Autofreie Altstadt – Stadtrat gibt „Grünes Licht“

26. November 2020 | Politik, Soziales, Umwelt + Verkehr | 4 Kommentare

Wie soll Halles Altstadt in Zukunft aussehen? – In jedem Fall wird sie autofrei sein!

Das jedenfalls hat der Stadtrat gestern in einer öffentlichen Sitzung beschlossen. Demnach plädierten 29 der insgesamt 53 Abgeordneten für die Planung und Umsetzung des Konzeptes, für welches die Stadt bereits seit Langem wirbt. Neben 4 Enthaltungen sprachen sich allerdings auch 20 Volksvertreter gegen die Pläne aus.

Denkbar heftig fiel daher auch die Kritik am Konzept der autofreien Altstadt aus. In einer langen Diskussion und Einwohnerfragestunde verschafften sich auch zahlreiche Bürgerinnen und Bürger diesbezüglich Gehör: Viele Gewerbetreibende befürchten etwa große Umsatzeinbußen durch den möglichen Wegfall von Kundschaft und eine für Touristen weniger attraktive Innenstadt. Schließlich bestehe die Gefahr, Halle könne ohne eine gute Erreichbarkeit des Zentrums für Besucher schnell unattraktiv werden, hieß es.

Der Beigeordnete für Stadtentwicklung und Umwelt, René Rebenstorf, verteidigte das Konzept hingegen und argumentierte: „An der Erreichbarkeit der Altstadt wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Ich bin davon überzeugt, dass die autoarme Altstadt viel eher positive Effekte mit sich bringen wird!“

Viel Kritik gab es auch aufgrund der terminlichen Lage der Entscheidung zum Verkehrskonzept am gestrigen Tag: „Eine solche Entscheidung sollte für die Zeit nach der Pandemie angesetzt werden!“, hieß es da zum Beispiel. Denn angesichts der enormen Umsatzeinbrüche während des Lockdowns und der aktuellen Baustellen im Innenstadtbereich, kämpften schon jetzt viele Geschäfte um ihre Existenz. – Dies sah auch die CDU-Fraktion ähnlich. Der CDU-Abgeordnete Christoph Bernstiel äußerte: „Ausgerechnet mitten in der Corona-Pandemie kommt diese Vorlage. Ich bin sicher, dass viele Menschen nichts gegen die Pläne einer autoarme Altstadt an sich haben, aber dann müssen die Rahmenbedingungen eben auch stimmen!“

Positive Stimmen kamen hingegen von den Scientists for Future. Sie begrüßten das Konzept als ersten Schritt, der viele weitere Chancen mit sich bringe. Gründe dafür sehen sie vor allem in Städten, die bereits ein autofreies Zentrum haben und dadurch ihre Besucherzahlen deutlich steigern konnten. Oslo sei beispielsweise ein solches positives Vorbild.

Unterstützung erhielten sie unter anderem vom Bündnis 90/ die Grünen. Fraktionsvorsitzende Melanie Ranft erklärte dazu nach der Abstimmung im Stadtrat: „Für uns bedeutet diese Entscheidung einen ersten Erfolg nach langer grüner Vorarbeit. Halle hat nun gute Chancen, eine Vorreiterin bei der Umsetzung einer kommunalen Verkehrswende zu werden. Das ist nicht nur ein wichtiger Sieg für den Klimaschutz, sondern auch für die Aufenthaltsqualität in unserer schönen Altstadt. Aufgabe der Stadtverwaltung und des Stadtrates ist es nun, gemeinsam mit allen Beteiligten die geplanten Maßnahmen auszuarbeiten und umzusetzen.“

Im nun beschlossenen Konzept sind insgesamt 13 verschiedene Maßnahmen enthalten. Zunächst soll demnach der Altstadtring in ein Einbahnstraßensystem mit nur einer Fahrradspur umgewandelt werden. Außerdem sollen rund 500 Parkplätze in der Innenstadt wegfallen. Für ausgleichende Parkmöglichkeiten soll noch gesorgt werden, denn auf ausgewiesenen Plätzen der Altstadt dürfen dann nur noch Lieferverkehr, Handwerker, Schwerbehinderte und Wochenmarkthändler halten. Weitere Pläne sehen zudem vor, die Ampelschaltungen für Fußgänger und Fahrradfahrer zu optimieren.

„Der heutige Beschluss ist wegweisend für unsere Stadt. Klar ist aber auch, dass nun jeder Schritt konsequent in die Öffentlichkeit getragen und im Planungsausschuss darüber informiert werden muss. Außerdem wird das Verkehrsleitsystem noch angepasst werden müssen, damit frühzeitig auf die neue Einbahnstraßenregelung hingewiesen wird. Für die Anwohner mit Auto müssen weiterhin lebensnahe Parklösungen gefunden werden. Enttäuschend ist, dass hingegen die Regelungen für den Lieferverkehr nicht noch einmal im Sinne der Betroffenen geschärft wurden. Außerdem erwarten wir, dass Ersatz für die wegfallende Parkplätze in ausreichender Form abseits der Altstadt geschaffen werden. Das Credo muss also lauten: Ersatz vor Wegfall. Im Blick werden wir auch behalten, ob die Freigabe der kompletten Leipziger Straße für den Radverkehr praktikabel ist. Wir fürchten, dass durch die Freigabe gefährliche Situationen im Alltag entstehen werden. Wir werden die Themen in den nächsten Monaten wieder auf die Tagesordnung des Stadtrates bringen.“, erklärte die SPD-Fraktion nach der Entscheidung.

Die FDP zeigte sich hingegen enttäuscht: „Mit Bedauern nehmen wir die Entscheidung des Stadtrates zur Kenntnis. Wir finden es erschütternd, dass die Argumente von betroffenen Verbänden wie IHK, Handwerkskammer oder Citygemeinschaft kein Gehör fanden. Die Sorgen der Anwohner um ihre Parkplätze halten wir weiterhin für berechtigt und bemängeln, dass diese nicht in die Diskussion mit eingebunden wurden. Das Konzept wird zu massiven Schäden in der städtischen Wirtschaft führen und tut auch dem Klimakeinen Gefallen. Wir streben daher weiterhin eine aktive Bürgerbeteiligung zu diesem Thema an.“

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