Der Prozess gegen die Katalanen
11. Februar 2019 | Politik | 26 KommentareJa, wir bezahlen heute noch Renten an Mitglieder oder Angehörige der „Blauen Division“, Francos Söldner im Dienste Hitlers im Terrorkrieg gegen Stalins UdSSR. Die Opfer der Legion Condor sind dagegen nicht entschädigt worden. Warum schreibe ich das? Weil es viel aussagt über unseren Umgang mit der Diktatur und dem anschließenden Königreich in Spanien. Dort ist jetzt eine Demokratie. Das beruhigt uns und Spanien gehört zur Europäischen Union. Dann kann dort ja nichts verkehrt laufen. Ja, aber leider ist Spanien eine Demokratie mit fortlebenden Strukturen aus der jahrzehntelangen franquistischen Gewaltherrschaft. Dazu gehört auch das Beharren auf einen Zentralstaat und die Abneigung gegen förderale Strukturen. Und nein, Spanien ist keine Nation. Spanien ist ein Vielvölkerstaat bestehend aus Galiziern, Kastiliern, Katalanen und Basken, um nur die größten Gruppen zu nennen.
Am 12. Februar, morgen und das ist auch der Grund für diesen Artikel, werden die Prozesse gegen mehrere katalanische Protagonisten der Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien anfangen. Herr Pere Grau Rovira, ein Katalane der vor Franco nach Deutschland geflohen ist, schrieb uns dazu: „Vergegenwärtigen wir uns wieder, wer diese Gefangenen sind: sechs Landesminister einer widerrechtlich abgesetzten Regierung, eine Parlamentspräsidentin, die nur nach dem Reglement des Hauses entschieden hatte, und zwei Pazifisten, Vorsitzenden der zwei größten Bürgervereine Kataloniens (einer davon Abgeordneter des katalanischen Parlaments). Und erinnern wir uns auch, dass sowohl die Anklagen gegen alle neun wie auch ihre Inhaftierung eine gravierende Verletzung des spanischen Strafgesetzbuches und der juristischen Ordnung darstellen.“ Die Angeklagten, die wie Schwerverbrecher von der paramilitärischen Guardia Civil, nach Madrid transportiert worden sind, wären wohl in keinem anderen europäischen Land für ihre „Taten“ vor Gericht gestellt worden. Das zeigt auch die Ablehnung von Auslieferungsanträgen von weiteren Angeklagten, die von UK, Deutschland und Belgien abgelehnt worden sind. Herr Grau Rovira hält den Prozess gegen die Vertreter der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung deswegen für einen politischen Prozess. An anderen Orten wird bereits von einem Scheinprozess geredet.
Die Hintergründe des Prozesses und die Angeklagten sind bei Blickpunkt Katalonien übersichtlich dargestellt, hier einzusehen…
Der Prozess wird auch von spanischen Juristen als kritisch eingeschätzt. Besonders die Anklagen gegen die ehem. Parlamentspräsidentin Carme Forcadell widersprechen allen europäischen Prinzipien von Demokratie.
Scheitert daran die spanische Regierung von Pedro Sánchez?
Das Problem liegt für die spanische Regierung von Sánchez, der bislang jeden Dialog elegant umschifft oder gar verweigert hat, dass seine Regierung auf die Stimmen der katalanischen Unabhängigkeitsparteien angewiesen ist. Nicht nur der Haushalt der Regierung könnte scheitern, sondern es könnte zu Neuwahlen kommen. Es wird schon der Monat April gehandelt. Gestritten wird auch um eine mögliche Exhumierung von Franco und seine „Verlegung“ in ein fast genauso monumentales Familiengrab der Familie Franco (Das stelle man sich in Deutschland mit Hitler vor!). Geht es Deutschland etwas an? Ja, es geht auch uns etwas an, da Parteien wie die CDU und FDP Parteien in Spanien als Partner (PP und Ciudadanos ) akzeptieren, die offen mit der klar faschistischen Partei Vox zusammenarbeiten, und dazu kein Problem mit franquistischen Traditionen haben. Und da schließt sich irgendwie der Bogen zur „blauen Division“ und den immer noch gezahlten Renten.
ToK
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Schotten sehen sich als Schotten, Waliser, Engländer= Vereinigtes Königreich. Basken in Frankreich und Spanien, Korsen sind nie Franzosen, da wette ich. Und Sizilianer? Das ist schon ein Problem, das Ernst genommen werden sollte. Und ja die Bayern haben mit Bismark nur mitgemacht, weil sei ein paar Privilegien erhalten haben.
Mit den USA übrigens in keinster weise vergleichbar.
Noch etwas für die Juristen, direkt von Krystyna aus BCN:
https://www.icj.org/spain-trial-of-catalonian-leaders-imperils-human-rights/
Das Hauptziel war es, das geschwächte ehemalige Bürgerkriegsland, geeint zu halten und gleichzeitig behutsam zu modernisieren, ist wohl verfehlt worden, „nationale“ Egoismen in den Fordergrund uu stellen, halte ich auch nicht für verteidigungswert, Uns nerven die Bayern auch.
„Nation? Wer gehört dazu? Die Katalanen haben da eher eine offenen Def.: Katalane ist, wer sich katalanisch fühlt. “
Sehr pathetisch, aber nichts sagend. Von der Praktikabilität und Justiziabilität dieser Definition wollen wir lieber gar nicht reden. Mit so einer Definition, besser gesagt Maxime, kann man dem demokratischen Rechtsstaat nur gute Nacht wünschen.
„Aufarbeitung des Franquismus? Genau das verhindern PP, Cs, PSOE seit Jahrzehnten“
Und alles wird besser, wenn die katalanischen Minderheitsparteien das Stürzen der sozialistischen Regierung (mit)herbeiführen? Gerade in einer Zeit, in der die o.a. rechten bzw. rechtspopulisten Parteien in Spanien im Vormarsch sind?!
Sehe ich doch genau so wie Du, @fractus.
sry, meine Ironiebrille war schon intakt, nur Eure nicht.
Grundsätzlich machen die Katalanen die Spanier ebenso für alle möglichen Probleme verantwortlich, wie in der BRD die AfD die Ausländer. Deswegen halte ich von der ganzen Debatte genau genommen gar nichts.
@fractus, du hast die Ironiebrille wieder nicht aufgehabt. Setz sie auf und lies nochmal 🙂
@heiwu,
wo ist das Faschismusproblem gelöst? Und gibt es danach im Saarland keine Faschos mehr?
Ja, auch das ist ein Teil des Problems. Warum noch diese Nationalstaaten?
Nation? Wer gehört dazu? Die Katalanen haben da eher eine offenen Def.: Katalane ist, wer sich katalanisch fühlt. Sie fühlen sich als Europäer und hoffen deswegen endlich auf Vermittlung. PP, Cs und Vox sind da völkischer orientiert: Katalanen sind Spanier (auch wenn wir sie nicht mögen und nur ihre Steuereinahmen und ihre Wirtschaftsleistung wollen) und es ist eine innere Angelegenheit Spaniens. Wir haben zwar das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ unterschrieben, aber das gilt für Basken, Katalanen (eigentlich auch nicht für Portugiesen, aber es würde auffallen, wenn wir dort einmarschieren würden) etc. nicht. Denn es sind ja Spanier und die sind schon selbstbestimmt mit ihrem König, den Franco so gottbefohlen eingesetzt hat.
Am Ende möchte ich dem tapferen jungen Mann danken, der heute mit einer spanischen Fahne um die Schultern mitten in einer Demonstration der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung marschiert ist. Er trug ein Schild in den Händen, auf dem stand: „Ich bin gegen die Unabhängigkeit, aber ich verurteile, wie jetzt gegen unsere Leute vorgegangen wird.“
Spontan wurde er umarmt und bejubelt. Kurz: Viele sind gegen die Unabhängigkeit, aber sie wollen es selbst entscheiden können. Wie dieser junge Mann. Demokratisch. Und darum geht es. Wir haben hier darüber schon berichtet.
https://hallespektrum.de/nachrichten/politik/die-lage-in-catalunya-und-spanien-es-geht-um-meinungsfreiheit/323833/
und waren auch selbst vor Ort.
@fractus, das ist ganz einfach. Statistisch gibt es mehr Nazis in Sachsen als im Saarland. Wenn das Saarland sich abspaltet, ist das Naziproblem gelöst. Merke: global denken, lokal handeln! 🙂
Ich mag zwar vielleicht gerade auf dem Schlauch stehen, aber ich verstehe gerade nicht wieso eine Katalanische Abspaltung in irgendeiner Weise das spanische Faschismusproblem lösen soll? Wird die notwendige Faschismusaufarbeitung und Faschismusdebatte nicht gerade durch den katalanischen Separatismus-Diskurs verdrängt?
Wer Menschen in „Nationen“ einteilt, ist vom Nationalismus nicht weit entfernt.
Was ist eigentlich eine Nation? was eine „Nationalität“ ?
Die Tagesschau mit einem Interview:
https://www.tagesschau.de/ausland/katalonien-politikwissenschaft-101.html
Ein sachlicher Kommentar zum Thema aus Österreich:
https://derstandard.at/2000097880082/Prozess-gegen-Separatisten-politische-Antworten-statt-nach-strafrechtlicher-Verfolgung
Dem kann ich voll zustimmen.
@redhall: Natürlich sind die erwähnt: Kastillier, aus der kleinen Grafschaft Kastilien entstanden, die sich im frühen 16. Jahrhundert mit dem Königreich Aragón-Catalunya zum Königreich Spanien vereinigt hat. Teilweise gehörte sogar Halle zu diesem Reich, dass in Personalunion mit dem Heiligen Römischen Reich regiert wurde. Spanisch heißt auch heute noch Castellano. 570 Millionen Menschen sprechen diese Sprache in vielen unterschiedlichen Ländern. Die gehören aber alle keiner spanischen Nation an.
Es gibt Millionen Spanier, die sich als Nation verstehen, wieso werden sie nicht erwähnt?
Ich bin noch am Anfang, habe aber schon mal gelernt, dass es „die Katalanen“ gibt. Das ist bei Deutschen oder Muslimen nicht der Fall. Hm????
Natürlich, Du würdest nie mit der NPD zusammen eine Demo. organiseren? Aber genau das machen Parteien wie PP und Cs in Spanien zusammen mit der faschistischen Vox. Aufarbeitung des Franquismus? Genau das verhindern PP, Cs, PSOE seit Jahrzehnten. Regionalparteien und die Kirche haben begonnen Massengräber zu heben, damit Angehörige endlich Bescheid über das Schicksal ihrer Familienmitglieder wissen. Die PP stoppt diese Maßnahmen, wenn sie kann. „Für alte Knochen geben wir kein Geld“, wie eine PP-Senatorin kürzlich sagte. Das monumentale Denkmal für den Franquismus in der Nähe von Madrid (Monumento Nacional de Santa Cruz del Valle de los Caídos). Die Sozialdemokraten in Spanien trauen sich nicht daran. Die Exhumierung des Diktator ist ein Politikum. Förderalismus? Der hätte einiges verhindern können. Bekämpfung der Korruption, gerade auch was Fehlleitung von europäischen Steuergeldern betrifft. Fehlanzeige. Politiker ist bei bei der Jugend in Spanien ein Schimpfwort. Differenziert genug?
Nein, wir gehen jetzt ans Lagerfeuer und singen „Spaniens Himmel“ und gröhlen „Freiheit“ und fühlen uns dann alle gut. War doch so schön…. damals! Genosse, bitte Feuer nachlegen! Alternativ können wir auch Karten für Ebro-Schlacht-Reenactment verlosen. Interesse?
„Genauso wie Antisemitismus hat Einschränkung der Meinungsfreiheit in Europa auch etwas mit Halle zu tun. Die europäischen Partner von Parteien wie CDU, FDP gebärden sich in alter franquistischer Tradition“
Geht es auch noch eine Spur differenzierter?
Die Welt hat auch einiges dazu zusammengetragen
https://www.welt.de/politik/ausland/article188608379/Katalonien-Prozess-gegen-Separatisten-um-Oriol-Junqueras-beginnt.html
und zieht das Fazit:
„So viel ist jedenfalls jetzt schon klar: Wenn sich zu einem möglichen Regierungswechsel in Madrid noch ein harter Urteilsspruch im Prozess gegen die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter gesellt, wird sich der Konflikt in Katalonien nur noch weiter verschärfen. Das glaubt auch der Anwalt Andreu van den Eynde: „Ein Urteil kann keinen politischen Konflikt lösen.““
Genauso wie Antisemitismus hat Einschränkung der Meinungsfreiheit in Europa auch etwas mit Halle zu tun. Die europäischen Partner von Parteien wie CDU, FDP gebärden sich in alter franquistischer Tradition. Auf Polen und Ungarn hinzuweisen, ist richtig, aber in Spanien ist alles in Ordnung?
Wozu willst du das wissen?
Wer schrieb diesen Artikel?
Und wohin Zentralismus führt, sieht man in Frankreich. Was ist dir lieber?
Wohin allerdings Förderalismus führt, sieht man in Deutschland: 16 mal Vorschriften und Gesetze, Lehrpläne etc. Kaum etwas ist vergleichbar, unterbrechbar, fortsetzbar…
Und auch Sachsen, Ostfriesen, Bayern würden wohl für separatistische Umtriebe belangt.
Der Vergleich von Franco mit Hitler hinkt allerdings sehr…
Dir kam also Halle noch nie spanisch vor?
http://www.spiegel.de/politik/ausland/spanien-premier-pedro-sanchez-ist-den-katalanen-ausgeliefert-a-1252764.html
Ein runder Artikel als der Hallespektrum-Aufsatz. Dennoch bleibt mir der Bezug zu Halle bzw. LSA verborgen.