Bernd Lucke im Gespräch

2. März 2016 | Politik | 10 Kommentare

Die Zeit titelte: »Verdorrt im Schatten der AfD« und die FAZ: »Lucke, Henkel und Co. Der einsame Kampf der Alfa-Männer«.  Neutrale Transparenz ist das nicht. Eher päjorative, also negativ aufgeladene Texterstellung. Deshalb besser genaue Zitate als zusammengefasste Vorurteile. Und Wettbewerb ist immer gut für den Verbraucher, warum soll das in der Politik anders sein? Schauen wir uns das mal genauer an, was da im Regal steht: ALFA!

Wer ist Bernd Lucke und was will die ALFA-Partei?

HS: Sind Sie das erste Mal in Halle?

Lucke: Nein überhaupt nicht, ich war schon sehr oft in Halle. Meine Familie kommt zu einem Großteil aus Halle. Mein Großvater hat hier Abitur gemacht an den Franckeschen Stiftungen und diese Familie hat dann bis in die 70er Jahre hinein in Halle gewohnt.

HS: Und wie dann in den Westen gegangen?

Lucke: Sie sind dann in Rente gegangen, haben eine Besuchserlaubnis für West-Berlin bekommen und sind dann dort geblieben.

HS: Dann haben Sie ja einen guten Vorher-Nachher-Blick auf Halle, was würden Sie da zu der Entwicklung sagen?

Lucke: Ja also ich war kurz nach der Wende in Halle und ich muss sagen, Halle hat sich sehr sehr positiv entwickelt. Es gibt große Schwierigkeiten, aber es ist gar kein Vergleich zu dem Zustand, den man vor 25 Jahren hatte.

HS: Was finden Sie in Halle verbesserungswürdig?

Lucke: Die Verkehrsinfrastruktur. Halle braucht dringend eine funktionierende Umgehung.

HS: Was ist mit der Straßenbahn?

Lucke: Da kenne ich mich natürlich nicht im Detail aus aber ich halte es für sehr sinnvoll, dass es nutzungsorientierte Tarife gibt und dass die Preise so attraktiv gestaltet werden, dass man das Auto auch einmal stehen lässt. Ich meine, die Subtitution des Autos durch den ÖPNV sollte durch eine Preisgestaltung gefördert werden. Den Preis zahlt zunächst der Passagier und was dann noch zur Kostendeckung notwendig ist, muss aus Steuermitteln finanziert werden.

 

HS: Die Strategie des Oberbürgermeisters ist: Ansiedeln von Wirtschaft, Bedeutungshebung der Kultur, Unterstützung von Quartieren und Vor-Ort-Initiativen … würden Sie das auch so machen oder nicht?

Lucke: Ich meine, das sind alles sehr schöne Ziele, das unterstütze ich alles, aber man muss natürlich Prioritäten setzen und ich glaube für Halle muss die Priorität wirklich die Stärkung der regionalen Wirtschaft sein.

HS: Was gehört da dazu?

Lucke: Dazu gehört, dass man Infrastruktur zur Verfügung stellt, dazu gehört, dass man Gewerbegebiete erschließt und ausweist und den Unternehmen zu vernünftigen Konditionen anbietet und es gehört dazu, dass wir auch eine vernünftige Schulbildung und Berufsausbildung haben, dass der Arbeitsmarkt auch die Arbeitskräfte liefern kann, die die Unternehmen brauchen.

HS: Weiß die Politik besser, was eine gute Wirtschaftsstruktur für Sachsen-Anhalt wäre?

Lucke: Nein, das würde ich gerade nicht sagen. Die Politik sollte sich über die anzusiedelnden Branchen nicht diese Gedanken machen. Die Politik muss die Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen. Das ist Infrastruktur, das ist Bildung und das ist auch sehr stark angewandte Forschung. Die Politik sollte selbstverständlich die Universitäten fördern und sie sollte gucken, dass Clusterbildung entsteht rund um die Universitäten herum (Ausgründungen). Ich halte sehr viel von Fachhochschulen und Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Wir brauchen also Universitäten und vor allem Hochschulen, die mit der Wirtschaft die angewandte Forschung betreiben. Das muss durch die Politik des Lande be- und gefördert werden.

HS: Wären Sie dafür, dass diese genannten Bildungseinrichtungen stärker dafür verantwortlich sind, dass ihre Studenten nach Abschluss auch wirklich einen Arbeitsplatz entsprechend ihrer Bildung erhalten?

Lucke: Das würde ich als früherer oder ruhender Professor nicht gerne haben. Diese Bildung wird sehr stark determiniert durch die Ministerien. Das Ministerium sagt einem, was man an Personal bekommt, das Ministerium sagt einem, wie viele Studenten dieses Personal betreuen muss und welche Durchfallquoten erlaubt sind.

HS: Woher weiß das Ministerium, dass das genau das ist, was die zukünftige Wirtschaft an Bildung verlangt?

Lucke: Das weiß das Ministerium natürlich nicht, deshalb bin ich gegen diesen Dirigismus. Ich hätte viele Sympathien dafür, ob nicht eine Universität auch beteiligt werden sollte an den Steuererträgen der regionalen Wirtschaft in ihrem Umkreis, so dass die Universität auch einen Anreiz hat, wirtschaftsnahe Forschung zu befördern und sozusagen als Universitäten auszustrahlen auf das wirtschaftliche Umfeld.

HS: Sollten Musikschulen staatlich sein?

Lucke: Ich finde nicht, dass Musikschulen staatlich sein sollten. Es gibt einen Pflichtteil in der Bildung, den bezahlt der Staat und die freiwilligen Dinge, Kunst oder andere Sachen, das müssen die Eltern selbst bezahlen. Ich finde die Mischung der Finanzierung gut bei den Musikschulen. Wir haben hier ein reiches Angebot. Ich habe in den USA gelebt, da müssen Sie aber suchen, dass Sie eine Musikschule finden.

HS: Haben Sie einen Vorschlag für bessere Bildung in der Schule?

Lucke: Ich war immer ganz angetan davon, dass die Schulen sich aussuchen können, nach welchem Lehrplan sie unterrichten. Also dass die Schulen in Sachsen-Anhalt nicht nach dem Lehrplan von Sachsen-Anhalt unterrichten müssen, sondern sagen können, wir nehmen uns den Lehrplan aus Sachsen oder aus Bayern …

HS: Was ist aber mit der Abwanderungsquote?

Lucke: Die Abwanderungsquote senken ist mir ein viel zu niedriges Ziel. Eigentlich müsste man ja Zuzug fördern. Sachsen-Anhalt ist doch eigentlich ein sehr schönes Land, ein sehr traditionsreiches Land. Manche ostdeutsche Länder haben das ja geschafft, dass Westdeutsche nach Ostdeutschland zuziehen, es ziehen Leute nach Sachsen und es ziehen Leute nach Brandenburg. Dann muss man ordentliches Marketing machen und den Leuten sagen: hier gibt es billige Grundstücke zu kaufen, hier gibt es schöne Immobilien zu kaufen. Hier könnt ihr herkommen und hier gibt es auch ein gutes Bildungssystem, das muss man aber auch wirklich zusehen, dass das da ist das gute Bildungssystem.

HS: Sie sind jetzt 54 Jahre alt, in 13 Jahren gehen Sie in Rente, das sind nur noch 2 oder 3 Legislaturperioden, wo liegt Ihre Zukunft: eher im Landtag Sachsen-Anhalt, eher im Bundestag oder eher im Europaparlament?

Lucke: Ich interessiere mich für den Bundestag. Ich will ja nicht unbedingt ganz nach oben (Bundeskanzler oder so). Ich wäre zum Beispiel gern Wirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt. Wenn meine Familie hierher kommt (Lachen). Ich glaube ich könnte viel für dieses Land machen.

HS: Frau Nahles trennt sich von ihrem Mann, Herr Maas trennt sich von seiner Frau, wie sieht es da bei Ihnen aus?

Lucke: (lacht) Herr Lucke ist mit Frau Lucke glücklich verheiratet. Ich habe wirklich das Glück, dass ich in einer stabilen und harmonischen Beziehung mit meiner Frau lebe. Natürlich ist es so, dass ich jetzt in meinem politischen Leben für meine Frau und meine Kinder viel weniger Zeit habe. Als Professor war Familienzeit viel mehr vorhanden, als Politiker viel viel weniger.

HS: Wie wird das kompensiert?

Lucke: Das wird dadurch gestützt, dass meine Frau mein Engagement für sehr wichtig hält, auch meine Kinder halten das für wichtig, sie sind zum Teil selbst bei ALFA Mitglied.

HS: Wie oft sehen Sie ihre Kinder in der Woche?

Lucke: Drei Kinder sind schon außer Haus und die beiden Mädchen sehe ich so 2 bis 3 Abende die Woche.

HS: Werden Sie 2019 Ihren Lehrstuhl in Hamburg wieder aufnehmen?

Lucke: Ich nehme meinen Lehrstuhl wieder auf, wenn ich aus der Politik ausscheide. Solange ich ein Mandat habe, ruht die Professur, das ist das Beamtengesetz. Lege ich das Mandat nieder, kann ich jederzeit wieder an die Universität zurück … In dem Augenblick, in dem ich den Eindruck hätte, meine Familie wäre nicht mehr intakt, würde ich Schluss machen mit der Politik. Ich bin nicht abhängig von der Politik. Es gibt Leute, die müssen Politik machen, weil sie keine andere berufliche Zukunft haben, aber ich habe eine gesicherte Existenz auch außerhalb der Politik.

HS: Wäre die Welt ein besserer Ort, wenn alle sehr intelligent wären?

Lucke: Ich glaube das nicht. Ich glaube mehr an den gesunden Menschenverstand als jetzt an Intellekt. Es gibt viele Beispiele für sehr intelligente Menschen, die ihr Land in eine Katastrophe geführt haben. Ein Intellektueller neigt dazu, den Kontakt zur Realität zu verlieren … Ich habe immer dieses »down to the earth« (Erdverbundenheit, Geerdetsein) betont, das muss man haben …

HS: Wie ist das dann mit den Flüchtlingen und den zwei Positionen, die einen schließen die Grenzen und die anderen wollen die Grenzen während der gesamten Verhandlungen offen halten, finden Sie die Grenzschließungen gut?

Lucke: Wenn die Leute sich in Griechenland stauen, dann haben die Leute in der Türkei keinen Anreiz, überhaupt zu kommen. Die kommen dann aus dem türkischen Flüchtlingslager in ein griechisches Flüchtlingslager und das ist nicht das Ziel der Reise gewesen.

HS: Insofern sehen Sie die Grenzschließungen als sinnvoll an?

Lucke: Es ist nicht schön, aber wir haben keine sehr gute Lösung zur Zeit. Deshalb muss man das jetzt erstmal machen, dass man den Flüchtlingen signalisiert: dieser ganz wilde illegale Prozess, einfach die Grenze niederzutrampeln, das geht nicht. Wir müssen das wieder in geordnete Bahnen lenken … Ich finde, die Flüchtlinge sollten die Anträge in den Lagern stellen, denn dort haben wir wirklich Flüchtlinge. Es wird da auch viel in der deutschen Sprache beschönigt, es heißt immer Flüchtlinge … die EU-Kommission hat aber selbst gesagt, mehr als 60% sind gar keine Flüchtlinge … Viele kommen aus wirtschaftlichen Gründen, das kann man auch gar nicht kritisieren … aber bei humanitären Katastrophen müssen wir zunächst den Leuten helfen, die wirklich vor Krieg und Verfolgung fliehen.

HS: Erklären Sie bitte noch einmal die atmende Obergrenze?

Lucke: Atmende Obergrenze bedeutet, die Städte und Gemeinden können selbst entscheiden wie viele Flüchtlinge sie aufnehmen können und wollen nur unter dem Gesichtspunkt der Integrationsfähigkeit und der Aufnahmekapazität.

HS: Und wenn die sagen: 0?

Lucke: Viele werden jetzt sagen 0 … Aber es gibt auch Städte wie Gera zum Beispiel, die wollen mehr Flüchtlinge aufnehmen.

HS: Sie machen dann die Grenze zu?

Lucke: Wir machen die Grenze zu für alle, die illegal hierher kommen … Wir wollen uns an die Dublin-Regeln halten … Insgesamt dürfen wir nicht zwangsweise sagen, wir weisen die Flüchtlinge zu, das funktioniert nur durch Freiwilligkeit … Mit der Grenzschließung verteidigen wir auch den Sozialstaat … Deshalb wehre ich mich immer dagegen, dass wir eine rechte Partei sind. Das Verteidigen des Sozialstaats ist eigentlich ein linkes Anliegen. Heute werden die Linken ihren Prinzipien untreu und sagen: refugees welcome, sie können alle zu uns kommen.

HS: Wie definieren Sie politisch rechts zu sein?

Lucke: Es ist ziemlich schwer, rechts zu definieren. Ich kann rechtsextrem definieren. Rechtsextrem bedeutet, dass man anti-parlamentarisch ist. Rechtsextrem ist, dass man was gegen Ausländer hat, die aus dem Land rausschmeißen möchte oder verprügelt. Rechtsextrem heißt, dass man revanchistisch ist, also die alten Ostgebiete wieder zurück erobern möchte. Das ist für mich rechtsextrem.

HS: Was ist nun genau rechts?

Lucke: Was ist nun genau rechts, schwierig zu sagen. Es gibt so Leute, die hatten wir in der AfD, die sind so Verschwörungstheoretiker, die kommen dann an, ja Deutschland ist nicht frei, die Amerikaner die Bösen, die kontrollieren hier immer noch alles oder die Bilderberger und so komische Gruppen. Das ist wirklich Schrott oder rechts oder einfach nur verrückt oder bizarr oder so was Ähnliches. Wenn es eine demokratische Mitte gibt, gibt es auch eine demokratische Linke und eine demokratische Rechte, aber da bringen diese Begriffe eigentlich nicht sehr viel.

HS: Was sind Sie dann?

Lucke: Ich habe immer gesagt, ich bin Christdemokrat … ich bin durchaus jemand, der wirtschaftsliberal und ich bin in manchen Haltungen durchaus konservativ, was Familie anbelangt. Das mischt sich und hängt von der Fragestellung ab. Eine einfache Rechts-Links-Klassifizierung ist mir ehrlich gesagt zu primitiv.

HS: Wie sehen Sie Wahlen?

Lucke: Ich sehe es eher so, dass die Auswahl geringer geworden ist, das sagen mir auch viele Menschen. Sie gehen deshalb nicht wählen, weil es sowieso alles dasselbe ist.

HS: ALFA verlangt, dass zahlungsunfähige Länder keine Kredite mehr erhalten sollen, wer soll das dann machen?

Lucke: Ich bin nicht dafür, dass gesunde Länder jene finanzieren, die unvernünftig waren. Die zahlungsunfähigen Länder müssen dann in eine geordnete Staatsinsolvenz gehen.

HS: Was machen wir in Zukunft mit den Banken, die straucheln?

Lucke: Wir sind der Auffassung, dass die Banken genügend Eigenkapital halten sollten. Zur Zeit haben wir eine Eigenkapitalerfordernis von 8%. Wir sind der Auffassung, die soll auf 25 bis 30% erhöht werden, damit die Banken dann, wenn sie in Schwierigkeiten kommen, genügend eigene Reserven haben.

HS: ALFA ist gegen Staatsanleihenkäufe durch die EZB, ist das ein Ponzi-Schema?

Lucke: Es stimmt, dass Staatsschulden nie voll zurückgezahlt werden, das liegt aber daran, dass der Staat ewig lebt. Jeder einzelne Bürger muss natürlich sehen, kann ich das in meinem Leben zurückzahlen, aber ein Staat lebt ewig und insofern ist der Begriff Ponzi-Schema hier nicht ganz zutreffend … Aber das Gelddrucken der EZB, das über Staatsanleihen den Staaten erlaubt, sich abseits des Kapitalmarktes zu verschulden ist gegen die Europäischen Verträge, es führt zu gewaltigen Fehlallokationen, es führt dazu, dass die Menschen keine Altersvorsorge mehr aufbauen.

 

HS: Finden Sie das Inflationsziel der EZB richtig (bis unter 2%)?

Lucke: Ich finde, die Inflationsraten von 0 bis 2% sind alle OK. Was man natürlich nicht haben darf, ist, dass wir in eine Deflation kommen … Die Unternehmen nehmen weniger ein, dadurch entlassen sie Leute, die haben dann weniger Kaufkraft, dann können sie noch weniger bei den Unternehmen kaufen, das ist eine schreckliche Spirale, Deflation muss man unbedingt vermeiden.

HS: Woran leidet die Eurozone?

Lucke: Die Eurozone leidet unter einer extremen Investitionsschwäche. Und die Investitionsschwäche kommt daher, dass ein Großteil der Eurozone nicht wettbewerbsfähig ist.

HS: Was muss man da tun?

Lucke: Den Euro auflösen, abschaffen, in kleinere Verbünde aufspalten, was auch immer … Dann können die Länder ihre eigene Währung abwerten und werden wettbewerbsfähiger.

HS: Aber Wettbewerbsfähigkeit hängt doch nicht nur am Preis? Eine billige Seife, die nicht richtig wäscht, noch billiger zu machen, würde das helfen, würden Sie so eine Seife kaufen?

Lucke: Unter bestimmten Bedingungen ja. Natürlich, eine Seife, die gar nicht wäscht, würde ich natürlich nicht kaufen … Es gibt verschiedene Wege, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Die Eurozone ist den Weg gegangen der internen Abwertung … das heißt, die haben die Löhne sinken lassen … und in solchen Ländern, da gibt es gar keinen richtigen Wettbewerb, da gibt es vielleicht nur einen Anbieter pro Branche, deshalb hat dieser Anbieter die Preise auch nicht gesenkt … Der Euro hat eindeutig Frankreich benachteiligt gegenüber Deutschland … Gucken Sie sich Finnland an … Finnland jammert heutzutage über den Euro, Finnland sagt, wir brauchen 20 bis 30% Abwertung.

HS: Wie schaffen das die USA?

Lucke: Die USA schaffen das durch eine hohe Mobilität der Bevölkerung zwischen den unterschiedlichen Bundesstaaten. Sie haben dieselbe Sprache und wenn irgendwo in einem Bundesstaat zu wenig Arbeitsplätze existieren, dann zieht die Bevölkerung ohne viel Federlesens in einen anderen Bundesstaat, wo die Wirtschaft boomt … Aber in Europa mit den unterschiedlichen Völkern, unterschiedlichen Sprachen, haben wir diese Mobilität der Bevölkerung nicht. Die Griechen wollen nicht nach Deutschland ziehen.

HS: Sehen Sie den Euro in 10 Jahren noch da?

Lucke: Ha, wenn der Draghi in 10 Jahren noch da ist, dann ist auch der Euro noch da. Das kommt darauf an, wie viel Geld man da noch reinsteckt. Zur Zeit zahlen wir Deutschen das durch entgangene Zinsen und ein langsameres Wirtschaftswachstum … und auch durch die Abwertung des Außenwerts des Euro …

HS: In dieser Generation sehe ich das einfach nicht, dass der Euro bricht, Sie?

Lucke: Ich auch nicht … Die Leute merken das nicht so, weil das so langsam dahin schmiert und deshalb haben wir nicht genügend politischen Widerstand. Das war eigentlich mein politisches Anliegen, dass ich diesen politischen Widerstand bündeln will.

HS: Was ist mit den negativen Zinsen?

Lucke: Die ganzen Negativzinsen sind natürlich eine Schweinerei, ja das ist eine Enteignung, die da stattfindet und besonders deshalb ist es eine Schweinerei, weil der Staat einem ja gar keine andere Möglichkeit lässt, denn er kontrolliert ja über den Einfluss auf die EZB praktisch die Konditionen bei allen Banken. Es ist finanzielle Repression.

HS: Und die wird jetzt 20 oder 30 Jahre laufen?

Lucke: Und die läuft möglicherweise sehr sehr lange.

HS: Schäuble will Negativzinsen aber nicht steuerlich als Verlust anerkennen, finden Sie das richtig?

Lucke: Na ja, derjenige, der sein Geld zu diesen Negativzinsen anlegt, der stimmt ja dem von Anfang an zu, der macht das ja nach der Logik unseres Systems freiwillig. Er könnte gegebenenfalls Bargeld halten und die negativen Zinsen vermeiden. Deshalb ist unsere Position: dieses drohende Bargeldverbot, das geht überhaupt nicht. Das ist der letzte Schutz, den wir noch haben … Die Schritte kommen jetzt. Die EU-Kommission hat jetzt vorgeschlagen, dass jeder ein Girokonto haben darf, das heißt, bald kommt es so, jeder muss ein Girokonto haben.

HS: Sind sie da dafür oder dagegen?

Lucke: Grundsätzlich finde ich das richtig, dass jeder ein Girokonto haben darf, aber ich befürchte, dass diese Vorschrift missbraucht wird

HS: Was ist denn dann die Welle, auf der ALFA schwimmen will, der Euro ist nicht mehr so das Thema, Flüchtlinge wollen Sie nicht so als Thema, was ist die ALFA-Welle?

Lucke: Also wir wollen nicht gegen Flüchtlinge agitieren, ganz richtig. Aber es gibt natürlich große Themen, die genauso zur Welle werden können, wenn sie dann eines Tages akut werden … Der Euro wird immer mal wieder aufpoppen … Dann ist die Rentenkrise da … wir haben viele Menschen, die 40 Jahre redlich gearbeitet haben, werden dann nur noch an der Armutsgrenze oder da drunter sein. Wir haben eine Bildungskrise und wir müssen mehr für Bildung tun.

ALFA ist glaube ich das beste Lösungskonzept, das überhaupt auf dem Markt ist (Lächeln).

HS: Wie kamen Sie auf ALFA als Name?

Lucke: Wir wollten einen aussprechbaren Namen haben, nicht einfach nur so was wie CDU, KPD, LDPD oder irgend so   was.

HS: Ist der Namensstreit schon ausgestanden?

Lucke: Also ich nehme den nicht so sehr ernst, der Rechtsstreit läuft noch.

HS: Personaldecke, wie viel sind Sie?

Lucke: Sachsen-Anhalt sind so 40, Baden-Württemberg hat glaube ich 450 oder so was. Insgesamt haben wir knapp 3000 oder 2800 oder so was.

HS: Wie kam es genau zu dem Schisma aus Ihrer Sicht?

Lucke: Da gab es Druck durch die Mitglieder. Es kamen dann immer mehr von diesen rechten Dumpfbacken. Und die haben immer mehr den bürgerlichen Teil der AfD zurückgedrängt, auch deshalb, weil sie sich nicht mehr mit diesen Verschwörungstheoretikern oder Spinnern oder so beschäftigen wollten, die ihre Ideen immer wieder vorgebracht haben … zum Beispiel der Zinseszins muss ja gerade dazu führen, dass alles zusammenbricht … da sagt sich dann ein vernünftiger Mensch, da gehe ich nicht mehr hin. Die Lauten und Dumpfen waren aber oft Leute, die auch berufliche Schwierigkeiten hatten. Die hatten Anreiz, in der Partei was werden zu wollen, die haben unheimlich viel Zeit eingebracht. Während normale Bürger, die voll im Beruf standen, die hatten gar nicht die Zeit … Ich möchte noch eins sagen, weil es oft so in der Presse heißt, die AfD wird dominiert von den Ost-Verbänden, aber das stimmt meines Erachtens gar nicht … aber der überwiegende Teil der ostdeutschen Mitglieder sind sehr einfache Menschen mit relativ geringer Bildung und Erfahrung, die oft sehr gutherzig sind … Das eigentliche Problem der AfD waren Westverbände, denn da sind wirklich die verbohrten Typen, die sind zum Teil sehr gebildet, Akademiker, die sich lange mit solchen Fragen beschäftigt haben, die haben einen Glaubenssatz und die sind fundamentalistisch: Beatrix von Storch. Das Tragische ist, dass die Ost-Verbände der AfD von Westlern geführt werden. Die instrumentalisieren die. Die Radikalisierung der AfD ist massiv im Westen verankert und nicht so sehr im Osten.

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