang umgesiedelt werden. Zuletzt verschwand zwischen 2006 und 2010 der sächsische Ort Heuersdorf. Der Ort Pödelwitz bei Leipzig soll, wenn es nach den Plänen der MIBRAG geht, einem weiteren Abbaufeld weichen.

Statt Tagung wäre ein echter Besuch in den Verheerungsgebieten des Abbaus notwendig gewesen

Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen, erklärt: “Einfach nicht hinschauen, auch wenn das Problem direkt vor einem liegt – solche emotionalen Verdrängungs-Tricks haben nichts mit rationaler Politik zu tun. Dabei ist die Braunkohle schon volkswirtschaftlich der teuerste Energieträger und ihre Nutzung damit ökonomisch irrational, wenn man die Folgekosten durch Atemwegserkrankungen wie Krebs oder durch den Klimawandel einbezieht. Außerdem verpflichtet Artikel 2 des allseits gefeierten Pariser Klima-Abkommens alle Staaten rechtsverbindlich, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 und möglichst sogar 1,5 Grad zu begrenzen. Mit den Daten des Weltklimarats bedeutet das, dass wir in sämtlichen Sektoren weltweit in maximal zwei Dekaden bei Nullemissionen und null fossilen Brennstoffen ankommen müssten. Der Strom, um den es bei der Braunkohle geht, ist dabei noch am leichtesten, verglichen mit Gebäuden, Verkehr, Landwirtschaft oder Kunststoffen.“

Ralf Meyer, BUND-Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt, ergänzt: „Wenn die Kommission ihrem Auftrag, einen ökologisch und sozial verträglichen Kohleausstieg zu finden, gerecht werden will, muss sie unverzüglich ein Braunkohle-Moratorium von der Bundesregierung einfordern. Ich erwarte auch von der Kommission, dass sie Bundesregierung und die Landesregierung in NRW auffordert, die Rodungspläne im Hambacher Wald zu stoppen. RWE darf keine neuen Fakten schaffen, dies gefährdet den angestrebten Konsens in der Gesellschaft.“

Braunkohle ist für die Versorgungssicherheit bald nicht mehr notwendig. Beispielsweise Leipzig und Chemnitz wollen in den kommenden Jahren aus der Versorgung durch das Kraftwerk Lippendorf beziehungsweise den Tagebau Vereinigtes Schleenhain aussteigen. Wind- und Solarenergie könnten die Kohle ersetzen gemeinsam mit Stromspeichern und technologischen Neuerungen wie Power-to-X.

Die Bundesregierung hat ihr eigenes, ohnehin hinter dem Paris-Abkommen zurückbleibendes Ziel, den Treibhausgasausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren, hat die aktuelle Bundesregierung bereits zu den Akten gelegt. Überflüssige Kohlekraftwerke und überdimensionierte Tagebaue sollten baldmöglichst stillgelegt werden. Für diese Einsicht wäre ein echter Besuch im Mitteldeutschen Kohlerevier dringend notwendig gewesen.

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